Herrn Profeßor Schleiermacher [Autorfußnote Bl. 48v]

Stolpe den 17t Maerz 1809

 Schleiermachers bevorstehende Hochzeit auf Rügen mit Henriette von Willich, Metgers Verlobte war Friederike Philippine Thiele, Tochter des kürzlich verstorbenen Schleiermacher Vorgängers Karl Friedrich Thiele, vgl. Brief 3088. [Schließen]Wie viel Vergnügen hat mir nicht Ihr höchst intereßanter Brief gemacht, lieber Schleiermacher. Nur habe ich es bedauert, daß Sie so viel an Ihrer Gesundheit gelitten haben, für die indeß, wie ich hoffe, Ihre bevorstehende Reise die beste Cur seyn wird.  Sie wollen sich auch verheurathen, und zwar, wie mir aus dem Eindrucke noch erinnerlich ist, den sie vor etlichen Jahren in Berlin auf mich gemacht hat, mit einer sanften, feinen, weiblichen Frau. Dazu gratulire ich Ihnen nun von ganzem Herzen, und glaube fest und zuversichtlich, Sie haben die rechte gefunden. Wie sehr habe ich mich nicht aber gefreuet über die Characteristik, die Sie mir von meiner Verlobten geben. Ich finde sie so ganz wahr, und baue auf die Eigenschaften, die Sie mit so vollem Recht von ihr rühmen, die Hoffnung meines künftigen Glücks. Unser Freund Reimer wird Ihnen doch wol nicht verhehlt haben, wie dieß Verhältniß schon vormals eingeleitet, dann aber gleich wieder abgebrochen wurde.  Karl Friedrich Thiele [Schließen] Dem seligen Manne hatte ich dadurch Kummer und Verdruß gemacht, und seinen Unwillen nachher aus einer unruhigen Besorgniß unter die entferntern Ursachen seines für  Marie Elisabeth Charlotte Thiele [Schließen] Mutter und Tochter höchst traurigen Todes gerechnet. Nun ist es mir lieb, daß ich im Stande bin, Entschädigung zu leisten. Sie kommen Anfangs Juni nach Berlin zurück, und ich reise Ende  | 47v Mais nemlich den Mittwoch nach Pfingsten von hier nach Berlin ab. Wie schöne Tage wollen wir dann nicht zusammen verleben, lieber Schleiermacher. Ich wünschte freilich sehnlichst, gleich von Berlin einen Abstecher nach Westphalen machen zu können; ich wäre auf halbem Wege, und möchte gern die Lieben, die ich dort habe, noch einmal sehen. Wer weiß, ob ich sonst gar dazu komme? Aber theils scheue ich die Kosten, da ich noch nicht weiß, wo ich alles Geld soll zusammen kriegen; doch das ist noch das wenigste, am meisten hält mich ab der Zeitverlust; ich bräuchte ¼ Jahr, und der arme Krech ist noch immer kränklich und zum Predigen untüchtig, und ich zweifele, ob ich meine Predigten unter die hiesigen Prediger und Gouverneurs würde unterbringen können. Reisete ich nun wirklich, wie ich immer noch heimlich hoffe, nach Westphalen (ich meine es versteht sich, das alte) so könnte ich, was mir auch ein schmerzlicher Verlust wäre, Berlin und die dortigen Freunde nur wenig genießen. Die Nachricht von Ihrer Verlobung war mir noch neu, und Hering hatte mir, wie ich ihm doch auch nicht verdenken kann, davon nichts gesagt.  Vgl. Brief 3088. [Schließen] Ebenfalls ganz neu war mir die traurige Nachricht von des alten Büntinghs schlechtem Benehmen im Kriege. Sein  Heinrich Hering [Schließen] Sohn war vor 4 Wochen wieder einige Tage bei mir. Ich gewinne den edlen würdigen Mann immer lieber; es gelang mir vorigen Sommer ihn von seiner Donquichotterie zu überzeugen, ich sagte ihm, ich hätte diese noch fast bei allen, die über das Gemeine erhaben wären, gefunden, z.B. bei allen seinen  | 48 Verehrten in Westphalen , bei vielen in Berlin , namentlich bei Fichte und Reimer , nur nicht bei Schleiermacher. Er forderte nähere Erklärung, wie ich auch ihm einen recht kräftigen Ansatz beilegte. Ich fand sie an ihm wie an allen darin, daß er in einer beständigen Rüstung einher gienge, immer wie zum Kampfe gespannt sey, und das ihm Eigenthümliche heraushöbe und Marquire. Dieß wäre stolz, die Demuth und die Liebe thäten so was nicht, denn Jesus zeigte dieß an sich. Wir wären nicht ausgezeichnet, sondern gehörten so ziemlich mit allen und jeden zu Einer Gattung, daraus folge: Liebe und Demuth, als die Anerkennung des allgemein Verwandten und Gleichen sollte uns leicht, ja natürlich seyn. Jesus war ausgezeichnet, und gehörte zu Einer Gattung, in der er keinen Zweiten, also nichts zu lieben fand, um lieben zu können, hätte Er gesucht, nicht ausgezeichnet zu seyn, und sich in eine niedere Gattung herabgesetzt, in unsere, wo er unzählige zu lieben vorfand. So sprach ich etwa mit Büntingh und fand Eingang, nun schreibt er auch nicht mehr die Ueberlegenheit, die er an mir zu finden glaubt und rühmt, und liebt, und die er darin sezt, daß ich ruhig durch die Welt ginge, und alle als mir gleich nähme, nicht mehr auf Rechnung einer glücklichen Unbekanntschaft mit der Welt, und Er selbst wird, wie es mir scheint, allgemein-menschlicher. Das freut mich so sehr an ihm, einem Manne deßen Energie und kräftige Bravheit ich mir  Textverlust durch Papierabriss [Schließen]  Schadhafte Stelle [...]

Eben war Prediger Grolp bei mir, und erbot sich mir zu 7 Vormittagspredigten; die übrigen bringe ich unter die Gouverneur, denke ich, und so freue ich mich, daß ich 14 Wochen Urlaub werde bekommen und nach Westphalen reisen könne. Laßen Sie doch unsern lieben Reimer den Brief lesen. Leben Sie nun recht wohl. Ich glaube, Sie haben durch Halle nichts verloren, sondern haben, vollends wenn die Universität zu Stande kommt, in Berlin alles, und noch mehr, was  korr. v. Hg. aus: sieSie in Halle hatten. Die DreifaltigkeitsKirche an der Sie jetzt stehen, würde mir die liebste in Berlin seyn, und irre ich mich nicht sehr, so ist sie es auch Ihnen.

Metger.

Zitierhinweis

3157: Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Freitag, 17.3.1809 , ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006986 (Stand: 26.7.2022)

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