Sonnabend d 14t. Jan. 9.
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Ich habe eben Vgl. Brief
.
[Schließen]Deinen Brief vom 7ten
erhalten und danke Dir ganz unaussprechlich
für Deine liebevollen Worte – Ich hatte mich sehr nach
Antwort auf jene Briefe gesehnt und schon mehrere
maal wenn ich glaubte sie haben zu können und mir
ein Brief von Dir gebracht ward, klopfte mir das Herz ganz
ungewöhnlich und ich dachte voll Unruhe bei mir
selbst: ach wenn Du den geliebten Mann nur nicht gar zu sehr
misfallen hast! Wie soll ich es Dir ausdrücken wie mir zu
Muthe ist – wie ich voll Rührung ach an Deine Brust sinke
Du ganz unaussprechlich geliebter Mann – und mich
glücklich fühle daß Du Dich mir aufs Neue so ganz gegeben
hast – und nichts so gar nichts wieder mich hast – ach Ernst
Ernst es ist zu groß! das ist mein immerwährendes Gefühl!
Aber nicht mehr plagen will ich Dich mit den alten Klagen
über mich, ich will Dir wie in allen Fällen so auch hier,
mehr trauen mehr glauben wie mir selbst; und so klar
und so schön wie Du mir das Ganz darlegst so kann ich ja
auch mit Wahrheit Dir in nichts wiedersprechen,
und muß ja glauben daß wenn ich dir jetzt so
recht bin so werde ichs ja immer bleiben – Aber ich muß
jezt aufhören heute Abend mehr. Ach Ernst es drückt es kein Wort
aus wie ich dich liebe und wie ganz ich dein bin.
| 6v
Sontag Nachmittag.
Wie habe ich heute in Dir gelebt! ich bin mit unsern Kinder der Henriette von Willich aus erster
Ehe
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Kinderchens
allein seit heute Morgen.
Schlichtkrull predigt in Garz
und die Frauen haben
ihn begleitet. Ich wollte es mit den Kindern nicht wagen in
dieser Kälte.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Ich habe nun die Briefe ausgelesen wovon ich dir neulich schrieb korr. v. Hg. aus: dasdaß
ich sie angefangen hätte Ach Du bist mir gar zu
rührend in Deinem Schmerz, in deinem tiefen Unglück
– gar zu sehr ziehst Du mich darin an und mich
befällt eine innige Sehnsucht bei dir zu
sein – bald still und ernst in die Vergangenheit
blickend, bald unter den zärtlichsten Liebkosungen Dich
bittend auch nun noch recht glücklich zu sein, und
recht frölich und mich recht unmenschlich lieb zu
haben. Wie außerordentlich schön sind alle deine Briefe an
Ehrenfried von Willich
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Ehrenfried
es ist mir doch so vieles darin fast neu gewesen es
ist gar zu lange daß ich sie mit Ehrenfried las.
Erinnerst du Dich wohl
meiner ausführlichen Erzählung Deines Verhältnißes zu der Vgl. Brief Schleiermachers an Ehrenfried von
Willich, Brief 1082, 118-210, KGA V/5; vgl. ebenfalls Brief von Schleiermacher an Henriette von
Willich, in dem er vom Wiedersehen mit seiner Cousine berichtet.
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Cousine in
Landsberg
?
Es handelt sich um Johanna Herz, eine Schwester
von Henriette Herz, in die Ehrenfried von Willich unglücklich verliebt
war - etwa zur gleichen Zeit wie Schleiermacher in Eleonore Grunow, vgl.
u.a. Brief 1073, 11-25 u. 29-37, KGA V/5; Brief 1082, 10-190 u. 216-228,
KGA V/5 und Brief 1113, 2-102, KGA V/5.
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Gar zu schön und richtig nach meinem Gefühl ist alles
was du Ehrenfried
über sein Verhältniß mit Johanna sagst.
Vgl. Brief
2921,
114–116.
[Schließen]Recht erschreckt hat mich die Anzeige in den Zeitungen über Stein. Wie wird dich das empören da du so hoch auf den Mann
hältst, vielleicht hast Du Henriette Herz
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Jetten
was drüber geschrieben,
ich habe sie nicht | 7 gesprochen. Wir sehn
uns gar zu wenig – der Armen ist das Herz gar schwer –
Marianne von Willich
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Mariane
aus Sagard
ist seit vorgestern hier, so
eine freundliche Erscheinung ist eine rechte Freude wenn
man so einsam lebt.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Ich hoffe du wirst nun ganz von deinen Schmerzen befreit sein da du in
deinem vorlezten Briefe so gute Hoffnung gabst
und in dem lezten keines Rückfalls
erwähnst. Mir zu liebe must Du Dich recht pflegen und
diätetisch leben eine Zeitlang. Hier grassiren jezt eine Art
böser Lungenentzündung
[Schließen]Brustfieber die viele junge Leute hinwegraffen, das macht mich
immer zittern für alle Lieben.
Henriette Pauline Marianne von Willich
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Jettchen
ist auch wieder nicht frisch doch fürchte ich nicht daß es
etwas wird, es hat nur gleich auf ihr ganzes Wesen so
traurigen Einfluß. Ich weiß dir sonst eigentlich nichts
neues von ihr zu sagen, sie war, wie ich dir auch
geschrieben habe auf recht gutem Wege bisher. Sobald du mir
wegen des Unterrichts im Lesen geantwortet haben wirst, so
werde ich recht ernstlich anfangen sie zu unterrichten, sie
wird schon so groß daß es mir oft zu arg vorkomt daß sie
den ganzen Tag noch nichts beginnt als spielen.
Ehrenfried von Willich (d.J.), vgl. Brief
.
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Friedchen könnte wahrlich auch schon die Buchstaben
lernen wenn man sich die Mühe geben wollte. Ich freue mich erschrecklich auf die Wirthschaft mit
Dir und
| 7v dem Jungen, er ist gar zu hübsch
wüthend und hold zugleich. Mit seiner ewigen Lust
zu tanzen plagt er mich ordentlich etwas.
Jette hingegen tanzt gar nicht gerne, sie komt selten
hinein, erzählen hören ist ihr bestes. Mit ihrer
Puppe promenirt sie schon oft im Thiergarten – Gott ja wie sollen die kleinen Dinger
noch aufleben und
froh werden in dem reichen schönen Leben. – Wie freue ich
mich darauf ihnen zu lauschen welchen Eindruck alles Schöne
auf sie machen wird.
Ich zweifele ob Jette Sinn für Musik hat, von dem Jungen glaube ich es
hingegen.
Vgl. Brief.
[Schließen]Laß Dir noch recht ordentlich danken und süß dafür herzen
geliebtes Väterchen daß Du so gründlich mir auf
alles geantwortet und so gütig so liebevoll. Du
hast mich im Innersten beruhigt und getröstet. Seither mich
die Zweifel an mir selbst, oder vielmehr der
Zweifel ob auch Du ganz insgeheim und ganz
leise Dich doch könntest gestöhrt gefühlt haben
befallen, war mir doch oft etwas
wehmüthig wenn Du gleich ganz recht hast
daß mein herrschendes Bewußtsein das der ruhigen
und sichern Liebe war und die
Stimmung aus der mein Brief floß nur vorübergehend. Nun ist
mir aber Geliebter als sei ich auf immer geheilt,
als könne auch nie etwas aus mir hervor gehn das im
Wiederspruch mit meinem | 8 Wesen das Dir
lieb und recht ist, wäre. Es hätte mir auch
wircklich ganz befremdet fortwährend von mir zu
glauben daß ich dich verlezt habe oder vielmehr
mich selbst, denn was ich mir auch oft vorgeworfen;
von der unverlezten Zartheit und Reinheit
habe ich noch immer das sichere Bewußtsein in mir
getragen, und es ist ja eigentlich nur
mein einziger Stolz wenn ich es so nennen kann,
gewesen.
Nun möchte ich Dich wieder bitten es Dir nicht unangenehm sein zu lassen, daß ich noch weiter erläutert was schon abgemacht war –
Ach ja mein Herzens Ernst wohl fühle ich daß du Recht hast so an mir zu hängen und so ganz mein zu sein – wie könnte ich sonst so innig mich darnach sehnen, so darum flehen zu Gott – Und immer ist mir ja noch als wäre meine Liebe fast noch größer und ich finde das natürlich denn ich glaube wohl daß du mich ebenso liebst aber meinem Gefühl mischt sich die innige Verehrung bei die ein Genuß ist Gott wie Du es dir kaum vorstellen kannst. Darum scheine ich mir auch von allen Frauen die durch ihre Männer glüklich sind doch bei weitem die seeligste weil ich keine kenne die ein solches Recht hätte ihren Mann zu vergöttern wie ich – Ich habe mich | 8v immer viel mehr für die Ehen interesssirt wo die Frau in gewissem Sinne ganz durchaus unter dem Manne steht so daß sie allein durch die gegenseitige Liebe und durch die Mutterwürde zu ihm hinaufgehoben wird – als für solche wenn beide einander fast gleich sind an Geisteskraft und Bildung. Ist gar die Frau mehr so behaupte ich kann es gar keine Ehe sein, das muß ganz unerträglich sein. Ich bin ganz glücklich Dich so groß zu lieben und mich so klein zu fühlen denn ich bin doch groß durch deine Liebe die auf mir ruhet. Aber süßer Ernst ich komme immer wieder ins alte hinein, ich bin gar zu voll von Dir und kann es gar nicht auslassen wie künftig durch süße Liebkosungen. Ja wenn ich erst werde hineingeschlichen kommen in Dein Zimmer gar nicht um Dich zu stören aber Du mich dennoch bemerkst und mich liebend zu Dir winkest – ja dann wirst Du fühlen wie mir ist. Aber sei nur ja nicht bange als werde ich Dich zu oft stöhren. Du wirst sehen wie ich wohl Respeckt für deine Arbeiten haben werde.
Sontag Abend.
Mir ist gar wohl gewesen heute ganz allein mit den Kindern zu sein, sie sind auch so süß gewesen – | 9 ich habe recht wieder gefühlt daß ich recht gut viel allein sein könnte wenn mein Innres nur immer was zu schaffen hätte. Aber ich freue mich doch erstaunlich auf das Leben mit vielen Menschen und so verschiedenartigen.
Ja wohl süßer Ernst wird es mir große Freude sein Dich mit den jungen Leuten zu sehn und die darunter so recht Deine Söhne sind, möchte ich sagen, müßen auch mir freundlich werden. Es ist doch sehr schade daß es so nicht wieder werden kann wie in Halle .
Vgl. Brief
.
[Schließen]Was Du mir von deinen Augen sagst da hast Du ganz Unrecht. Ich
liebe sie sehr und finde sie recht
bedeutend wie sie nothwendig für Dich sein müßen
und daß Du nur nicht sagst, ich sähe wieder mit den Augen
der Liebe – Ich könnte Dir gleich eine Menge
Autoritäten anführen die dasselbe Urtheil
haben. Was sollte ich mir doch nur für
ein Bild machen das ich nicht fände hernach? Süßer
Mann rede mir so gar nicht, das Bild ist
jugendlicher das ist wahr, aber ich liebe die Falten um den Mund in
Deinem Gesicht die für mich recht was tiefes
haben, und die dem Bilde fehlen. Mir ist
es wenigstens jezt so in der Vorstellung als ob dem Bilde
dies fehlt und es dadurch jugendlicher
ist. Aber vielleicht habe ich Dir dies alles schon
darüber gesagt.
Vgl. Brief
an Kathen und Brief
an Schlichtkrull.
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Kathen hat mir denselben Tag da er deinen Brief
erhalten sehr freundlich davon erzählt
und war überhaupt ausnehmend gütig. Von beiden
Briefen habe ich aber keine Silbe gesehn. – Im Wieker Hause hat sich
| 9v
etwas sehr freudiges ereignet.
Friederike Schwarz
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Friedericke
ist Braut geworden mit Herrn
Hane in Holstein, Bruder unserer
Amalie Hahne
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Amalie
, ein braver Mann aber
fürchterlicher Brausekopf.
Er hielt sich einmahl eine ganze Zeit bei Willichs in
Sagard auf.
Es thut mir wehe es mir einzugestehn und doch ist es gewiß
daß
Philippine Schwarz
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Philippine
mir fremder geworden seit sie in Wieck ist,
seit sie in dem
neuen Verhältniß ist in das ich sie doch so sehr hinein
gewünscht habe –
Der Herodot: „Historien“
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Herodot
macht mir viel Freude,
ich habe eine ziemlich gute Karte von alt
Griechenland hier,
aber keine von Asien dadurch
geht mir viel ab.
Luise von Willich
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Louise
und ich wollen des Abends die Iliade lesen wenn Mariane wieder
fort ist.
Wie sehr bitte ich Dich
geliebter Ernst mir immer mitzutheilen wie die
Begebenheiten auf dem großen Schauplatz auf Dich wirken
und mir keine Sorge zu verbergen.
Vgl. Brief
.
[Schließen]O laß es dich ja nicht gereuen, habe ich gleich das
Weinachtsfest nicht mit freiem Herzen genossen,
daß Du Dich damals gegen mich
ausgesprochen. Es ist ja eben mein höchstes Glück daß Du darnach
Sehnsucht fühlest und es ist mir ja Genuß mit Dir zu tragen.
Grüße die kleine
Wilhelmine Reimer
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Reimer
wenn sie entbunden auch recht freundlich und
theilnehmend von mir. Ich
kann mich sehr lebhaft in den Kreis dort hinein
versetzen.
Auch ihn kannst du immer einmahl von mir grüßen, er
war mir sehr freundlich.
Hermann Baier
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Herrmans
Verbindung ist nun den Verwandten declarirt –
ich habe noch gar nichts von ihm selbst gehört.
Vgl. Brief
.
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korr. v. Hg. aus: DasDaß
meine kleinen Geschenke auch doch noch willkommen
gewesen sind freut mich sehr.
Grüße unsere
Anne (Nanny) Schleiermacher
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Nanny
. Du mein süßer
Ernst nimm diesen langen Brief der wie mir zu Muthe ist
nichts enthält als was Du wußtest, freundlich
auf, und liebe am linken Randmich
recht innig. Ganz Deine
Jette.
Die
freundlichsten Grüße.
Vgl. Brief
.
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am linken Rand Bl. 8v
Ich möchte ordentlich damit pralen
daß ich deine Handschrift lesen kann wie kein
Andrer, Du darfst gar nicht sorgen, ich
am rechten Rand Bl 9v
lese
gleich das erste mal ganz fließend fort Du
magst noch so undeutlich geschrieben
haben.
am rechten Rand Bl 9v
Aber ich
schmiere ordentlich abscheulich.
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