Götemiz, Sontag d 12t Merz, 1809
Lieber guter Schleier, ich bin Dir so herzlich dankbar! ich kann es Dir gar
nicht sagen wie sehr – ich weiß es wohl, daß, alles was Du
auch mir giebst, so ganz natürlich bei Dir kömt, und daß es
Dir, also nichts außerordentliches ist, aber eben
darum theurer geliebter Bruder ist es ja mir noch so viel
mehr – Lieber Schleier, im ganzen korr. v. Hg. aus: machmag
ich wohl zu wenig Vertrauen zu mir haben, Vgl. Brief
3099.
[Schließen]aber wenn Du mir so liebe Worte sendest, so ist
mir ordentlich als wäre ich ja auch was werth, schon dadurch
– Sage aber doch mal, wie mag es zu gehen, daß ich fast
immer weinen muß, sobald ich anfange an Dich zu schreiben?
Dir ist ja so manches klar, weist du denn dies nicht? Sieh
ich weiß es nicht, dies nicht, wie manches in mir noch
nicht.
Ich bin seit einiger Zeit sonst, weit glüklicher in mir, wie es mir kam,
wie es war und nun ist, kann ich Dir nicht wiederholen –
es giebt nur Momente, wo man zu sich selbst darüber
sprechen kann, dies habe ich
getan in einem Briefe an meinen P.
und, in eingen Worten an unsre
Henriette von Willich
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Henriette
. Ja reiche mir nur die Hand, und habe mich recht von Herzen lieb,
Vgl. Brief.
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Jettchen
hat mich auch lieb, und hat mir alles vergeben worin ich sie je
weh gethan – immer habe ich sie doch innig geliebt
das weiß ich, und zu weh that mirs wenn ich diese
Liebe in ihrem Wesen zu vermißen glaubte, das hat
mir manche bittre Träne | 43v gekostet – und so
konnte ich ungerecht werden – und sie für strenge
und kalt halten im Augenblicke wo sie mir, hätte
ichs geglaubt, vieleicht mit Liebe um den Hals gefallen wäre – aber
wir schwiegen beide in solchen Augenblicken und
warum? ach einmal fragte ich Jettchen
Du hast mich wohl nicht mehr so lieb Jettchen
wie sonst – doch stille nun davon – Es ist vorüber
habe ich gesündigt, so habe ich auch die Schmerzen
empfunden. Aber nun trösten mich auch die
Worte.
Luise von Willich zitiert die dritte Strophe aus einem
Kirchenlied „Kinder, liebet und betrübet“ von Gerhard Tersteggen
(1697-1769), in: ders: „Geistliches
Blumengärtlein“. Neue Ausgabe, Stuttgart 1956, S. 504
f. [1729].
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„Ja ihr Kinder,
Wir sind Sünder,
Doch nimt Jesus Sünder an,
Komt mit Demuth,
Klagts mit Wehmuth,
Und es sey wie nicht getan. [“]
Mir ist sehr wohl mein theurer Bruder seit ich Jettchen mein ganzes Herz aufschloß, ich weiß es nun gewiß sie liebt mich, und ich kann mit Freuden ihre Liebe empfangen, und die Deinige, und ruhig, und mit stiller Ergebung sehe ich nun alles kommen. Sehe den Frühling nahen der recht als ein beglückender seegnender Freund diesmal in unsere Mitte tritt. Doch Schleier, bei alles Glück, und aller Freude die er bringt, birgt doch seine süße Natur, auch eine Trähne der wehmuth – ! | 44 und so, sei er auch mir gesegnet!
Jezt muß ich hinuntergehen, Vgl. Henriette von Willichs Brief
3158,
7 vom 17.3.1809.
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Ruz
ist da, und wie ich den The eingeschenkt
hatte, ging ich zu Dir! adieu mein guter Bruder; ich sende dies
Blatt nicht ab, ohne Dir noch mehr zu sagen.
Dienstag d. 14t.
Ganz gut ist mir nicht dabei zu Muthe, daß ich von Bette gehe, doch
sehnte ich mich nach dieses Blatt, und ein viertel
Stündchen kann ich wohl Lotte allein laßen. Die kleinen
Kinder sind alle bei ihr,
aber auch
Christiane und Karoline von Kathen
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Cristian, lies:
und
[versehentlich nicht gestrichen]
[Schließen]er und Line
die nun schon zur Unterhaltung der Kleinen bei
tragen können.
Die Großen und Alten sind alle nach
Poseriz
.
Ich bin nun gleich 3 Wochen hir, und habe in dieser
Zeit die
Henriette von Willichs Kinder, Pauline Marianne
von Willich und Ehrenfried von Willich
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Kinder
gar nicht, und
Jettchen und Sophie nur ein mal gesehn.
Taufe des jüngsten Kindes von Charlotte von Kathen
,
Wilhelm von Kathen
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Freitag nun wird die Kindtaufe,
dann kommen die Familie der Sophie Schlichtkrull und Henriette
von Willich mit ihren beiden Kindern
[Schließen]Poserizer
und ich kann ruhig mit zu
Hause fahren weil Morgen Mine Baier
kömt und noch 14 Tage hier bleibt. Sonst wäre ich nun noch
geblieben, Lotte
war nun auf einem so schönen Wege wieder Krafft und
Wohlbefinden zu erlangen, hätte ich sie nicht einer Pflegerin
übergeben können so hätte ich sie nicht ruhig verlaßen.
Nein, ich will nur
hinunter gehen, ich size doch auf eine Art von Kohlen – und
dann kömts doch nimmer so heraus wie ichs meine, Gute Nacht
also lieber Schleier.
Dorothea
Wilhelmina Baier
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Minchen
, Ruz und ich stehen Gevatter, erst sollten wir 3 nur allein,
nun bittet Kathen aber Heute noch
Schlichtkrull
, und noch eine Verwandtin
von Hause, eine
Die Mutter von Ludwig Emanuel von Kathen war eine geborene von
Platen. Bei der Patentante handelt es sich wahrscheinlich um Helene Charlotte
Frederike
oder um Helene von
Platen,
vgl. Brief
3158,
7 f.
[Schließen]Frau von Plathen.
Den 16t. Der Kuchen zur Kindtaufe ist fertig zwar korr. v. Hg. aus:
auf
auch
von
meiner Hand bereitet,
Vom Hg. korrigiert.
aber doch
| 44v
aber doch kein Reiskuchen, und also keine Mehlspeise sondern
eine Baumtorte. Dies nicht für den berühmten Schriftsteller und Profeßor,
sondern – für Anne (Nanny) Schleiermacher
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Nanny
.
Gestern kam Minchen, und Morgen kommen die Poserizer.Unsere Lotte ist nun außer Bette. Morgen besorge ich noch das Kindtaufsmal und Abends reise ich mit den Poserizern zu Hause. Dann habe ich die süßen Kinder wieder! 2 Monate habe ich sie dann noch – schnell genug wird wohl auch diese Zeit vergehen, glaube nur nicht daß ich mich gräme sie werden glücklich.
Vor einer Minute noch warf die Sonne einen köstlich rohten Stral auf dies Papier – nun ist sie gesunken, und ein doles Gewitter verbirgt das schöne Abendroth. Es ist mit einem mal ganz dunkel geworden.
Die andere Woche kommen die Familie des Heinrich Christoph von
Willich
[Schließen]Sagardschen nach Poseriz
.
Vorige Woche war Hermann Baier hir, er war sehr glücklich. Die arme Lotte Schwarz ist es nicht, Haßelbach wollte Ostern kommen nun wird er aber nicht kommen weil er krank ist –
Grüße Nanny
herzlich lieber Schleier
und
Reimers
, und
Wilhelmine Schede und ihren
Karl Wilhelm
Ludwig Schede
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Bruder
ich habe sie lieb weil sie sich beide so lieb haben.
Bruder und Schwester! ist etwas Schöneres?
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