Dienstag Abend d 28t. Febr. 9

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Ach einzige Jette es waltet ein rechter Unstern über meinem Schreiben! Am Sonntag raubte mir ein  Es handelt sich laut Tagebuch um einen Herrn Röder, und der Brief von Bartholdy aus Wien macht wahrscheinlich, dass es sich um Ludwig Sigismund Anton Baron von Röder handelt.
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Freund
der in Wien gewesen war mit den interessantesten und zum Theil erfreulichsten Erzählungen alle Zeit zum Schreiben. Zwischen Mittag und Abend fand sich nur eben so viel Zeit daß ich die eingelaufenen Briefe lesen konnte einen großen von  Henriette Herz
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Jette
, und Deinen lieben herrlichen wemüthigen – ach ich hätte Dir so gern gleich geschrieben! Gestern und heute habe ich gearbeitet nicht eben außerordentlich viel aber doch so anhaltend als ich konnte – und für Morgen und Uebermorgen sehe ich nun lauter Störungen voraus. Schon Vormittags kommen Morgen leider allerlei kleine Geschäftssachen Mittags muß ich bei der Levi essen, dann gehts ins  Schleiermacher las die Dogmatik, vgl. A. Arndt u. Virmond: „ Schleiermachers Briefwechsel (Verzeichnis) “ (1992), S. 303f.
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Collegium
, und Abends sind wir bei Alberti's wo ein Geburtstag gefeiert wird.  Laut Tageskalender fand die Taufe bei Familie Buttmann statt, getauft wurde Philipp Buttmann, vgl. Tageskalender 1809 am 2.3.
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Uebermorgen soll ich Vormittags entweder ein Kind taufen oder Gevatter stehen und Mittags geht die Post ab. Soll ich nun gar taufen, was ich doch gern thue denn es ist bei lieben Leuten, so geht der ganze Vormittag hin.
So laß mich Dir denn noch jezt in der Nacht ein Paar flüchtige Wörtchen sagen.  Vgl. Brief .
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Also ist wieder einmal ein Ausbruch des gegenseitigen Abstoßens gewesen zwischen Dir und  Luise von Willich
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Luise
! und Du hast soviel dabei gelitten Du Aermste! Ganz kann ich mich noch immer nicht vernehmen daraus wie es eigentlich mit Euch ist! Ich wollte Du hättest mir die bogenlangen Briefe die mir doch eigentlich gehörten nicht vorenthalten, was ich Dir ohnehin gar nicht ordentlich verzeihen kann, so wüßte ich es wahrscheinlich besser. Im  | 30v allgemeinen glaube ich nur zu sehn daß Ihr beide gleich schuldig seid oder gleich unschuldig wie man es nimmt. Ganz unpartheiisch glaube ich dir etwas mehr Schuld beilegen zu müssen aber weil Du offenbar die stärkere und besonnenere bist; aber ich thue das eben schon in dem ich Dir gleiche zuschreibe denn hiervon abgesehn hat Luise gewiß mehr. Hättest Du mir doch gesagt weshalb sie denn ursprünglich empfindlich auf Dich geworden! Ich bin ganz überzeugt daß das gar nicht zu vermeiden ist mit aller Anstrengung der Welt denn je mehr man sich in Acht nähme um desto empfindlicher würde sie werden. Aber ich halte es für ein großes Glük wenn man es gar nicht merkt. Auf mich würde Luise gewiß täglich empfindlich, aber hundertmal vergangen ehe ich einmal etwas davon merkte, und so müßte es immer in sich selbst erstikken. Das kannst Du nun aber nicht; und nur so thun als merktest Du nichts das wäre gewiß bei ihr das übelste. Nun seze ich mich hin und lese alle Vorwürfe die Du dir machst und sehe daß du bei alle dem doch keine wesentliche Schuld an Dir aufzuweisen hast. Denn das ist keine daß du sagst du hättest ihr immer mehr opfern sollen von deinem Glük. Was welches Glük ist, das muß alles neben einander bestehen können ohne alle Aufopferung, und wenn Luise nicht ohne eine solche zu befriedigen gewesen so hat sie doch etwas falsches gewollt – wie denn eine so weichliche Liebe immer etwas egoistischer Natur ist. Deine Schuld liegt also gewiß nicht in etwas wesentlichem sondern nur in der äußeren Art des Betragens. Aber nicht etwa darin daß Du es nicht oft genug zu Zänkereien hättest kommen lassen denn die sollen doch eigentlich gar nicht vorkommen. Soll ich Dir je einen Vorwurf machen liebe Jette so könnte es lediglich der sein, daß eben Luisens Schwächen und Eigenheiten Dir widerstehen. Von Deiner  | 31 Stärke möchte ich es wohl fordern daß das nicht wäre. Seze diese Schwächen nur ein für allemal ordentlich als etwas was ist, was gar nicht in Luisens Macht steht zu ändern, und was also in die Reihe der natürlichen rein physischen Dinge fällt. Ueber diese ärgert man sich nie und sie widerstehen einem nie, sondern man lernt ihnen nur ab, wie sie zu behandeln sind. Kannst Du Dir nicht denken daß Du es dahin bringen könntest mit ihr? In Luisen verstehe ich nun vielerlei was eure Disharmonien hervorbringt, aber was du eigentlich meinst mit dem Mißtrauen was du ihr vorgeworfen hast, das verstehe ich nicht recht. Ueberhaupt um etwas ordentliches zu sagen über das Ganze müßte ich euch mehr miteinander leben sehn.
Indeß habe ich die wunderliche Ueberzeugung daß wenn Luise in unserm künftigen Leben einmal eine Zeitlang mit uns leben sollte das sehr gut gehn würde. Ich glaube, ich wäre die rechte Vermittelnde Kraft für Euch, ohne daß ich eigentlich das mindeste Verdienst dabei hätte. Zuerst würde sich Luisens Empfindlichkeit an mir mehr als irgend an wem sonst abstumpfen, und du würdest leicht mit da hinein kommen, ihre Schwächen eben wie ein physisches Ingredienz zu behandeln das man auf gewisse Weise gewähren läßt und auf gewisse Weise ablenkt. Das aber kann ich mit Gewißheit sagen liebes gutes Kind, daß Du nicht soviel hättest leiden sollen diesmal, zumal wenn du dir doch selbst neuerdings nichts vorzuwerfen hast. Und darüber gebe ich Dir den völligsten Ablaß was Du Dir vorwirfst als ob Luisens schönstes Bild in dem Glük ihres  Ehrenfried von Willich
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Bruders
ihr eignes zu finden zerstört worden wäre durch Dich. Nein liebes Kind, es ist durch sie selbst zerstört worden, und auch nur sie konnte es zerstören. Sie konnte glaube ich aus dem Traum von einem gewissen Alleinbesiz nicht heraus; sie konnte nicht da hinein kommen Ehrenfrieden auch in Dir zu sehn, nicht weil Du grade Du warst, sondern wiefern Du überhaupt seine Gattin warst. In Ehrenfrieds Ehe konnte sie nicht hinein kommen. Er selbst suchte das immer zu bewirken, es war ihm aber noch nicht gelungen – Und nun muß ich zu Bett gehn meine süße Liebe weil das Zimmer ganz kalt ist. Dergleichen fürchte ich noch sehr wegen des Magenkrampfes, und Du willst ja ich soll recht viel thun um gesund zu werden. Aber was thue ich auch alles! ich pflege mich schon recht in deinem Namen, und wenn Du selbst anfangen wirst, wirst Du mich schon lange verwöhnt haben. Laß Dich recht an mein Herz drükken und alle Sorgen dir aus der Stirne streichen meine Herzens Jette, und sei mir nicht zu betrübt über etwas, woran du doch im wesentlichen nichts ändern konntest.  Vgl. Brief.
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Ist es aber nicht sonderbar daß ich grade jezt auch einen freundlich scheltenden Brief an Luise geschrieben, nemlich scheltend darüber, daß sie mir in dieser Zeit von Ehrenfrieds Tode auch nicht eine Zeile geschrieben hat.
Ich bin nun recht verlangend darauf, wie sie das nehmen wird. –  Sophie Schlichtkrull, vgl. Brief .
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Sophie grüße nur schön und sage ihr das erstemal daß ich klagen würde über das Joch sollte sie mich recht tüchtig auslachen aber es hätte keine Noth denn ich wäre ein ganz rasender Wütherich gegen den Niemand aufkommen könnte.
Ist das nicht auch ein eigener Auftrag, und einer wohl des andern werth? Fürchtest Du Dich wol Kleine? Ach sieh mir nur in die Augen ob die wohl böse sein können, und versuche die Küsse ob diese Lippen wol Zorn und Heftigkeit aushauchen können. – aber wahr ist es übrigens doch. Gute Nacht gute Nacht mein süßes Herz.

Donnerstag. Ach ich wußte wol daß es so kommen würde und daß ich nicht mehr würde k  über den ursprünglichen Text geschriebenschreiben können; jezt komme ich eben von der Taufe und es ist die höchste Zeit daß die Briefe fort kommen. Aber Gestern Abend auf dem Geburtstagsfest habe ich sehr viel von Dir und unserm künftigen Leben gesprochen zu einer herrlichen Frau nemlich, der Spalding. Von der kann dir Jette nicht genug sagen denn sie haben sich nicht zusammen finden können. Nun lebe wol meine einzige Liebe. Nächstens mehr tausend zärtliche Küsse von

Deinem Ernst

Zitierhinweis

3110: An Henriette von Willich. Berlin, Dienstag, 28.2. bis Donnerstag, 2.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006939 (Stand: 26.7.2022)

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