Berlin d 11t. Feburar 9
Wenn ich eher als spät Abends unmittelbar vor dem Abgang dieser vortreflichen Gelegenheit etwas sicheres davon gewußt hätte so würde ich es auf einen umgehenden Brief an dich angelegt haben. Denn wie vieles giebt es nicht zu erzählen, über wie vieles das Herz aus zuschütten. Nun muß ich mich darauf beschränken in größter Eile den leider seit so langer Zeit abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen
Vgl. Brief.
[Schließen]Mein lezter Brief vom 24ten May vorigen
Jahres hat dich höchst
wahrscheinlicherweise nicht mehr
gefunden. Er sprach dir gute Hoffnungen aus für dein
Vaterland die ich auch noch immer hege, und gute Wünsche
für das meinige, die immer noch dieselben und auch
immer noch Wünsche sind.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Mein Leben ist seitdem nicht sonderlich thätig gewesen –,
denn publicirt habe ich nichts seit der
kleinen Schrift über die
Universitäten
und der Darstellung des Heraklit im Museum, wovon ich dir
wenigstens Nachricht gegeben,
und studirt habe ich auch nicht sonderlich viel –
aber interessant war es auf mancherlei Weise. Ich habe einige der schönsten Sommermonate auf
eurem reizenden Rügen zugebracht
höchst angenehm, nur freilich hie und da gestört durch die
großentheils sehr unbescheidnen Gäste, die sogar auf Stubbenkammer
und älterer (skandinavischer) Name für
Hiddensee
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Hiddensoe
Posto gefaßt hatten.
Kaum war ich zu Hause, so fand sich eine herrliche Gelegenheit nach
Königsberg zu reisen. Viel alte Freunde und Bekannte
habe ich dort wiedergesehn, nur mit Stägemans
| leider nicht viel gelebt,
aber Steins des herrlichen Mannes ziemlich genaue Bekanntschaft
gemacht,
auch
Gneisenaus und
Scharnhorsts, die
Königin gesprochen
und vor allem Marianne von Preußen, Frau des jüngsten Bruders
des Königs
Wilhelm III
,
Prinz Wilhelm von Preußen
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Prinzeß
Wilhelm
kennen gelernt die ich für
eine der ersten und herrlichsten deutschen Frauen
halte.
Im Herbst habe ich noch eine kleine Fahrt nach
Dessau gemacht hin unter der
Zeile
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wohin ich mir Steffens
bestellt hatte
um mich
wieder einmal an seinem frischen Lebensmuth zu laben, und
einen Blikk in sein wissenschaftliches Treiben zu thun.
Seitdem aber habe ich leider ungeheuer gelitten an
Magenkrampf und bin nur eben ziemlich befreit davon. Dabei
hat
über den ursprünglichen Text geschriebenhalte
ich aber doch seit Winters Anfang zweierlei
Vorlesungen, eine Darstellung der christlichen Glaubenslehre nicht
bloß für Theologen berechnet die zugleich eine
speculative Kritik derselben ist,
und
dann eine Theorie des Staates.
Leztere als etwas ganz neues interessirt mich
natürlich besonders. Sie ist ein natürlicher Ausfluß meiner Ethik,
und ich finde daß sich alles in großer Einfachheit und
Klarheit gestaltet.
Ich verlasse mich darauf daß nach unserer Theorie der
Unpartheilichkeit ich mich auch schon einmal selbst loben
darf. Bleibt mir die Hoffnung öfter wahrhaft akademische
Vorlesungen über diesen Gegenstand zu halten so
werde ich ihn natürlich immer weiter ausarbeiten und mit dem
Druk nicht eilen. Sollte mir diese Hofnung verschwinden, so
werde ich weil man dann für die Zukunft nur um so weniger
stehen kann was ich eben habe in einer aphoristischen Form
zum Besten geben.
Endlich beginnt | nun auch der Druk vom fünften Bande des Platon
. – Doch das
wichtigste für mich wenigstens von meinem allerprivatesten
Leben habe ich zulezt verspart. Vgl. Brief 2460, 9-25, KGA V/9.
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Ich habe mich nemlich auf
Rügen verlobt mit der Dir wenigstens von Person bekannten
Wittwe
meines verstorbenen Freundes
Willich , für die ich, wenn du dich erinnerst vor zwei
Jahren deine Verwendung
nachsuchte.
Mein ganzes Herz ist bei
dieser Verbindung. Wenn die Welthändel es gestatten soll
sie im May vollzogen werden, und ich verspreche mir dann
noch ein recht schönes heiteres reiches Leben in einem
andern Styl als das bisherige, ohne doch irgend etwas das mir
bisher am Herzen gelegen hat deshalb fahren zu lassen.
Doch alle auch die interessantesten Privatsachen verschwinden gegen
die Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten. Intrigen aus dem reformfeindlichen Adel Preußens
und
Napoleons
Befehl Stein als Feind der Franzosen zu erschießen führten
zu Steins Entlassung am 24. November 1808 durch
Friedrich Wilhelm III.
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Im Ganzen weißt du unstreitig wie es um uns
steht, vielleicht nicht durch welche elende
Intrigue wir noch Stein verloren haben nachdem der Hauptsturm schon
glücklich überstanden war, die Sache selbst aber
weißt du unstreitig. Indessen wird bis jezt ganz in seinem
Geiste und nach seinen Entwürfen fortgearbeitet; unser Dohna zeigt sich so vortreflich als ich bei aller
Achtung und Liebe für ihn doch kaum gehoft
hätte,
Humboldt ist nun
hier und hat die Direction der wissenschaftlichen
Angelegenheiten übernommen, von allen Seiten thut man was man
kann, um einiges baldmöglichst zu realisiren damit der
immer noch mögliche Sieg der schlaffen
verknöcherten Gegenparthei wenigstens nicht
vollständig werden könne sondern ein guter Samen
zurükbleibe.
Allein so sehr ich auch überzeugt | bin daß
nur die Regierung, die aber auch unfehlbar Bonaparte
auf dem Continent stürzen wird, welche aus freien Stükken sich selbst regenerirt und
inniger mit ihrem Volke einiget, und die hiesige jezt auf
dem graden Wege zu diesem Ziele geht: was kann uns alles
auch das vortreflichste Arbeiten nach innen helfen, wenn
nicht zugleich das richtige geschieht um die äußere
Existenz und Unabhängigkeit zu sichern. Daß ich um die Reise des
Ueberbringers weiß kann dich schon versichern daß ich nicht
nur gute
Wünsche habe für deutsche Freiheit sondern auch gern alle
Kräfte daran sezte.
Wenn der Krieg mit Oesterreich losgebrochen
wäre ehe die Franzosen diese Provinzen
geräumt hätten: so würde es auch hier gewiß ernsthafte
Auftritte und ich zweifle nicht von herrlichem Erfolg gegeben
haben; nun aber kann und darf man der lies: Regierung
[Schließen]Regierung- nicht vorgreifen und was für einen Entschluß diese
noch fassen wird, ruht im Schooße der Götter. Anschein ist
bis jezt fast überwiegend daß man die vernünftige Parthie
ergreifen wird sich mit Oestreich
aufs innigste zu verbinden und so schnell man kann ins
nördliche Deutschland zu operiren,
wo so vieles aufs herrlichste vorbereitet ist. Noch einmal
ist es Preußen geboten ob es
durch einen kühnen und edeln Schritt sich auf eine weit
höhere Stufe schwingen will als von der es herabgestürzt
ist. Allein wenn auch sein böser Dämon siegte so muß
wenigstens der gute Geist des übrigen nördlichen
Deutschlands das seinige
thun.
Unterstüzungen von England
aus sind aber dazu für den Anfang unentbehrlich, und
Ueberbringer dieses hat eben hierauf seine Absicht
gerichtet. Möchte er doch recht viel bewirken
| und recht schnell, damit wenigstens von dieser
Seite der rechte Zeitpunkt nicht versäumt werde. Mit deiner gewiß schon sehr
vollständigenErkent
Terrainkentniß und vielerlei gutem Rathe wirst du ihm
gewiß dienen können. Doch warum wiederhole ich was wie ich höre schon
Kiesewetter an dich gebracht hat, und was dir gewiß von selbst am
Herzen lies: liegen
[Schließen]liegend wird, sobald du dich überzeugst daß die Unternehmung in
etwas großes eingreifen kann und soll.
Wie gern hätte ich Humboldt Spalding und Fränkel dem ehrlichen Fränkel auch die Gelegenheit gemacht dir zu schreiben um dich recht vielseitig zu erfreuen allein die Sache erfodert doch das strengste Geheimniß.
Litterarisch fürchte ich habe ich dir wenig zu sagen; ich erinnere mich nicht daß etwas bedeutendes erschienen wäre seit deiner Entfernung.
Aber nun muß ich auch abbrechen nothgedrungen.
Lebe wohl lies: mein
[Schließen]mei
theurer Freund und möchtest du uns auch bald etwas
von dir können hören lassen. Möchte überhaupt bald etwas
vorgehn worüber wir uns freuen können.
Daß unser guter alter Eberhard gestorben ist weißt du wohl.
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