Abends d 5t März.

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Die stille einsame  lies: Abendstunde
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Abenstunde
soll wieder Dir geweiht sein mein Geliebter – mir ist heut das Herz so voll und weit, ich habe recht nach dem Genusse geschmachtet mit all meiner Liebe zu Dir zu kommen mein Trauter – Ich habe heute den ganzen Tag unser krankes  Ehrenfried von Willich (d.J.)
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Kind
getragen und gepflegt dabei aber die Freude gehabt unsere geliebte  Henriette Herz
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Jette
hier so lieb und so vertraulich bei mir zu haben wie fast noch nie – Sie kam schon Vormittags, blieb aber noch einige Stunden nachdem Schlichtkrulls nach Garz wegfuhren, allein bei mir. Es ist mir innig wohl mit ihr gewesen, wir haben viel über die schöne Zukunft gesprochen, über  Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten
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Alexander
– auch sagte sie mir ihre Gründe die sie abhalten schon jezt öffentlich unserer Religion beizutreten,   Vgl. wohl Brief .
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sie hat ja auch an Dich darüber geschrieben.
Findest Du es nicht auch natürlich daß sie ihrer alten  Esther de Lemos
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Mutter
nicht diesen harten Stoß geben will? Einst wird sie sich gewiß zu uns bekennen wie sie es lange innerlich gethan hat. Lieber Ernst ich glaube  | 44v doch nicht daß ich eine zweite Freundin haben werde wie Jette

Wie reich bin ich gestern geworden mein Geliebter  Vgl. Brief und Brief.
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zwei Briefe auf einmal! vom 21ten und 26ten
nun fühle es auch recht wie ich innig mich an Dich schmiege und in den Küssen die alles sagen und alles geben Dir zu erkennen gebe  Vgl. Brief .
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daß ich Dir den Scherz von neulich verziehen habe
und daß ich Dein bin – o so ganz wie sich’s nicht aussprechen läßt.

 Vgl. Brief .
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Du Süßer ich denke ich werde es mir schon gefallen lassen wie Du’s Küssen treiben wirst.
Ist doch dein liebkosen so recht nach meinem Herzen so warm so lebendig so zart – aber wie kann man es denn aussprechen wollen wie es ist – Es kann ja nicht anders sein als daß auch alles Einzelne lieblich ist aus so schöner Seele. – Gott! lieber! welche Augenblicke werden wir doch leben! Denke es dir nur recht Herzensmann wenn wir erst bei einander sitzen werden und ich in Dich verloren mich an Deinem Anschaun weide – und Aug in Auge immer tiefer bis ich es nicht mehr aushalten kann sondern in voller Begeisterung Dir um den Hals falle und alle Zärtlichkeit an Dich verschwende Du Süßer Einziger – | 45

Ach ja Ernst! an meinem Geburtstage der erste Morgengruß von dir, das erste Gebet an deiner Seite in deinen Armen wird des Tages schönste Feier sein – Wie sehr stimmt mein Gefühl Dir bei daß man das erste und innigste ganz unter sich genießt, so wie ich auf der andern Seite Dich auch schon oft bewundert wegen des schönen Sinnes. Alle die es werth sind immer mit hinein zu ziehen in einen Genuß. Dieser Sinn hat mir früher sehr gefehlt, mich reizte es immer mit Einem oder Wenigen zu theilen und so viel Heimlichkeit wie möglich dabei zu bewahren –  Alexander Graf von Dohna-Schlobitten, vgl. Brief .
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Ich danke dir daß du so ausführlich über Alexander antwortest, mißverstanden hätte ich Dich nicht hättest Du auch ganz geschwiegen, sondern geglaubt Du denkest meine Zweifel würden sich mir schon von selbst gelöset haben. Das war auch so aber nun hat deine Schilderung mir ein sehr deutliches Bild gegeben zusammen gehalten mit dem was ich durch Jette weiß.
 Eleonore Grunow, Schleiermachers unglückliche Liebe, vgl. Brief .
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– Wie soll ich Dir aber nur danken mein Herzens Geliebter daß du mir Deine und Eleonorens Briefe zu lesen geben willst.
Ich hatte schon recht oft daran gedacht Dich aber nicht darum fragen wollen ob Du Deine an Eleonoren habest. Ich hätte es mir doch recht gut erklären können  | 45v wenn Du sie hättest unberührt gelaßen. Ob ich mein Lieber wohl wünschte auch so dargestellt zu werden? wenn ich wircklich was Eigenes hätte weshalb ich Interesse erregen könnte wie würde ich es denn nicht recht schön finden. Das mußt Du nun besser wißen als ich was ich darüber glaube weißt Du längst. Aber eine große Freude würde es mir sein wenn Du einmahl ein solches Werk schriebest das ich dem ganzen Gehalt nach von seiner Entstehung an inniger mit Dir theilen könnte als Deine philosophischen Werke. Ein recht außerordentlicher Genuß könnte mir das sein.   Die Predigt „Ueber das rechte Verhältniß eines Christen zu seiner Obrigkeit“ schickte Schleiermacher im Brief vom 16.2.1809 mit.
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Deine Predigt ist ganz herrlich nur werden sie aber keine Ungebildeten verstanden haben. Ich wüßte gar nicht lieber Ernst wie es einen Gegenstand geben könnte der mich nicht interessirte Du hattest also sehr Recht zu glauben daß ich mich hinein lesen würde.

 Vgl. Brief .
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Mein Ernst das ist ganz herrlich daß Du schon so früh kommen kannst, was für Gedanken sollte ich Dir denn darüber schreiben als die außerordentlichste Freude? Komme doch ja so bald irgend möglich und wisse daß es Allen hier sehr lieb sein wird

Ach daß unser Wiedersehn, unsere schöne Feier in die Zeit der Blüthen fällt ist unvergleichlich.  | 46v Ja recht in vollen Zügen wollen wir die liebliche Schönheit der Natur genießen – solche Liebe im Herzen wie wird sie sich da doppelt seelig fühlen lassen –   Vgl. Brief .
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 Sophie Schlichtkrull
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Sophie
rechnet ganz darauf daß wir lange in Sagard sind – übrigens wollen wir noch besprechen wie wir es am schonendsten für sie einrichten.

Ich muß zu Bette mein Ernst, ich habe in 3 Nächte keinen ordentlichen Schlaf gehabt und wer weiß wie viel in dieser davon wird ich befinde mich aber vortrefflich dabei, je weniger ich schlafe je muntrer bin ich. Ich schlafe in der Regel doch viel mehr als du und das ist mir fatal – Nun süße gute Nacht und lange innige Küsse auf die vollen geliebten Lippen –

Montag Morgen.

Nachdem wir ganz herrlich geschlafen unser geliebtes Kind und ich war mein erster Gedanke beim Erwachen Du und mein erstes Gefühl deine Liebe – und nun reihte sich alles daran  der verstorbene Ehrenfried von Willich
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Ehrenfrieds
Liebe – Gottes unendliche Huld und Gnade – und ich weihte euch von neuem mein Leben mein ganzes Sein! O mein geliebter Ernst ich bin sehr glücklich  | 46 und doch fühle ich daß ich um ein Jahr in deinen Armen es noch mehr sein kann – An Deinem Bilde habe ich mich gelabt diesen Morgen nur wenige Minuten war ich allein dort aber ich genoß Dich ganz – Weißt Du wie es mich am grösten und herrlichsten anspricht? – wenn ich das tiefe Leben das aus den Augen dringt als ein großes stilles Entzücken empfinde –

Süßer Ernst in diesem Augenblik da ich sitze und schreibe kommt mein  Henriette Pauline Marianne von Willich
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Jettchen
und bringt mir  Vgl. Brief, der vielleicht über Henriette Herz (z.B. im Brief am 23.02.1809) oder eine andere Person samt Geschenk verschickt wurde.
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die lieblichen Geschenke und Deine theuren Worte
– Mein mein Ernst mit welcher Rührung, mit welchem Dankgebet zum Höchsten schließe ich Dich an mein liebendes Herz – o es giebt ja keine Worte – Da bringt mein Jettchen mir wieder einen schönen Kringel von unserer Sophie , o der Freunde Liebe rührt mich auch innigst. Ach könnte ich meine Sehnsucht und alles was ich fühle Dir aussprechen. – Geliebter Mann! ich seeliges Weib auf der Deine göttliche Liebe ruht – Wie dein Geschenk schön ist mein Ernst, der schönste Schmuk den ich kenne – nein keine Thränen werden sie uns bedeuten – Bild des himlischen zarten Bandes sind sie mir das uns vereint –

Leb wohl auf das zärtlichste umarmt und wisse  am linken Randohne Worte um alles was in meinem Herzen ist. Von Friedchens Krankheit wollte  am linken Rand von Bl. 46v ich noch einen umständlichen Bericht abstatten und nun ist mir kein Platz geblieben  am linken Rand von Bl. 44 er hat wahrscheinlich das kalte Fieber. Auf jeden Fall hat es gar nichts zu sagen  am linken Rand von Bl 44v ich  Der Leibarzt Moritz von Willich, Bruder Ehrenfried von Willichs, wohnte in Bergen.
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habe heute wieder nach Bergen geschickt
um neue Medicin im nächsten Briefe
 am linken Rand von Bl 45 hoffe ich dir die Nachricht geben zu können daß er ganz beßer ist – noch einmahl   süßes Lebewohl

Zitierhinweis

3123: Von Henriette von Willich. Poseritz, Sonntag, 5.3. bis Montag, 6.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006952 (Stand: 26.7.2022)

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