Sonntag d. 9t.
3. 4
Ich wußte wol als ich heut Mittag in größer Eil meinen Brief abschikte
daß ich korr. v. Hg. aus: einrein
Paar Stunden darauf einen von dir haben würde, es ahndete
mir ganz bestimmt aber ich konnte doch nicht aufschieben
wenn ich nicht riskiren wollte den Posttag zu versäumen.
Sachanmerkung:
Nun ... hinein las.] Vgl. Brief
.
Henriette] Henriette Pauline Marianne von
Willich
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Nun bekam ich deinen Brief bei Reimers
, und wie meine Unart ist daß ich oft von hinten anfange zu
lesen las ich auch diesmal zuerst die lezten Worte
„die Wunde ist nicht bedeutend, das Mädchen war sehr
brav“ und bilde mir fest ein es sei von unserer
kleinen
Henriette
die Rede und schreie laut auf, bis ich mich dann
in den Zusammenhang hinein las.
Aber wie hast Du mich wieder erquikt trauteste
HerzensJette mit deinem liebevollen Schreiben! und wie habe
ich mich gescholten daß ich Dir in der Neujahrsnacht kein
Wörtchen mehr gesagt habe; aber ich hatte freilich als ich
zu Hause kam zu viel Schmerzen und war zu müde von allen
die ich verbissen hatte. Gedacht hatte ich Deiner
immerfort. Ja meine süße Jette, Du wirst mein Weib sein ums
Jahr und ich hoffe auch mein glükliches Weib. Denn wie auch alles
andere stehen mag, wer kann es wissen? Das soll mir immer
eine ungetrübte Freude sein daß ich dich habe.
Steht alles gut und schön so werde ich Gott dafür loben daß
ich das Glük und die Freude mit Dir theilen kann; ist es
schlecht gegangen und das Vaterland seufzt und ist
unglüklich, dann wird es mein Trost sein daß ich
dich habe und ich werde mich bittersüß daran freuen wie Du
mit mir leidest und mit mir trägst. Noch aber hoffe ich
Gutes auch für das Ganze. Die Menschen an der Spize müßten
wenigstens ganz verrükt sein wenn sie auch nach den neuesten
Aeußerungen nicht die rechten Maaßregeln ergreifen wollten.
Uebrigens liebes Kind wenn ich Dir von politischen
Sachen und Menschen weniger schreibe so rechne ich freilich
darauf daß
Henriette Herz [Schließen]
Jette
Dir größtentheils mittheilt was Dich
interessiren kann
Mittwoch. Nun sieh zwei ganze Tage sind schon wieder vergangen in denen ich nicht mit einem Wörtchen habe bei Dir sein können. Es kommt dann manchmal so alles zusammen um zu hindern. Vorgestern Abend waren wir bei Gass. Sie erzählte viel von Hasselbach und von Lotte Schwarz; aber liebste Jette alles war gar nicht zu der lezteren Vortheil. Und doch muß ich die Gass für ziemlich unparteiisch halten. Sie ist es überhaupt schon, und dann habe ich noch besonders gehört daß sie Lotte sonst gegen Andere vertheidigt hat; und an einem richtigen Blikk fehlt es ihr auch nicht. Sie meint aber Hasselbach (dem sie übrigens viel Gutes nachsagt, nur daß sie ihn für schwindsüchtig hält und meint er würde kaum noch ein Paar Jahre leben) liebe Lotten gar nicht so wie sie ihn, sondern sie habe ihm über den ursprünglichen Text geschriebenihn nur mit sich fortgerissen und sich ihm gewissermaßen aufgedrungen, auch habe sie selbst ihr früher eben nur ein un | 6vbestimmtes Verlangen einen Mann zu haben abgemerkt, und davon meint sie sei auch ihre Neigung zu Hasselbach ausgegangen. Vor kurzem war einer von Hasselbachs näheren Freunden hier, und dem hatte er selbst nichts von der Gewißheit seiner bevorstehenden Verbindung gesagt, so daß es ihm hier eine Neuigkeit war. Auch meint die Gass, und er stimmte ein der Plan mit dem Pestalozzischen Institut sei nicht zuverläßig denn es sei sehr vernachläßigt, und Hasselbach habe in seinem Amte zumal für eine Gesundheit wie die seinige schon zuviel zu thun um sich desselben so anzunehmen daß er es wieder emporbringen könne; ihre ganze Subsistenz drauf zu gründen sei also sehr mißlich. Ich schreibe dir die Sache ganz so roh ohne davon oder dazu zu thun natürlich nur für Deinen eigenen Gebrauch, und um zu hören ob Du wol meinst daß es mit Lotte Schwarz so sein kann wie die Gass sie ansieht. Sehr bedauernswürdig ist sie mir dabei vorgekommen aber doch nicht so daß sie an meiner Achtung dadurch verloren hätte denn gewiß hat sie damit angefangen sich selbst zu täuschen und was daran unschönes ist ist gewiß ganz unbewußt in ihr. Wissentliches und absichtliches kann ich mir drin nicht denken, und so hat es auch die Gass gewiß nicht gemeint. Abentheuerlicher aber ist eine andere Geschichte die sie von ihr erzählte, sie habe sich, aber nur mit einer ganz reinen Freundschaft, dem Dichter Werner angeboten, und den Wunsch geäußert ihn wie eine Schwester überall begleiten zu können. Das ist mir nun gar unbegreiflich wie dieser verrükte Peter und dies widrige Gesicht eine gesunde weibliche Natur so soll einnehmen können . – Das war von vorgestern. Vorher waren wir übrigens eine Stunde bei Karoline Wucherer, ich unter drei Mädchen allein, Karoline Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny und die Schede, und da habe ich mich vortreflich amüsirt. Sie übten eine neue weibliche Arbeit ein, und ich trieb allerlei liebliches Geplauder mit ihnen. Karoline bleibt doch immer das erste Mädchen in meinen Augen, und wer mich gesehen hätte mit ihr hätte doch wol geglaubt ich betete sie recht ordentlich an. Sie ist zu liebens würdig, und Du hättest Dich gewiß gefreut wenn Du dabei gewesen wärst, wie ich mir Deine Erlaubniß bei beiden zu Nuze gemacht habe. Mit der Schede treibe ich es wieder auf eine andere Art, ganz aus dem Gesichts | 7punkt daß ich sie schon als ein Kind gekannt habe. Neulich ist es unter uns zur Sprache gekommen daß sie von Dir weiß und das ist mir recht lieb, so ist eine weniger, vor der ich zurük halten muß, wenn es mir einfällt von Dir und von dem künftigen Leben zu reden. – Adelheid Reimer wurde am 10.1.1809 geboren. [Schließen] Gestern Morgens hat die Reimer ein Mädchen geboren, endlich und doch hat sie sich die ganze Nacht nicht wenig damit gequält; er hat doch auch etwas dafür leiden wollen und ist ganz heiser dabei geworden so daß er kaum reden kann. Sie ist übrigens jezt ganz munter und frisch. Steif und fest hatte sie geglaubt einen Knaben zu haben. Es ist doch etwas ganz herrliches und heiliges um dieses Unbewußtsein des innern Bildens der Natur; und ich weiß nicht einmal ob es mir gefallen würde wenn eine Mutter hierin so untrüglich wäre. Uebrigens hat die närrische Ludovica Reinhardt [Schließen] Ludchen auf ein Mädchen gewettet, und die muß nun noch recht damit geschoren werden daß sie soviel Beobachtungsgeist und Sachkenntnis hat. Wahrscheinlich werde ich nun das kleine Ding taufen worauf ich mich schon freue. Wie mich das übrigens bewegt jezt so ganz anders als sonst, das sage ich Dir gar nicht erst süßeste Jette.
Donnerstag d 12t. Ich kann doch nicht helfen ich muß wieder davon anfangen es bewegt mich zu sehr. Ich denke immer, wie ich um Dich herum sein würde mein Herzensweib, wie tief erschüttert und doch voll fester Hofnung in der entscheidenden Stunde, und wie schwer es mir hernach werden würde Dich nicht ununterbrochen immerwährend selbst zu pflegen bis Du ganz frisch und hergestellt in meinen Armen lägest. Ich habe es so oft beklagt daß die eigenthümlichen wirklichen Gefühle uns Männern doch ganz verborgen wären und hierin eine unübersteigliche Grenze der Erkenntniß läge aber ich fühle es jezt schon so bestimmt daß in einer liebevollen Ehe ein Grad des Mitgefühls sein muß der wirklich an die Unmittelbarkeit grenzt. Ich habe Wilhelmine Reimer [Schließen] Mine noch nicht gesehn, womöglich thue ich es heute; es wird mir eine ganz eigne rührende Freude sein.
Weißt Du wol ich habe Dich bei
Luise von Willich [Schließen]
Luise
verklagt daß Du mir gar nicht ordentlich
gestanden hast wie Du namentlich auch von ihr bist beschenkt
worden. Es ist auch nicht halb recht daß Du mir gar keinen
vollständigen Bericht abgestattest hast. Sachanmerkung:
Die ... mir auch.] Vgl. Brief
.
Jettchen] Henriette Pauline Marianne von
Willich
den ... drei Könige] wohl die drei ältesten Töchter der
Charlotte von Kathen: Christiane,
Charlotte und Karoline von
Kathen
[Schließen]
Die lieblichen Gestalten von
J
über den ursprünglichen Text geschriebenklein
Jettchen
als Genius
und den Gö | 7vtemizer Mädchen als heilige drei
Könige
sind mir
freilich recht lebendig vor Augen, aber fast alles
dazu gehörige fehlt mir auch. Dir ist es eben alles zurükgedrängt worden durch das Bild und
darüber kann ich doch unmöglich böse sein. Ach süße Jette
sieht es Dich wol auch manchmal recht mit Liebe an? das
möchte ich aber so gern daß es neben dem Ernst auch noch
hätte. Ich übertrüge ihm eben gern vieles an Dich was sich
mit Worten gar nicht sagen läßt sondern nur mit
Blikken. Ein Paarmal wenn ich es in einem
gewissen Lichte ansah kam mir auch vor als könnte es das
wol. Deine Andacht zu dem Bilde hat es mir wieder recht
anschaulich gemacht wie zu der Zeit als die Malerei in ihrem
Höchsten Flor war und die heilige Legende noch lebendig
der Glaube an wunderthätige Bilder hat aufkommen können.
Denn es ist doch unglaublich was für lebendige
Kraft was für eine Durchsichtigkeit und innere
Beweglichkeit in einem Bilde ist wenn es mit rechtem Sinn
gemacht ist und auch so angeschaut wird.
Dein lezter Brief hat mich wieder recht lebendig in vergangene Zeiten zurükgeführt, und diese Nacht hat mir ordentlich von Eleonore Grunow, die Frau eines Amtskollegen Schleiermachers, Schleiermachers große Liebe vor Henriette von Willich [Schließen] Eleonore geträumt – oder vielmehr nicht ordentlich sondern sehr verwirrt. Henriette Herz [Schließen] Große Jette führte sie zu mir, es waren noch mehr Leute dabei Du aber nicht, allein das war nur zufällig denn eigentlich war es doch als wäre es bei uns. Sie sagte Endlich treffen wir uns einmal, und beugte sich zu mir herunter, ich konnte aber nur über mich gewinnen ihr einen fast unmerklichen Kuß auf die Wangen zu drükken, und dachte bei mir selbst Wozu soll es nur führen daß wir uns treffen. In ihr war gar keine Spur von Zärtlichkeit, und zwar eine gewisse innere Bewegung aber nur sehr vorübergehend denn sie fing gleich darauf an mit andern Leuten zu reden und ich ging in ein andres Zimmer um zum Fenster hinaus zu sehn ob Du nicht kämst, und dachte dabei wenn Grunow nur nicht mit seiner widrigen Gestalt auch angestiegen kommt. Weiter weiß ich nichts bestimmtes mehr. Im Ganzen ist aber doch meine Rolle sehr wahr. Ich würde gar nicht verlegen sein Eleonore zu sehn aber ohne irgend eine innere Bewegung, ganz gleichgültig, außer in wie fern sie eben eine sehr interessante Frau ist, ich würde es aber immer wenn es geschähe sehr unpassend finden. Erschiene sie mir aber jemals leidend, dann könnte ich sie gewiß mit der innigsten Theilnahme behandeln, aber eben so gewiß auch ohne die leiseste Spur der alten Empfindung. – In diesem Augenblikk schikt mir die Frau von Mühlenfels, geb. von Köppen [Schließen] Großmutter diese Einlagen Du siehst wie alt sie angefangen sind ich gehe gewiß in diesen Tagen zu ihr. Adieu meine zärtlichst geliebte Jette ich umarme Dich und unsere Kinder aufs innigste
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