Sonnabend d 28t. Jan 9

6.  über den ursprünglichen Text geschrieben7.

Wir kommen aus einer recht angenehmen Gesellschaft es ist spät Nacht aber ehe ich zu Bette gehe muß ich Dir doch noch mit ein Paar Worten sagen daß ich seit Gestern und heute außer der gewöhnlichen noch eine ganz außerordentliche und ungewöhnliche Sehnsucht nach Dir empfinde. Ich weiß nicht auf welche Veranlassung sie mir grade jezt so angeflogen ist; für eine schlimme Ahndung kann ich sie auch nicht halten denn sie ist ganz fröhlicher und heiterer Art; aber es muß wirklich etwas besonderes bedeuten. Wenn ich nur Morgen Briefe bekomme sonst werde ich doch anfangen ängstlich zu werden. Ernsthaft wird wol kein Gedanke an Besorgniß in mir aufkommen bis ich bestimmt weiß, daß etwas gefährliches naht oder da ist; aber ich glaube doch nach dieser besonderen bedeutungsvollen Sehnsucht würde mir doch ganz unheimlich zu Muthe werden. Sieh bei solchen Gelegenheiten kann ich mir denken daß es etwas sehr beruhigendes ist ein Bild zu haben was man ansehn kann, was die Sehnsucht auf der einen Seite befriedigt auf der andern noch mehr erregt. Höre das ist mir schon recht was du mir neulich schriebst, warum du dich von meinem Bilde doch nicht trennen willst wenn Du auch hier bist. Es liegt darin ein Familiensinn der eigentlich für mich fast das einzige wahrhaft adeliche ist was es giebt. Darum wollen wir denn wenn Du erst hier bist bei Zeiten dafür sorgen daß wir ein Bild von Dir bekommen, welches wir unsern  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kindern lassen können. Ach süßeste Jette schlafe mir recht wohl. Ich werde noch recht viel bei Dir sein ehe ich einschlafe unter den lieblichsten Bildern wirst Du mir vorschweben. Schlafe Du nur auch recht wohl nicht ohne mein zu gedenken wachend oder träumend – mit dem Träumen ist es immer noch nichts bei mir – und laß ja Morgen von Dir hören. –  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny ist als wir nach Hause gingen zum großen Gelächter für mich und meine Dame, der Länge nach hingefallen nebst ihrem Führer. Nun klagt die arme über Zahnweh

Sonntag Abends Richtig keine Briefe gekommen  über den ursprünglichen Text geschriebenbekommen von dir Du böses liebes Kind. Als der Briefträger zu Reimers kam und mir nichts von dir brachte, habe ich zuerst recht tüchtig geflucht und dabei bedacht daß du selbst ja eigentlich nicht so  | 15v viel einzuwenden hättest gegen diese Herzenserleichterung.  Vgl. Brief . [Schließen]Dann wurde mir auf einmal bange wegen der Fieber von denen du sagst daß sie bei euch herumgingen; aber ich beschloß bald wieder das nicht zu glauben und fühlte auch viel zu sehr daß so etwas unmöglich geschehen könnte. Dann suchte ich allerlei Erklärungen auf; bald hielt ich mir das Beispiel  Vgl. Brief . [Schließen]des neulich liegen gebliebenen Briefes vor, bald dachte ich es könnte doch vielleicht bei euch früher getaut haben als bei uns und die Communication mit Stralsund gesperrt gewesen sein für einen Posttag aber das wollte alles nicht recht haften. Endlich warf ich bei Tische Kügelchen darauf ob nicht vielleicht nur die Post durch die schlechten Wege aufgehalten worden und ich den Brief noch Morgen bekäme, und die Kreuze fielen immer ganz vortreflich. Nun will ich ganz ungeduldig zu Bette gehn damit nur nicht mehr heute ist und ich Morgen desto eher erlebe.

Montag Abend Die schönen Kreuze haben nichts geholfen, kein erwünschter Briefträger ist erschienen; aber ich will Dir gar nichts darüber sagen und ich könnte auch nicht denn ich habe gar nicht verdient einen Brief von Dir zu haben. Denke Dir nur den unbegreiflichen wunderbaren Zufall der mir begegnet ist.  Vgl. Brief . [Schließen]Ich habe deinen lezten Brief verloren den ich den 22ten erhalten habe und der glaube ich vom 15ten datirt war! wie von meinem Schreibtisch muß er verschwunden sein. Wilhelmine Schede war heute Abend bei uns ganz allein; ich hatte ihr schon lange versprochen ihr einmal etwas von Dir zu lesen zu geben indem ich nun ein ungefährliches und für sie passendes Blättchen suche merke ich den Mangel. Ich habe alles durchgestöbert nicht nur das ganze BriefConvolut sondern auch meinen ganzen Schreibtisch auf dem es leider seit einiger Zeit ziemlich unordentlich aussieht, und alles vergeblich. Ich weiß die Sache nicht anders zu erklären, da der Schreibtisch nie offen ist wenn nicht Nanny oder ich im Zimmer sind als daß er sich entweder unter andern Papiren verkrochen haben muß oder daß ich ihn unglüklicher Weise mit einem andern Briefe zugleich eingesiegelt habe. Zum Glük habe ich an niemand geschrieben seitdem ich ihn beim Beantworten auf dem Schreibtisch liegen gehabt als eben an Dich und an Alexander Dohna ; aber ich kann nicht denken daß es mir bei einem von beiden begegnet ist.  | 16 Wie soll das nun werden einzige Jette und warum muß grade mir, der ich eigentlich soviel Ordnung in meinen Papieren habe, so etwas begegnen? ich gehe ordentlich mit großem Kummer darüber zu Bette. – Uebrigens bin ich heute seit undenklich langer Zeit zum ersten Mal im Theater gewesen. Nanny wollte so gern einmal hineingehn. Nun erfuhr ich Sonnabend daß heute ein ziemlich neues Stük von Kozebue „die Unvermählte sollte gegeben werden, worin Ifland und die Bethmann sehr schön spielen sollten. Ich verabrede also mit Schedes und die hatten die Billets schon holen lassen ehe es Gestern mit Nannys Unwohlsein so ernsthaft wurde. Die Arme hat nun nicht einmal mitgehen können und ich habe statt ihrer  Ludovica Reinhardt [Schließen] Ludchen mitgenommen. Wüßte ich daß Du das Stük gelesen hättest so sagte ich etwas darüber. Der Kozebue ist doch ein niederträchtiger Kerl. Er hat auch nicht die mindeste Vorstellung von wahrer Sittlichkeit und selbst wo er edle Charaktere aufstellen will verdirbt er sie auf die gemeinste ekelhafteste Art, und man schämt sich ordentlich und ärgert sich wenn man sich bei einzelnen Situationen rühren läßt was mir ehrlichem Hunde doch hie und da begegnet.

Dienstag Abends. Die Kreuze sollen leben liebste Jette! sie sind doch gut gewesen!  Vgl. Brief . [Schließen]Kommt Dein Brief heute Nachmittag als ich eben ins  Schleiermacher besuchte die Mineralogie-Vorlesung von Dietrich Ludwig Gustav Karsten und notierte seine Mitschriften zum Teil im Tageskalender 1808 und 1809. [Schließen] Collegium gehn will an einem ganz ungewöhnlichen Tage. Wahrscheinlich ist die Post von Anclam nach Prenzlau schon weg gewesen und er ist über Stettin gegangen. Es ist doch ganz herrlich daß ich mich umsonst geängstigt habe und daß ich nicht bis Freitag zu warten brauche. – Ach Gott ich rede das so hin als ob noch alles beim Alten wäre! Du weißt wie das ist, man kann sich manchmal nicht recht besinnen bei großen Veränderungen. Aber ich will lieber gleich damit anfangen ehrlich wie wir immer gegen einander gewesen sind Dir zu gestehen daß Dein Brief doch einen sonderbaren Eindruck auf mich gemacht hat.  Vgl. Brief . [Schließen] Daß Du auch nicht einen Funken geistreich bist! es ist doch recht fatal. Tiefes Gefühls ermangelst Du auch, das ist schon die alte Geschichte die gepriesene Stärke ist auch nicht die wahre! Ich weiß nicht wie bin ich doch darauf gekommen Dich zu lieben und heirathen zu wollen? Deine Schönheit ist doch so groß wahrhaftig nicht, und das bischen was du etwa hast manchst du nicht einmal geltend weil Du Dich leidlich krumm hältst. Es ist als ob der Nebel mir von den Augen fiele, und es scheint mir eine verdrießliche Geschichte von der ich suchen sollte auf gute Art wieder los zu kommen. Wahrhaftig wenn ich daran  | 16v denke wie noch gestern Abend die geistreiche Wilhelmine Schede neben mir saß, mich streichelnd und einen freundlichen Kuß nicht verweigernd noch auch bloß nehmen lassend, soll mir nicht einfallen daß der Tausch doch gar nicht so übel wäre? Geschwind einzige Jette komm falle mir um den Hals verbirg Dein Gesicht an meiner Brust, laß mich die holden Augen aufküssen, vergieb mir den einfältigen Spaß der mir so in die Feder kam, und sieh mir dann recht tief durch die Augen in das Herz und lies darin wie wir einander angehören und wie ich dich gar nicht anders will als du bist und wie ich am Ende am besten wissen muß, besser als du wie geistreich und wie gefühlvoll und wie stark du bist. Ja ich will es dir auf ein Haar sagen, will nur was das geistreiche betrifft muß ich erst darüber nachdenken, denn bis jezt habe ich dich noch gar nicht auf solche einzelne Qualitäten angesehn, sondern nur aus einem Stükk genommen und geliebt. Aber im Ernst es wäre übel wenn Du gar keine geistreiche Ader in Dir hättest ich bitte dich grabe wohl nach und suche sie auf, sie wird sich schon irgendwo verstekt finden; denn den Aufwand des geistreichen wirst du doch in unserm Hause allein bestreiten müssen. Ich meines Theils bin ich  über der Zeilees gar nicht, darauf verlasse Dich. Hast Du wol jemals in meinen Reden oder Schriften einen glänzenden Einfall eine überraschende Wendung, eine treffende aber unerwartete Zusammenstellung gefunden? und dergleichen nennt man doch geistreich. Besinne Dich nur recht, es ist alles rasend consequent und übereinstimmend, das bilde ich mir wenigstens ein, aber auch alles so kahl wie es aus der Nothwendigkeit hervorgeht, und daher eben trokken und einförmig. Ja wenn ich einmal auch nur wizig bin, so glaube nur sicher daß ich das nicht selbst bin, es ist nur mimisches Talent, es schwebt mir dann irgend ein wiziger Freund vor in dessen Seele ich rede, ich ahme nach und wenn es auch nur par anticipation wäre. Wenn du also soviel auf geistreich hältst so habe ich mehr Ursache mich vor Steffens zu fürchten und vor Brinkmann wenn er einmal wiederkomt und vor manchem Andern als ich  über den ursprünglichen Text geschriebenDu vor  Karoline Wucherer, Johanna Steffens und Wilhelmine Gaß [Schließen] Karoline und Hanne und Wilhelminen und was weiß ich wem sonst. In Recensionen werde ich zwar immer geistreich genannt, es ist der gewöhnliche Beiname den mir die Leute geben aber wenn sie wüßten was Geist wäre recensirten sie schwerlich. Höre Jette wir wollen einen guten Vertrag mit einander machen bei dem wir wie es immer ist sein soll beide gewinnen, und den wollen wir deshalb redlich halten. Wir wollen uns nemlich nie mit andern vergleichen es kommt nicht das mindeste dabei heraus; und wenn mir zugemuthet würde dich so durch Vergleichung zu beschreiben: so wüßte ich gar nicht anders zu antworten als Ja meine Gnädigste sie ist nicht so  | 17 liebenswürdig als Sie, nicht so geistreich als eine zweite nicht so verständig als eine dritte nicht so lebensvoll(?) als eine vierte nicht so unterrichtet als eine fünfte nicht so hübsch als eine sechste aber alles zusammengenommen ist sie doch die einzige die ich liebe. Könntest du es wol anders machen in Absicht auf mich? Außerordentlich will ich deshalb doch bleiben und Du auch. – Sie nur nicht böse süßes geliebtes Kind über meinen Uebermuth. Ich muß mich nun von Dir trennen und alles andere auf Morgen und Uebermorgen aufsparen. Gieb mir nun zum sichern Zeichen einen Kuß, einen solchen der allen Scherz und Uebermuth verzeiht und seinen Werth anerkennt. Nur noch eins. Das bitte ich mir aus daß du mich vor allen Menschen Dein nennst. Meinst du ich will mich so verläugnen lassen vor der Welt? Müssen die Leute nicht denken, Du hättest im Grunde wol nicht rechte Lust Ja zu sagen in Sagard in der Kirche? Ja wohl ist es nun noch wenig über drei Monate so liege ich in deinen Armen, und in vieren bist du schon meine liebe Frau und ich lerne Deinen Pantoffel küßen, und in fünfen sind wir schon ganz eingewohnt im Kanonierhause .

Donnerstag. Ich habe gestern Abend, außerdem daß ich nothwendig noch ein Stükchen Plato zurecht machen mußte  Vgl. Brief an Henriette Herz. [Schließen]soviel an unserer lieben Freundin getröstet und beruhigt daß ich nicht mehr zu Dir habe kommen können. Indessen vieles ist darin auch für Dich geschrieben, und ich verweise Dich darauf da ja auch Du Dich ängstlicher Gedanken nicht hast erwehren können. Sage mir nur Kind seid Ihr Alle ein wenig verzaubert oder wie ist es? Ich weiß wol daß alles was unter die Rubrik von Angst gehört sehr anstekend ist – aber auch Du? Es ist doch auch jetzt nicht das allergeringste Bedenkliche in meiner Lage, und nichts gar nichts kann ich auffinden süße Geliebte was unser Glük stören könnte. Das einzige ist daß wenn man den rechten Zeitpunkt um sich zu retten versäumt, das ganze Land in denselben Zustand von Unterwerfung kommen kann in dem sich das übrige Deutschland befindet. Das wäre höchst traurig und würde viel herbe Folgen haben die wir mit allen Andern würden theilen müssen, aber ausgezeichnete Gefahr für mich persönlich sehe ich auch dann nicht. Vielmehr weil ich das gute Gewissen haben würde, meines Theils zur rechten Zeit alles gethan zu haben was ich konnte, würde mir auch wohler sein und ich hoffe du würdest auch dann sehn daß mich Muth und Freudigkeit nicht verlassen würden. Alles andere was ihr auch denkt ist wirklich rein unmöglich. Eben so sehe ich nicht ein wie der gute  Alexander von Dohna-Schlobitten [Schließen] Alexander diese Zeit grade für besonders be | 17vdrängt und  Henriette Herz [Schließen] Jetten für so trostbedürftig halten soll als sie es wirklich ist. Die Fremden haben uns verlassen, die Regierung fängt ihre Thätigkeit aufs neue an, er selbst ist zum Rang der ersten Staatsdiener erhoben, was sind denn das für Bedrängnisse? Nein sollte er denn glauben, daß Jette auf den Gedanken kommen könnte, diese Veränderungen könne etwas in ihm geändert haben? mußte er nicht vielmehr glauben, sie würde ihn gleich entschuldigen in diesem entsezlichen Gedränge von Geschäften wenn er sich erst etwas in Ruhe sezte ehe er ihr schriebe? Doch das wird ja nun er ihr geschrieben hat alles vorüber sein, hoffe ich. Und auch die Einsamkeit und die Trennung zwischen euch wird nicht mehr so groß sein, wenn unser hiesiges Wetter eure Insel auch erreicht hat. Und immer schöner denke ich soll sich alles entwikeln je näher wir unserm Ziele kommen; auch was meine äußere Lage betrift denn ich denke es soll nun bald ein Beschluß gefaßt werden über die hiesige Universität, und mit einem klaren Bilde wie sich unser Leben gestalten wird hoffe ich zu Dir zu kommen. O Gott wieviel schönes und herrliches sehe ich darin. Nur das Eine schönste will mir noch nicht immer klar entgegenkommen: es kommt mir zu groß vor, alles alsdann zu vollendet in meinem Leben als daß ich es so hoffen dürfte. Es ist als wagte ich nicht mir zuzueignen worauf ich schon so ganz Verzicht geleistet hatte. Und doch sehe ich wieder nicht was es hindern sollte.  Vgl. Brief . [Schließen] Aber sieh doch daraus meine süße Geliebte wie mir eben die Vaterfreude schlechthin das größte scheint was mir das Leben noch geben kann. Freilich ist die Mutterfreude unmittelbarer, und eben weil sie unter Schmerz und Weh dem Geliebten das himmlische Geschenk bringt um so größer. Aber ich kann Dir gar nicht ausdrüken, was für ein Entzüken ich mir denke in dem Augenblik. Nur fühle ich ich würde in dem ersten Augenblik nur an dich denken, in dem Kinde nur das Pfand Deiner Genesung das süße Werk Deiner bildenden Kraft sehn und lieben und erst hernach würde ich es unmittelbar lieben, die Liebe zu Dir würde immer auch dabei das erste und höchste sein. – Doch wer mag das süße Gewirr himmlischer Empfindungen so entwikkeln wollen. Ja daran wollen wir uns halten und Alles darin zusammenfassen daß wir ohne einander nicht mehr leben können. O traute Jette Herzensweib wie es mich beseligt  Vgl. Brief . [Schließen] wenn Du mir sagst Du liebest mich wie Du noch nicht geliebt hast, das kann ich Dir nicht aussprechen. Als unsere  Charlotte von Kathen [Schließen] Lotte mir das zuerst sagte wies ich es von mir doch wer sagte ihr ich beschiede mich daß es nur ein Nachklang  | 18 sein würde von Deiner ersten Ehe – und nun! Gott wie ist mir so großes und herrliches geworden

 Vgl. Brief . [Schließen]Das ist ja ganz unrecht von Lotte Pistorius daß sie mir die Blätter nicht gegönnt hat ich würde sie ja schon verstanden haben. Wenn man sich erst so kennt wie wir braucht man es warlich nicht so genau zu nehmen mit dem klar aussprechen. Mit eurem Wissen das ist so ein Gegenstand über den viel zu sagen wäre. Nur das ist sehr natürlich und ihr müßt es ihnen nicht übel deuten, daß euch die Männer nicht sonderlich dabei zu Hülfe kommen. Bedenkt nur wie ihre ganze Erziehung von Jugend an darauf eingerichtet wird, wie sie sich abarbeiten müssen ihr Lebelang, wie diejenigen die etwas ordentliches wissen ihre ganze Zeit daran wenden, und dann doch fühlen daß sie wenig erlangt haben. Nun kennen sie keinen anderen Weg als den sie selbst gegangen sind und wo sollen sie also die Hofnung hernehmen Euch zum Wissen zu verhelfen. Nun giebt es freilich einen andern Weg aber den können nur diejenigen ahnen in denen sich Wissen und Gefühl auf eine so innige Weise durchdrungen haben wie es gar selten der Fall ist. Ich habe wol eine Ahnung davon und ich glaube ich könnte Dir zu manchem Wissen grade so wie Ihr es haben könnt verhelfen. Nur fehlt mir daß ich über die Gegenstände die Euch die interessantesten sind nicht immer Einzelnes genug wissen werde um Dich zu befriedigen. Man muß Euch, meine ich, alles Wissen unmittelbar religiös machen und dann auch wieder unmittelbar sinnlich; das erste könnte ich wol aber zum lezten würde mir eher das Einzelne fehlen, wenn ich so unvorbereitet im lebendigen Gespräch euch belehren sollte. Ich habe mich immer hartnäkig geweigert Vorlesungen zu halten vor Männern und Frauen aber ich möchte recht gern welche halten vor Frauen allein, das heißt aber auch nur vor solchen die ich genauer kenne, und ich denke es wird sich machen lassen daß wir uns ein regelmäßiges Abendstündchen wenn auch nicht gleich anfänglich, zu solchen Unterhaltungen nehmen. Die Anlage zum tiefen Eindringen in das Innere sage ich Dir auf den Kopf zu, die hast Du; aber mit dem gründlichen Wissen ins Einzelne hinein damit glaube ich würde es Dir nicht so gelingen wie unserer großen Jette.  Ehrenfried von Willich, vgl. Brief . [Schließen] Daß Du das erste Jahr mit Ehrenfried nicht gleich zum Wissen genuzt hast ist wol sehr natürlich; aber Du warst doch auf dem Wege. Du hast ja mit ihm die  Friedrich Schleiermacher: „Reden über die Religion“ (1799) [Schließen] Reden gelesen und den  wohl die ersten drei Bände der Platon-Übersetzung Schleiermachers [Schließen] Plato angefangen, das war schon die rechte Seite nur zu sehr vom schwersten begonnen  | 18v und Ehrenfried hatte wieder nicht Zeit genug um anders als mit Büchern anzufangen. Laß nur sein wir wollen uns das alles schon  oder: gestalten [Schließen]gestatten und die Geschäfte sollen mich nie so ganz einschnüren daß ich nicht auch in diesem Sinne recht viel mit Dir leben könnte. Wenn ihr auch nur alle Woche einmal vor dem Thee oder nach dem Thee ruhig um mich herumsizt Du und große Jette und Nanny und etwa noch Wilhelmine Schede so will ich Euch schon genug aufschließen nach allen Seiten hin. Grüße mir doch die herrliche Lotte Pistorius recht, und sage ihr wie ich mich ärgere ihr noch nicht geschrieben zu haben und wie ich mich darauf freue es recht bald zu thun. Sobald die eine fatale Einleitung fertig ist will ich wieder einen großen Ruk Briefe schreiben.

Uebrigens geht es mir wie Dir, ich bin nie um ein Wort in Deinen Briefen verlegen; Vgl. Brief .  [Schließen] Du hast auch sehr Unrecht zu sagen daß Du schmierst denn deine Buchstaben sondern sich immer sehr bestimmt, was eben den meinigen fehlt.

 Vgl. Brief . [Schließen]Das Leinen schwebt so auf meine Rechnung und Du kannst ganz unbesorgt sein. Ich habe hier für meinen Bruder einen Posten zu bezahlen der den Werth noch übersteigt und ich denke ihn nächstens zu entrichten. Die Wittwenkasse hat sich noch nicht gemeldet zum Zahlen.

Nanny grüßt herzlich. Sie hat heute einen großen Brief an große Jette geschrieben; nächstens kommt dann wol die Reihe an Dich.   Die süßen Kinder herze ich aufs zärtlichste Du schreibst diesmal nichts von ihnen ich schließe daraus daß sie ganz frisch sind.    Vgl. Brief.  [Schließen]  Mögtest Du doch deinen Plan einige Tage in Götemiz zu sein ausführen! wie herrlich würde das unserer Freundin bekommen

Grüße alles herzlichst. Tante Willich will ich mir auch angelegen sein lassen, so bald es irgend möglich ist. Sage mir doch einmal etwas von  Luise von Mühlenfels und Wilhlem Benda waren verlobt. [Schließen] Luise und Benda , auch ob  Karoline von Mühlenfels  [Schließen] Karoline ihrer Entbindung bald entgegensieht. Laß Dich aufs innigste umarmen meine Herzens Jette.  siehe oben [Schließen]Der verlorene Brief ist leider noch nicht wieder gefunden. Ganz Dein Ernst

Grüße doch nach Sagard hin recht brüderlich von mir und nächstens schreibe ich gewiß an Willich .

Zitierhinweis

3054: An Henriette von Willich. Berlin, Sonnabend, 28.1. bis Donnerstag, 2.2.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006883 (Stand: 26.7.2022)

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