Sonntag d 12t. März. Morgens

47

Gleich anfangs muß ich Dir mittheilen mein Ernst daß die gute Mühlenfels gestern von einer  Karoline von Mühlenfels (d.J.) [Schließen] Tochter entbunden ist – noch habe ich gar keine Nachricht ob alles gut und erfreulich ist, sehne mich aber unendlich darnach und hoffte heute Nachmittag hin fahren zu können.

 Henriette Herz [Schließen] Jette hatte sich hier heute angemeldet, aber nun komt sie gewiß nicht, ich treffe sie wahrscheinlich da.

Ich bin heute Morgen etwas früher als gewöhnlich aus dem Bette gekommen daher kann ich die  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kleinen nun noch etwas im Bette warten lassen und Dir einen Morgengruß bringen mein süßer Geliebter! vor deinem Bilde habe ich ihn Dir schon gesagt – Du Herzensmann daß Du immer so froh und glücklich schreibst das ist mir ordentliche Wonne – Vgl. Brief . [Schließen] wie schwebt auch mir das ganze Leben so ungestört herrlich vor – jedes traurige mit Dir gefühlt, wie muß es Schönes enthalten und im Gemüthe zurücklaßen – Auch mir begegnet oft so ein heimliches unverstandenes Lächeln wie Dir mein süßer Ernst – Gott wie ist mein Herz oft so voll von Liebe für Dich daß es gar nicht weiß sich auszusprechen – nur an Deiner Brust – an Deinem Herzen Ernst – unendlich geliebter Mann leb wohl die  | 51v Kleinen wollen sich nicht länger halten lassen –



Gestern ward ich recht entschädigt für die Entbehrung des vorigen Posttags. Ich erhielt  Vgl. Brief und Brief . [Schließen]Deine Briefe vom 28 und 3ten auf einmahl – so groß mein Verlangen war so mußte ich mich doch lange gedulden ohne sie lesen zu können, der  Ehrenfried von Willich (d.J.) [Schließen] Friedle wollte nicht von meinem Arm und das Lesen wollte er auch nicht erlauben. Hernach erbarmte  Sophie von Schlichtkrull [Schließen] Sophie sich und ich lief nach meinem Zimmer mit den süßen Briefen –

 Vgl. Brief . [Schließen] Ich glaube wohl daß Du Dich nicht recht vernehmen kannst aus meinem Verhältniß mit Louise – Du hast aber doch gewiß Recht in dem meisten was du sagst nur glaube ich daß mehr mein ungetheiltes Mutterleben als die Ehe mit Ehrenfried etwas von Louisens Traum zerstört hat. In mir entschied sich grade in der Zeit wo das Mutterglück mich so ganz erfüllte, diese Abneigung gegen Louisens Wesen die Du ganz mit Recht tadelst. Ich hatte ein gar zu lebendiges Bild davon wie es in Sagard war.  Luise von Willich und Marianne von Willich - Schwestern des verstorbenen Ehrenfried von Willich - kümmerten sich um den Sohn und die Tochter ihres Bruders, Theodor und Amalie von Willich; beide waren Kinder der Charlotte von Willich geb. Cronheim.  [Schließen] Louise war eigentlich Theodors Mutter und Mariane Malchens ihre und die wirkliche Mutter war den Kindern   lies: entschieden  [Schließen]entscheiden nicht so lieb und so nahe. So dachte ich wird es hier auch werden und ich hatte eine Furcht vor Louisens | 52 Liebe zu den Kindern, um so mehr da mir ihre Liebe für Theodor so sehr misfiel und für das Kind zum grösten Nachtheil zu sein schien, und alle Freunde und Ehrenfried fühlten darin mit mir gleich – so daß ich wohl wircklich damals oft mag recht kalt herzliches Hinneigen zu ihm, aufgenommen haben. Ich war überhaupt eine recht sonderbare eigensinnige junge Mutter – von meinen Ideen über die Behandlung des Kindes besonders im Geistigen brachte mich nichts ab, selbst zu Ehrenfried hatte ich darin nicht ganzes Vertrauen welches mich nachher oft gereut hat. Dieser war aber im Ganzen doch so voll Freude an dem Kinde und an mir und an meinem Sein mit ihm daß er mich in allem ruhig gewähren ließ mit unendlicher Geduld mich trug und nur selten aber doch einige mal war er unzufrieden, aber auch recht sehr, über mein ausschliessendes Mutterleben das mich von allem Umgang ausschloß, über meine Kleinen bisarrren Ideen.  Nun denke Dir aber Louise mit ihrer Sehnsucht selbst zu leisten und zu genießen –

Es war damals so arg in mir daß ich ordentlich in beständiger heimlicher Bewegung und Herzklopfen über Louise war, meine Heiterkeit litt unendlich dadurch und des  Henriette Pauline Marianne von Willich [Schließen] Kindes seine vielleicht mit. Sie hielt sich freilich ganz zurück  | 52v aber nicht ohne viel Wehmuth und etwas Bitterkeit. Aus dieser Zeit stamt sich Louisens Mißtrauen  korr. v. Hg. aus: daßdas auf diesem einen Punkt gegründet, in allem andern grundlos war, denn übrigens ward es mir nicht sehr schwer sie zu tragen und ich hatte sie recht lieb. Vorstellen kannst du dir es übrigens gar nicht worin das schwere besteht wenn man etwas mit ihr zusammen treiben muß, es läßt sich nicht beschreiben, aber es gehört gewiß viel dazu dahin zu kommen es als  Vgl. Brief. [Schließen]etwas nothwendiges phisisches zu behandeln wie Du sagst. Ehrenfried war das auch nicht ganz gelungen, und ich erinnere mich daß wir einmahl darüber sprachen und daß er sagte, es sei das kaum möglich denn ihre Ansprüche stießen wircklich oft gegen unsere Freiheit – Lieber Ernst ich sage kein Wort darüber daß es scheinen könnte als wolle ich Louisens Schwächen recht herausheben – zu Dir bedarf es das nicht auch liegt ihr Gutes so klar am Tage daß man darüber weiter gar nicht zu sprechen braucht. Vgl. Brief . [Schließen] Ich bin ganz Deiner Meinung daß wenn sie künftig bei uns sein wird sei es kurz oder lange nichts der Art vorkommen  | 53 wird – eben so stehe ich auch für die Zeit die wir nun noch zusammen sein werden, und mein Brief hoffe ich wird ihr die Liebe die ich wircklich für sie habe recht fest gemacht haben und das Vergangne so gut in ihr ausgelöscht haben wie das möglich ist

Ruhiger sehe ich die Sache jezt auch als da ich neulich so sorgenvoll dir schrieb, aber Schuld habe ich doch immer viel –

 Vgl. Brief . [Schließen]Süßer Ernst ob ich mich fürchte? Du brauchst nicht erst Dich auf Deine Küsse und Deine Blicke zu berufen – ach Gott nein Du kannst niemals böse auf mich sein – und ich kann nie anders als gut sein wenn ich durch Deine Gegenwart wie in ein höheres Dasein gehoben bin – Süßer Mann ich frage oft – wie wird mir sein! ich weiß es doch kaum wie mir sein wird – –  Vgl. Brief . [Schließen] Ach es ist mir wohl nahe genug gegangen daß ich den 5ten nicht communiciren konnte, es war gar keine Communion ich wußte es vorher und wundere mich es Dir nicht geschrieben zu haben  Vgl. Brief . [Schließen]– aber gebeten habe ich Dich doch den 16ten fest dazu zu bestimmen, Schlichtkrulls werden dann wohl auch communiciren. Sonst könnte ich wieder nicht darauf rechnen denn wenn hier auch Communion angesezt wird so finden sich doch gar keine Communicanten  | 53v in einem halben Jahre hat Schlichtkrull keinen gehabt.

 Vgl. Brief . [Schließen]Wohl war es schön daß du neulich so recht Ernst warest und dich so ganz aussprachst es war so tief und so wahr was du sagtest daß ich es eigentlich unendlich gern von Dir hörte –

Ja immerhin magst Du mitunter meinen Ernst in Scherz umkehren was gestände ich nicht zu –

Lieber Ernst ich habe doch so noch nicht die Liebe und die Ehe verstanden als jezt, doch nun bin ich auch stolz genug mich recht eingeweiht zu halten. Geliebter Ernst alles Heilige wird durch Dich neues Leben in mir gewinnen –

Ernst auf deine Predigten auf die Kirche überhaupt freue ich mich ganz ungeheuer – ist eine schöne Orgel in deiner Kirche? – ohne Zweifel.

 Vgl. Brief . [Schließen]Die Wittwenkaße hat im April mir alles ausgezahlt, ich habe nur für October zu fordern

Ich muß aufhören, Du wirst dem Briefe ansehn daß ich mich rasend dabei gesputet ich sehe noch nicht wann ich werde zu Dir kommen können – | 54

Sissow,(?) Montag Morgen.

Seit gestern Nachmittag bin ich hier mein geliebeter Ernst – habe die liebe Wöchnerin leidlich gefunden und das  Karoline von Mühlenfels (d.J.) [Schließen] Kind allem Anschein nach gesund,(?) nur mit dem stillen will es noch gar nicht gehn wir haben viel Noth damit, ich hoffe aber doch noch, da  Karoline von Mühlenfels [Schließen] Line so fest und geduldig ist – Ich bin die Nacht bei ihr auf gewesen, sie will mich auch so gerne noch behalten, es wird nun darauf ankommen was für Nachricht von  Ehrenfried von Willich (d.J.) [Schließen] Friedchen erhalte ob ich länger bleibe oder heute wieder nach Poseritz fahre. Daß ich Friedle verlassen habe daraus kannst Du schon schliessen daß er frei von Fieber und völlig auf dem Wege der Besserung ist –

Nun nur ganz kurz theurer Ernst was ich gestern mit Jette verabredet, nehmlich daß es beßer sei die Sachen fortzuschicken ehe ihr hier seid weil das sonst viel Unruhe und Stöhrungen geben würde – Ich setze also den 14 April fest, an diesem Tage sollen die Sachen in Stralsund bereit zur Abhohlung stehen – Der einzige Grund warum ich es später gewünscht hatte war der, daß ich gerne mein Leinzeug das  | 54v viele Flecke hat, gebleicht hätte einige Wochen lang, Jette meint aber ich könne in Berlin auch bleichen lassen und mit vielen Umstände und Kosten wäre es auch hier für mich verknüpft gewesen – Also den 14ten April Wenn Du nichts einzuwenden hast.

Ich kann Dir gar nicht sagen wie viel Theil ich daran nehme daß hier alles gut geht, es erfüllt mich jezt ganz. Mein  Friedrich von Mühlenfels [Schließen] Bruder ist mir recht rührend in seiner außerordentlichen Liebe und Freude die doch von eben so viel Besorgniß begleitet ist – Carolin ist so glücklich – das Kind allerliebst.

Mein Herzens lieber Mann ich schließe Dich zärtlich in meine Arme und bin immer ganz

ganz Deine Jette –

Die Wöchnerin grüßt Dich –

Zitierhinweis

3137: Von Henriette von Willich. Poseritz und Sissow, Sonntag, 12.3. bis Montag, 13.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006966 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.