Sonntag d 26t. Febr. 9.
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Schon so manches Mal habe ich die Sonntagspost müssen vorbei gehn
lassen ohne Dir zu schreiben liebste Jette. Heute ist es mir
gar nicht möglich wiewol ich nicht weiß, ob ich dir mehr als
ein Paar Zeilen werde sagen können. Ich predige zwar nicht
aber ich will doch in die Kirche gehn, was ich sehr ungern
unterlasse und will einmal wieder nach langer Zeit meinen
Freund Gass
hören und dann sind einige
ganz nothwendige Gänge zu machen.
Vgl. Brief
.
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Ihr armen lieben Poserizer was habt ihr für ein
unangenehmes Ereigniß erlebt.
Wol ist so etwas höchst
schrekhaft sowol wenn es der Ausbruch der Wildheit und
Bosheit ist, als auch, wiewol auf eine andere Weise, als in
einem solchen Fall wie eurer. In dem Dorfe worin mein Vater nebenbei
Prediger war wurde auch einst ein Mord ausgeübt,
es war das erste Verbrechen seitdem es stand, und ich erinnere
mich noch sehr deutlich der Predigt die mein Vater damals
hielt, und in der ein frommer Zorn war und eine
Beredsamkeit die einen großen Eindruk auf mich
machte. Ich habe es mir immer
als das schwierigste widrigste und
unfruchtbarste Geschäft eines Predigers gedacht einen
verurtheilten Verbrecher zum Rade bereiten zu
müssen, und wünsche noch immer sehr daß es mich nie treffen
möge. | 28v In unserm Lande würde nur
höchst wahrscheinlich auf den Fall der sich bei euch
zugetragen keine Todesstrafe erkannt – aber ist es nicht
noch ärger wenn man sich denkt daß ein sonst ordentlicher
Mensch dann sein ganzes Leben unter dem rohesten Gesindel
auf dem Zuchthause zubringen soll. – Die Geseze und die
Proceduren sind noch sehr mangelhaft, und schwer sind die rechten
Verbesserungen zu hoffen.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Die Lerchen haben bei uns auch schon geschwirrt wir haben die
schönsten Frühlingstage gehabt so daß
der Flieder anfing Knospen zu treiben;
aber nun ist es wieder Winter, Frost und Schnee. Wahrscheinlich geht es Euch nicht besser und ich
fürchte Du bist von unserer
Henriette Herz
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Freundin
wieder auf eine ganze Weile getrennt. Besser das schlechte Wetter kommt
jezt als hernach! Ich wünschte es sehr daß wir die lezte Zeit auf deiner schönen
Insel recht genießen, daß Du Dich
noch recht mit mir an der schönen Natur lezen könntest die
du um meinetwillen verläßt und für die ich Dir keinen Ersaz
bieten kann. Ich möchte es
recht fühlen und genießen was
für ein Opfer du mir bringst. Und die erste Frühlingsflora
wollten wir sorgfältig pflüken und untersuchen. Ja wol
süßes Herz wird der Abschied Dir noch eine eigene Wehmuth
geben! ich werde sie aufs innigste mit Dir fühlen und wir
wollen uns ihr recht fromm und ungestört hingeben.
Solche Punkte im Leben müssen recht genossen
sein | 29 wenn sie auch
schmerzhafter Art sind, und sie mit einem Gemüth
wie das deinige zu theilen und mit zu genießen, das ist
gewiß recht herrlich und erquikend; und indem wir uns recht
natürlich gehen lassen werden wir gewiß am sichersten die
Schwächeren zu uns herauf heben.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Du bist wol nicht auf einen solchen Fuß mit
Schlichtkrull daß Du mit ihm über
Sophie Schlichtkrull
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Sophie
sprichst?
Sonst glaube ich könntest Du es ihm
einleuchtend machen daß es auch um ihretwillen
besser wäre wir ließen uns nicht in Poseriz trauen.
Wo nicht so will ich es
auf meine Art anders einleiten. Nur daß nicht die ganze Sache daß wir noch einen
Theil der lezten Zeit in Sagard
zubringen wollen Sophien
hernach erst überrascht.
Vgl. Brief
.
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Es wäre mir recht lieb mit Benda zu reisen allein
wenn er Anfang May nicht kann ist doch nicht daran
zu denken da ich ganz bestimmt Anfang Juni wieder
hier sein muß.
Gern machte ich nun
den Aufenthalt in Rügen so lang wie möglich und käme schon gegen
Ende Aprill: schreibe mir aber doch deine Gedanken
darüber.
Aber mein
Gott ehe ich es vergesse da immer drei Wochen beinahe
hingehn ehe ich eigentlich Antwort von Dir bekommen kann so
sage mir doch ja nächstens was für andere
Vornamen Du noch hast denn ich habe sie rein
vergessen. Du merkst wol, es ist wegen des Aufgebotes
welches hier dreimal geschehen sein muß ehe ich
abreise. Ein oder Zweimal werde ich es selbst verrichten
müssen, das macht mir ordentliche Freude. Du siehst die
Sache
macht
über der Zeilewird
nachgrade ernsthaft liebe Jette, wenn Du noch Bedenken
hast | 29v so besinne Dich bei
Zeiten. – Ach süße Jette
ich verberge mein Gesicht an Deiner Brust und bitte
Verzeihung über den schlechten Spaß. Gieb sie mir in einem
langen süßen lieben Kuß und sage es mir recht innig daß Du
ganz mein bist. –
Vgl. Brief
.
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Lotte
Kathen war es die mir nicht ganz so
wörtlich aber doch dem Sinne nach sagte: Du würdest
lieben wie du noch nicht geliebt hättest. Es war den Morgen darauf nachdem ich es ihr Abends
gesagt ich sagte ihr: ich wüßte wol daß es immer nur Deine
zweite Ehe sein würde, der Nachhall der ersten aber es wäre
doch Alles was ich mir nur wünschen könnte und auch für
Dich das Beste was Du nun noch zu hoffen hättest; darauf
meinte sie dann, Nein, sondern Du würdest nun erst ganz und
völlig aufblühn und es werde noch schöner werden als das
erste. Charlotte von Kathen wurde am 25.2.1809 von ihrem
neunten und letzten Kind
Wilhelm von
Kathen
entbunden.
[Schließen]Wie verlangt mich nun bald von der glüklichen
Entbindung der lieben Schwester zu hören.
Ich muß ganz eilig abbrechen einzige Jette, ich
möchte gern noch an Lotte
Pistorius
und an die Cummerow schreiben aber den
Vorrang hat eine Correctur, welche gefördert werden
muß.
Adio meine Einzige, leider wird aus keinem Schreiben mehr etwas Es handelt sich um Ludwig Sigismund
Anton Baron von Röder, vgl. Brief
sowie den Tagebucheintrag am selben Tag, der Röder als Besuch
nennt.
[Schließen]ein großer Besuch hat mich um alles gebracht. Grüßes alles aufs herzlichste
und brüderlichste.
Gemeint ist Luise von Mühlenfels spätere Benda,
vgl. Brief
.
[Schließen] Hast du Deiner Schwester Luise nicht etwas von mir
gesagt in ihrer feierlichen Zeit? Ganz Dein
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