Neujahrstag Abends.
Schleiermacher beginnt ab 1809 eine neue
Briefzählung.
[Schließen]2
Da ist mir noch süße Jette
als ein Neujahrsgeschenk Vgl. Brief.
[Schließen]Dein Brief gekommen
und Charlotte von Kathen und Luise von Willich
, vgl. Brief , Brief
und Brief .
[Schließen]einer von der großen mit Einlagen von Lotte
und Luise
.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Du gutes Herz hast solche Freude über die
Zeichnung gehabt und nimmst sie so andächtig und tief Vgl. Brief
.
[Schließen]daß es mir fast leid thut Dir neulich so scherzhaft
darüber geschrieben zu haben daß es Dir fast ein Greul sein muß. Du treibst wol offenbar ein
wenig Abgötterei damit meine holde Braut; aber soll mich
denn das nicht freuen? ich lasse es mir so gern gefallen daß das
Auge der Liebe mir schmeichelt und ich kann Dir gar nicht
sagen wie es mich gerührt hat. Aber nun bitte ich Dich auch
ganz ernsthaft mache Dir nicht nach dem Bilde ein Bild von
mir das Du hernach in mir nicht wiederfindest.
Meine Stirn hat wol etwas eigenthümliches und
charakteristisches aber hübsch ist sie nur gar
nicht, und auf meine Augen hat der Zeichner eben so wenig
gutes zu sagen gewußt als ich. Du weißt wie ich immer klage
über ihr unbewegliches gläsernes Wesen, und glaube daß sie
mehr Jalousien vor meiner Seele sind als Fenster, und mich
ärgere daß so wenig in ihnen zu lesen ist von dem was in
mir vorgeht. Aber Du weißt
es
ist eine Rede und gewiß keine fabelhafte daß wenn Eheleute
lange und wie sichs gebührt zusammen leben sie einander
ähnlich werden. Nun sieh zu ob Du mich dazu nicht schon zu
alt empfängst und laß sehen was du noch machen kannst aus
diesen schlechten Augen.
Schleiermacher spielt auf seine Sorge über die
politischen Verhältnisse an (vgl. Brief
), auf die Henriette von Willich reagiert, vgl. Brief
.
[Schließen]Nun aber laß mich klagen liebste Jette ich bin so
böse auf mich selbst daß ich mich schlagen möchte
und mich recht hart bei dir anklagen. Nicht nur daß ich dir
thörichter Weise selbst die Ueberraschung verderbt
habe sondern vorzüglich daß ich Deine
ganze Weihnachtsfreude gestört und Dir Sorge
gemacht habe.
Mein geschriebener Buchstabe ist so hart und unbeholfen,
alles unangenehme klingt noch einmal so schlimm als es
gemeint ist; ich weiß das und hüte mich doch nicht.
Freilich ist es nur die Sehnsucht Dir alles grade so zu
geben wie es in mir ist; aber gerade bei diesem
Gegenstande wo sich so viele unbestimmte
Vorstellungen bei Dir einmischen müssen sollt ich mich am
meisten in Acht genommen haben Dich nicht zu erschrekken.
Ein etwas schwankender Zustand ist merklich aber es kann
noch alles recht gut werden und als Du beunruhigt wurdest
war ich gewiß schon über manches beruhigt. Laß Dich also
recht inständig bitten jedesmal recht viel
abzurechnen von alle
dem was versehentlich nicht gestrichen
[Schließen]Du Dir bei meinen Nachrichten natürlicherweise
einfallen mußte. Ich werde fortfahren Dir den Eindruk den
die Umstände auf mich machen nicht zu verhehlen, sonst würdest Du
vielleicht nur noch mehr in vergeblicher Sorge sein aber
beobachte Du auch jenes immer und bedenke daß Du in der
Entfernung nur durch einen Nebel siehst und also wieder
verkleinern mußt was dieser vergrößert. So glaube ich auch
daß es nur Deine und unserer Freundin Vorstellung von
meiner Stimmung gewesen ist was oder lies: euch
[Schließen]auch Wehmuth und Spuren von Schmerz in dem Bilde sehn
läßt; hier hat das wenigstens niemand gefunden.
Ach wenn es Dich nur immer mit rechter Liebe anspräche Du
liebevolle Beschauerin! wenn es Dir doch alles
ausdrükte was ich vergeblich versuche Dir mit Worten zu
sagen, jeden Morgen und jeden Abend. Dazu habe ich es dir
eigentlich geschikt. Und so überlasse ich es ihm auch jezt
Dir die süßeste gute Nacht zu bieten du Theure. | 1v
Mittwoch über der Zeiled 4t. Abend Einzige Jette indem ich ansehe was ich auf der vorigen Seite geschrieben habe kommt es mir so abscheulich in einander gekrizelt vor daß Du ein wahrer Engel sein mußt von Geduld und Geschiklichkeit wenn Du es irgend lesen kannst. Schilt mich nur recht wenn ich es zu arg mache dann geht es wieder eine Weile besser. Ich habe jezt so schlechtes Papier, und meist wenn ich zu Dir komme schon abgeschriebene Finger und Federn vom Plato.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Nun sieh nur Kleine da ist gestern als ich abwesend war ganz
unerwartet und überraschend dein
Geschenk gekommen und hat uns große Freude
gemacht.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Du hast es zwar grade gemacht wie ich denn ich konnte
es aus Deinem lezten Briefe ahnden aber weil noch
gar nichts da war glaubte ich doch fast du meintest
Dein Geburtstagsgeschenk und wollte Dich drüber
schelten, zumal Du neulich schriebst Du hättest nicht
schikken können was Du gewollt
hättest. Eine Räucherlampe habe ich mir lange gewünscht, und
diese ist nun gar ein zierliches kleines Geräth und Dein
Thee das ist mir nun auch sehr lieb den zu trinken. Versucht ist er
schon, und ich kann ihn gewiß jedesmal heraus schmekken
ohne zu fragen. So gut geht es mir leider mit
meinen
über den ursprünglichen Text geschriebendeinen
Jabots nicht; ich kann sie nicht von denen unterscheiden die ich
von Mine Reimer
habe, und muß immer erst Anne (Nanny) Schleiermacher
[Schließen]
Nanny
fragen. (Sage mir nur
pflegst Du auch so eine konfuse Wirthschaft zu
treiben wie diese kleine Frau? die wollte schon gegen
Weihnachten entbunden sein, und nun läuft sie
noch immer herum ganz frisch und gesund. Wie lange muß da
ein armer Mann in der Erwartung und in der Angst
sein!)
Der Thee ist übrigens gestern angetrunken worden zu Ehren
eines gar lieben Menschen nemlich des kleinen Thiel aus Anklam,
der einer meiner ersten und treusten Schüler in
Halle war, und wir halten
gegenseitig große Stükke von einander. Ich bat ihn mit noch
ein Paar ehemaligen Zuhörern zusammen, und unter denen ist
mir dann immer ganz wohl. Ich pflegte sonst oft zu sagen die Zeit in Halle sei doch die
schönste meines Lebens gewesen, so komme sie gewiß nicht
wieder. Wenn ich das auch jezt noch sage vor solchen die
von meinem neuen Glük nichts wissen so strafe ich mich
freilich innerlich selbst Lügen dabei – aber Eins, das | 2 frische Leben mit den jungen Leuten wird doch
schwerlich ganz so wiederkommen, denn die
Verhältnisse werden hier nicht ganz so sein. Aber was irgend geschehen kann
wollen wir gewiß thun, und du sollst recht deine Freude
haben wenn du siehst wie die Jünglinge mich lieben und sich
von mir heranziehn lassen. Eigentlich habe ich auch dein Stammbuch schon auf
die neue Universität berechnet denn
jeder aus unserm engeren Kreise muß Dir wenn er
sie verläßt etwas einschreiben, damit wir die vergangenen
Zeiten immer lebendig erhalten und das Buch eine Art von
HausChronik werde. Darum thut
es mir nicht leid daß es wider deinen Wunsch so dik
gerathen ist. Vgl. Brief
.
[Schließen]Aber einzige Jette wie leid thut es mir daß du
schreibst es sei doch keine rechte Freude und Heiterkeit
gewesen an eurem Weihnachtsabend!
Etwas hat freilich Charlotte von Kathen
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Lottens
Gesundheit wol gethan,
Vgl. Brief
.
[Schließen]
etwas auch daß wie Henriette Herz
[Schließen]
Jette
schreibt manches verloren
gegangen und also nicht alles ausgeführt werden
konnte wie es sollte,
und vielleicht hat auch Luise Recht welche
meint es sei nicht alles ganz gut eingerichtet
gewesen. Aber was Dich
betrift so bin ich doch vorzüglich Schuld daran daß ich Dir
das Herz schwer gemacht habe um ungelegte Eier. Und was
soll ich sagen liebste Jette? es kann doch sein daß ich dir
noch manche kleine Freude im Leben verderbe durch meine
angeborne Ungeschiktkeit oder Trägheit! Ich bitte dich
schon um Verzeihung im voraus du süße, und es ist gewiß
kein katholischer Ablaß den ich fodere, sondern nur auf
Hofnung der Besserung von heute an – aber ich fühle es gar
zu sehr, ganz wird es nicht ohne das abgehn. Wenn ich dir nur
wenigstens manchmal recht große Freude mache
für die kleine die ich Dir verderbe. Und das lasse dir nur
auch ahnden süßes trautes Kind, und glaube nicht daß der
Kummer und die Sorge überwiegen werden, und daß Dich mein
Bild grade oft wird trösten müssen. Könnte ich Dir nur sagen,
wie mich das gerührt hat. Aber dabei bleibt es doch daß es
mir keinen Augenblik leid thut daß du grade in dieser Zeit
mein geworden bist, und daß auch von dieser Seite gleich
in die erste Freude der Liebe sich Wemuth
mischt. Es ist ja auch das ein herrlicher kräftiger Genuß. – Heute ist
für mich noch auf eine eigne Weise Neujahr, ich habe
nemlich meine
Schleiermacher las im WS 1808/09 über
Dogmatik
und die
Theorie des Staates
, vgl. A. Arndt und W.
Virmond: „
Schleiermachers Briefwechsel (Verzeichnis)
“ (1992), S. 303 f.
[Schließen]Vorlesungen wieder angefangen mit sehr gutem Muth und | 2v
auch mit merklich gebesserter Gesundheit, so daß du
hierüber nun ganz ruhig sein kannst. Es kann nicht fehlen
daß ich auf diesem Wege fortgehe, und wenn ich erst völlig
schmerzenfrei bin dann will ich mich auch in Deinem
Namen recht pflegen um so bald als möglich
wieder ganz herauf zu kommen, viel achtsamer
als ich sonst sein würde.
Auch außerdem hat sich heute etwas angenehmes ereignet.
Nachdem wir nemlich in den lezten Wochen ganz zum Lachen
arm gewesen sind habe ich heute die Nachricht
bekommen, daß die Regierung 600
Thaler für mich hat anweisen lassen.
Das ist nun freilich auf einmal alles was ich bis zum
Antritt meines Amtes das heißt bis zu Deiner Ankunft zu
erwarten habe, und immer nicht genug um bis dahin zu leben
und unser Haus einzurichten; aber die Quälerei
wie sie zulezt war hört doch nun auf, und dann hat mir die
Nachricht von dem Gelde auch die Zeit wo es
alle sein wird wieder auf eine eigne Weise näher gebracht;
denn es muß wenigstens noch reichen um zu Dir zu reisen.
Siehst Du wie alles immer dieselbe Richtung nimmt, alles
mich immer zu Dir führt. Und nun schlafe mir recht süß mit den lieben
Kinder aus erster Ehe der Henriette von
Willich
[Schließen]
Kindern
, und laß Dich nicht zu früh stören. Morgen früh bin ich gleich
wieder bei Dir. So gut wird es mir jezt nur am Posttage
gewöhnlich. Wenn nun erst kein Posttag sein wird! wenn die
Worte unmittelbar von Mund zu Mund gehn, und die Liebe
ohne Worte. Ja meine Jette laß es Dir nur
immer sagen, wie ich dein bin und wie ich mich immerfort
nach dir sehne.
Donnerstag. d 5t. Ach ich habe wieder nur noch zu ein
Paar Worten Zeit. Süßesten Morgengruß und Abschied. Vgl. Brief
.
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Du schreibst meine Briefe wären
sehr freundlich aufgenommen worden das kann aber wol nur von
denen an Schlichtkrull
gelten;
denn Kathen hatte
noch nicht einmal an
Charlotte von Kathen
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Lotte
etwas gesagt, also an Dich wol noch weniger.
Nun wir wollen es
abwarten. Mir wäre es nicht natürlich gewesen auf irgend
eine andere Weise zu schreiben. Nun sagte ich Dir gern noch so viel von den Kindern,
den lieben süßen Geschöpfen.
Scheust Du Dich auch nicht zu sehr vor
Sophie Schlichtkrull
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Sophie
und Luise? Vgl. Brief
.
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Leztere schrieb mir, sie hätte selbst versucht Ehrenfried von Willich (d.J.)
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Friedchen
den Vaternamen zu lehren aber sie wollte es Dir
oder mir nicht nehmen.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Daß der Junge schon so hübsch regiert freut mich ungemein.
Wieviel Du sie draußen halten sollst darüber
[ ]
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