Sonntag d 25t. Decemb. 8
30.
Freitag war seit langer
Zeit der erste Posttag trauteste Jette wo ich nichts von Dir
bekam. Du hast mich
ganz verwöhnt Du süßes Kind und
es war mir ordentlich ein wenig fatal. Aber es that mir doch
weiter nichts, ich nahm mir nur vor ich wollte Dir desto
mehr schreiben. Du siehst aber daraus ist nichts geworden
und dies ist der erste Augenblik wo ich dazu komme. Am
Freitag war ich recht tüchtig fleißig und sparte es mir immer
als Belohnung auf wenn ich fertig sein würde und so kam ich
immer tiefer hinein. Des Abends mußte ich nothwendig ein
Paar Stunden in einer Geschäftsgesellschaft
zubringen. Da wurde viel gesprochen und wenig kam dabei
heraus und dadurch wurde ich aufs neue aufgeregt. Ich trank mit
Anne (Nanny) Schleiermacher
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Nanny
erst um 10 Uhr Abends The, und las ihr einen Gesang aus der
Odyssee vor,
Vgl. Tagebuch vom 23. 12. 1808: „Aufsaz
entworfen“. Es handelt sich vermutlich um die unveröffentlichten sprachphilosophischen
Untersuchungen (KGA I/14, S. 107 f.).
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und dann sezte ich mich hin um noch in der
Geschwindigkeit die ersten Gedanken zu
einem Aufsaz zu entwerfen, und kam so hinein daß es
drei Uhr wurde,
und da hielt ich es denn für Pflicht zu Bette zu
gehn. Sieh nur arme Jette so bist Du in den Winkel geschoben worden,
oder vielmehr so habe ich mich selbst mit Dir angeführt und
Dich zur Rosine gebraucht die das Kind hernach doch nicht
bekomt wenn man sie ihm auch versprochen hat. Aber Du weißt
doch daß das gar nicht schadet und daß Du nicht im Winkel
stehst sondern auch jezt schon freien Zutritt ins
Arbeitszimmer hast und immer mit im Spiel bist. Ach und wie hast Du
erst regiert, und wie habe ich erst mit Dir gelebt und
gekost als ich, war es auch gleich so spät, ins Bett kam.
Ich erzählte es Dir aber vorzüglich nicht nur damit Du
siehst wie es manchmal geht, sondern auch damit Du
sähest wie rasend toll und ungerecht ich sein
kann.
Vgl. Brief
und Brief .
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Denn als ich heute bei
Reimers
zwei Briefe auf einmal von unserer Gemeint ist Henriette Herz.
[Schließen]großen bekam
und gar keine Zeile von Dir war ich ganz wild, und
als die Frauen meinten es könne ja wol sein daß Du nicht
habest schreiben können stellte ich mich ganz auffahrend
und schrie Was hat sie denn zu thun? den Kindern
die Nase zu wischen? da bin ich doch eben so gut noch. Im Grunde aber
einzige Jette stekt nur dahinter daß mir wirklich ein wenig
bänglich ist,
Vgl. Brief
.
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weil die große in dem ersten Briefe der von
Gestern vor acht Tagen ist schrieb sie würde Dir
ihn am nächsten Tage mitgeben, und nun kommt er ohne Begleitung von Dir, und im
zweiten Briefe schreibt sie kein Wort davon ob Du da
gewesen bist oder nicht. Einzige Jette möchtest Du doch recht viel mit
Julklaps zu thun gehabt haben oder | 71v was Du sonst willst, nur krank sei mir nicht
denn das kann ich gar nicht vertragen. Wenigstens mache mir
nicht die Besorgniß darum sondern gerade wenn Dir irgend
etwas fehlen sollte schreibe mir wenigstens die zwei Worte
daß du nicht wohl bist dann will ich immer ganz ruhig sein
in diesen langen fünf Monaten, Dir muß ich nun schon wieder
zumuthen es zu vertragen daß ich unwohl bin. Freitag befand
ich mich so gut wie gewiß seit drei Wochen nicht;
aber Gestern Abend bei Reimers mitten im Weihnachtsjubel
überfiel lies: mich
[Schließen]micht
eine bitterböse Kolik die mich die ganze Nacht geplagt hat Laut dem Tageskalender hielt Schleiermacher am
25. 12. 1808 die Vormittagspredigt in der Dreifaltigkeitskirche.
[Schließen]so daß ich heute Früh noch mit Resten von
Schmerzen und ganz müde und elend auf die Kanzel
ging doch aber
sehr zu meiner Zufriedenheit gepredigt habe; ob
auch eben so sehr zu Anderen ihrer weiß ich nicht denn das trifft gar
nicht immer zusammen. Als ich aber herunter kam war ich auch so elend daß
ich mich am liebsten gleich zu Bett gelegt hätte. Ich kann Schmerzen
sehr gut aus halten und noch ein leidlicher Mensch dabei
bleiben sowol für die Gesellschaft als für den Arbeitstisch
aber ich werde danach auch durch den Widerstand den ich
leiste mehr ermüdet und geschwächt als ein Anderer. Weißt
Du wol ich habe Dich im Verdacht Du bist Schuld daß ich
jezt so unwohl bin. Du hast gewiß einmal gewünscht ich möchte
jünger sein. Warum kämen mir sonst auf einmal alle die
Uebel zurük an denen ich in meinen jüngeren Jahren gelitten
habe? Darüber hatte ich mir vorgenommen Dich recht zur Rede
zu stellen sobald ich nach Hause käme und Dir so wenigstens
noch ein Blättchen zu schreiben mit der heutigen Post.
Aber kaum hatte ich mir die nöthigste Ruhe genommen Laut dem Tageskalender hat Schleiermacher am
25. 12. 1808 mit Alexander von der
Marwitz gefrühstückt.
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so
kam ein junger Mann den ich sehr lieb habe und den
ich eben nicht viel sehe, da haben wir denn bei
einem Stük Spikgans von eurer ganz
vortreflichen und einem Glase Wein die
Postzeit ganz traulich verplaudert.
Das kommt davon her daß die Heimlichkeit mir noch immer
Vergnügen macht. Denn hätte der es wissen dürfen daß ich
einer Geliebten schreibe so hätte ich ihn ja gleich
fortgeschikt.
Gestern habe ich dann recht viel an euch gedacht was für Jubel ihr in
Götemiz mögt gehabt haben,
Vgl. Brief
.
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und heute habe ich aus Jettens Brief
wenigstens schon gesehn daß viel vor ist
und eine Menge Zurüstungen gemacht werden.
Denke nur
daß
über der Zeilewas
mir die Weiber von Reimers gemacht
haben. So
ein ganz ordinäres hölzernes Leierspielzeug haben sie
genommen einen Kerl der wiegt und wenn man unten dreht so
klimperts und die Wiege geht, den Kerl haben sie in
völligen Ornat gesezt und so haben sie es mir verehrt. Du
glaubst nicht was für einen trübseligen Ehemann Du da hast.
Ganz de mauvaise grace steht er da und das sieht man ihm an
daß er tüchtig unter dem Pantoffel steht. Ich hebe Dir das
Kunstwerk gewiß auf bis Du kommst. Ich war übrigens bei
dem(?)
über den ursprünglichen Text geschriebender
ganzen Freude nur ein empfangendes Mitglied gar
kein gebendes denn ich hatte schlechterdings kein Geld in
diesen Tagen. Das sind nun so
Röm 8,18
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die Leiden dieser Zeit noch,
die nicht werth sind der künftigen
Herrlichkeit
; wenn Du erst hier bist
wollen wir Geld genug haben.
Es handelt sich um ein Portrait Schleiermachers,
das er seiner Braut zu Weihnachten geschenkt hatte, vgl. Brief
und vgl. Brief
.
[Schließen]
Jette
schreibt mir sie hätte etwas besonderes vor mit der
Zeichnung.
Vgl. Brief
[Schließen]Ich wünsche daß es ihr gelingen mag damit ich | 72 mich
wieder aussöhne mit der ganzen Sache denn es ist
mir schon ganz wunderlich und thöricht
vorgekommen daß ich dir die Zeichnung geschikt habe
für diese wenigen Monate. Was willst du doch hernach damit
machen wenn du das Original selbst zu
deiner Disposition hast und Dich müde daran sehn
mußt. Die Zeichnung schadet mir, denn es wird doch
bald ein vergangenes Gesicht sein was sie darstellt
und nicht das gegenwärtige, zumal es
ohnedies etwas zu jung gemacht ist; und ich schade
auch wieder der Zeichnung denn sie zeigt dir immer
nur eine und dieselbe störrische Mine unterdeß das
wahre Gesicht dich doch noch durch seine
Beweglichkeit durch die Canaillerien die darüber
hinlaufen durch den Wechsel zwischen Dummheit und
Verstand, und dann wieder durch alles gute und
liebe was deine Nähe und deine Liebe hineinlegen und
herauslokken wird – ja nun hatte ich
sagen wollen amüsirt oder unterhält, und das paßt
nun ja gar nicht mehr denn der Ernst ist mir wieder in den
Scherz hineingelaufen. Aber kurz süße Jette die
Zeichnung wird dir ganz übrig sein du wirst sie das
ganze Jahr nicht ansehn und ich werde auch nicht
wünschen daß Du sie ansiehst. Nun wenn Sie Dir nur jezt einige Freude macht. Daß
dir Deine Weihnachtserscheinung bei uns mißlungen ist thut
mir recht leid. Laß Dir das nur keine zu fürchterliche Vorstellung
geben von dem Zwange der hier herrscht; es wird so arg in
Zukunft gar nicht sein und du wirst alles sicher bekommen
können, womit dir unsre dortigen Freunde einmal Freude
machen wollen; ich glaube sogar es wäre diesmal schon
gegangen.
Donnerstag Nacht. Liebste theuerste Jette wie lange
bin ich nun schon nicht bei Dir gewesen. Leider kommt es
größtentheils daher daß wenn ich sehr unwohl bin leicht
etwas maulfaul werde und also auch schreibfaul. Ich habe
mich steigend übel befunden alle diese Tage; der Arzt kann
das rechte Mittel noch nicht finden und so wurzelt sich indeß
das Uebel ein. Dann bin ich auch sehr viel abgehalten
worden und habe dann die versäumte Arbeit nachholen müssen
zum Theil in Zeiten wo ich gerne mit dir geplaudert
hätte. Vgl. Brief
an Henriette von Willich, Schleiermacher las im WS 1808/09 über
die Dogmatik
und über die Theorie des
Staates.
[Schließen]
Daß ich mit meinem Collegien Ferien
gemacht schon vor dem Fest habe ich dir oder Jette
geschrieben.
Aus den Einträgen im Tageskalender 1809 geht hervor, dass
Schleiermacher Anfang 1809 am „Philebos“ arbeitet.
[Schließen]Nun habe ich während der Zeit den Anfang gemacht
zum Platon
zurük zu kehren und das einzige große Gespräch zu übersezen
was mir für diesen Band noch übrig ist. Da möchte ich gern ein tüchtiges Stük
hineingearbeitet haben und über das schwerste
hinweg sein
ehe die Vorlesungen wieder angehn.
Das hat mich auch bis jezt
noch gehalten und jezt schreibe ich Dir in
einem tollen Zustande der dir auch ganz neu sein wird wenn
Du ihn hier erlebst. Es ist beinah zwei Uhr, die Straße ist belebter
als
gewöhnlich am Tage die Nachtwächter stoßen ins Horn was
die Lungen nur halten wollen die Trommeln wirbeln und aus
dem Fenster kann ich den Widerschein einer großen Flamme
sehn. Ich war schon einmal dort, es ist eine halbe
Viertelstunde etwa von uns entfernt. Es sah so schön aus daß ich Nanny aus dem
Bette geholt und sie auch so nahe als möglich hingeführt
habe. Doch hat sie es
nicht mehr so schön gesehn als ich weil die Sprizen schon
geschäftig waren und in diesem Augenblikk kann ich schon
keinen
Widerstand(?)
über den ursprünglichen Text geschriebenWiderschein
mehr sehn; aber doch wird es schwerlich vor Morgen früh
ganz gelöscht sein. Mich ergözt | 72v eine Feuersbrunst
immer sehr. Die Anstalten sind sehr gut also wird der
Schaden selten bedeutend, und da nun ganz arme Leute
abgerechnet die auch wieder nichts zu verlieren
haben gewissermaßen von Jedem abhängt wieviel er verlieren will
so habe ich auch weiter kein Mitleiden sondern überlasse
mich ganz rein dem herrlichen Eindruk von der Wuth des
Elementes und dem glüklichen Kampf der menschlichen Kunst
und Thätigkeit. Ich möchte wol es brennte
einmal so in meiner Nähe daß ich selbst auf Retten müßte bedacht sein;
ich versuchte gern wieviel Geistesgegenwart ich wol haben
würde in solchen Fällen, denn ich kenne mich
darin noch gar nicht, und nun mir das schöne Leben mit Dir
bevorsteht hätte ich gern eine recht sichere
Kenntniß davon wieviel ich wol tauge für das
Leben nach allen Seiten hin. Im Ganzen traue ich mir ziemlich viel zu; aber so lange
man noch unversucht ist weiß man nie wieweit man Recht hat
mit diesem Vertrauen. Darum freue ich mich recht daß ich
gewissermaßen vorher noch in neue Schranken
gerufen bin; wenn sie nur auch wirklich eröfnet würden und ich
zeigen könnte was ich vermag. Komme ich noch irgend, wenn
auch nur vorübergehend in eine Thätigkeit für den Staat
hinein, dann weiß ich mir wirklich nichts mehr zu
wünschen. Wissenschaft und Kirche, Staat und Hauswesen –
weiter giebt es nichts für den Menschen auf der Welt, und
ich gehörte unter die wenigen Glüklichen die alles
genossen hätten. Freilich ist es nur diese
neueste Zeit wo die Menschen alles trennen und scheiden
daß eine solche Vereinigung selten ist; sonst war jeder tüchtige
Mensch wakker in allem, und so muß es auch werden und
unsere ganze Bemühung geht darauf daß es so werde. Die
Menschen die sich etwas emporheben aus der gemeinen Masse
machen alle so viel aus der Unsterblichkeit des
Namens in der Geschichte. Ich weiß nicht; ich kann danach
so gar nicht trachten. Die Art wie sie den Königen bloß
als solchen auf ein Paar Jahrhunderte wenigstens sicher
ist hat doch nichts beneidenswerthes. Die
Thaten der Menschen im Staat sind doch immer
gemeinschaftlich, und
mit Unrecht wird irgend etwas großes einem Einzelnen auf die
Rechnung geschrieben. In der Wissenschaft ist nun gar
nicht daran zu denken, und das künftige Geschlecht müßte
aus elenden Kerls bestehn wenn sie nicht in fünfzig Jahren
alles weit besser wissen sollten als auch der beste jezt.
Nur der Künstler kann auf diese Art unsterblich sein und
ein solcher bin ich nun einmal nicht und außerdem ist noch
eine irdische Unsterblichkeit übrig, die des Vaters in
seinen Kindern. Darum ist die Krone die Du mir aufsezen
sollst süße Jette die schönste, und ich will mirs auch
nicht nehmen lassen zu sagen daß ich dein
Geschäft
über den ursprünglichen Text geschriebenGeschöpf
bin. Aber in was für ein Geplauder bin ich gerathen! ich
wollte dir nur mit ein Paar Worten süße Ruhe wünschen, und
dir sagen wie mir beim Feuer das Bild vorschwebte wenn ich
Dich einmal oder die Kinder aus den Flammen führen könnte.
Nun muß ich noch ein klein wenig zu meinem Plato zurük denn
meine Aufgabe ist noch nicht fertig. Also schlafe nur weiter süßes
Herz. Ich sehe dich in Gedanken eine Bewegung machen als
wolltest du etwas fassen mit der Hand und ich lege Dir
ganz leise einen Kuß hinein. Aber das sage ich dir kleiner
Schelm daß ich Morgen früh einen Brief von dir haben
muß.
Freitag Abend. Vgl. Brief
.
[Schließen]
Er ist auch
richtig gekommen, gleich beim Frühstük; aber ich habe heute einen sehr verwirrten Tag
gehabt. Ich mußte den Vormittag vielerlei | 73 herumlaufen, und vom Mittag bis Acht Uhr habe ich
bei Spalding zugebracht und bin ziemlich leidend nach
Hause gekommen,
habe Nanny nur mit
Mühe einen Gesang aus der Odyssee
vorgelesen
und
dann noch etwas gearbeitet und nun muß ich schlafen gehn
damit ich Dir nicht noch kränker werde. Süße Jette
ängstige Dich nur nicht, es kann doch wirklich eigentlich
nichts zu sagen haben und muß wieder übergehn.
Verlasse Dich auch drauf daß ich Dir das schlimmste sage, und laß
Dir nicht entgehn daß ich immer dabei ausgehe und arbeite.
Ich kann auch ordentlich wünschen daß ich noch etwas
Schmerzen übrig behalte für Dich, aus reiner Eitelkeit;
denn ich bilde mir ein daß ich ziemlich liebenswürdig
damit bin. Gott einziges Kind ich habe Dir ja auch noch
andere Sorge zu benehmen! Das thue ich alles Morgen. Jezt
laß dir nur danken für Deinen süßen innigen Brief. Wie
sehe ich wieder ganz darin das wahre einzige Weib meiner
Seele! den Muth und die Festigkeit und das liebliche süße
Wesen dabei. Gott wie sehne ich mich Dich nur erst zu
haben. Aber nun gute Nacht! alle guten Engel mögen Dich
mir bewahren. Morgen denke ich noch recht viel mit Dir zu
reden.
Sonnab. Den lezten Tag im Jahre muß ich so anfangen
wie ich die schönste Hälfte des künftigen anzufangen denke
daß ich ein Paar Worte wenigstens mit Dir mein Leben
plaudere.
Vgl. Brief
.
[Schließen]Du hast Dir nun Sorge gemacht und meinst gar sie
werde Dir die Weihnachtsfreude verkümmern. Das muß nicht sein; aber ich hoffe auch es wird
nicht geschehn sein. Wenn Du erst mitten drin gewesen bist in den
süßen Kleinigkeiten der Liebe und in der Freude der
Kinder wird Dir
das Sorgen wol vergangen sein.
Ich möchte so gern jede bedenkliche Mine aus
dem lieben Gesicht verscheuchen und Dich so heiter sehn
wie ich selbst bin. Nein Liebe so kann mich eine
unentschiedene Besorgniß nicht drükken daß ich nicht
heiter erwachte.
Niemals kann ich dahin kommen am Vaterlande zu verzweifeln; ich
glaube zu fest daran, ich weiß zu bestimmt daß
es ein auserwähltes Werkzeug und Volk Gottes ist. Es ist
möglich daß alle unsere Bemühungen vergeblich
sind, und daß vor der Hand harte und drükkende Zeiten eintreten
aber das Vaterland wird gewiß herrlich daraus hervorgehn in kurzem.
Allein auch jenes Mißlingen ist gar nicht mehr so zu
fürchten wie damals.
Es waren Aeußerungen unseres guten Königes auf welche sich die
schlechten Aussichten gründeten; mir blieb immer die
Hofnung daß es nur eine vorübergehende Stimmung von
Verlegenheit und Unmuth wäre, so daß ich von Allen der
heiterste blieb, und nun fängt meine Vermuthung an sich zu
bestätigen. Aber wenn das
auch nicht wäre, ich denke doch Du sollst mich nicht
traurig und gedrükt sehn; ärgerlich wol und ereifert über
Thorheiten die ins große gehn, und sinnend und
sorgend wie Fehler und Thorheiten wieder zu verbessern
sind, und was hernach zu thun wenn man das rechte
unterlassen hat. Vgl. Brief
.
[Schließen]So war es auch als ich Dir so schrieb.
Uebrigens bin ich meiner Bahn freilich noch gar nicht
sicher, da noch nicht einmal innerlich Alles in Ordnung
ist wodurch sie muß bestimmt werden. Aber was auch begegne
so hoffe ich nicht daß irgend etwas uns soll länger
getrennt erhalten. Nein liebste Jette, dazu habe ich auch nicht
die mindeste Lust, und ich denke irgendwie wird es sich
machen lassen. Das Beste und wichtigste müßte eigentlich
schon vor der Zeit die wir uns bestimmt haben geschehen
sein, alle Gefahr überstanden sein und ich Dich ganz ruhig
in die stille Wohnung einführen können. So ist meine
Rechnung immer gewesen; ob der Himmel sie billigen wird
müssen wir sehn. Läßt man thörichter Weise den rechten
Augenblik vorbei gehn, und kommt dann die Zeit der Gefahr
später dann soll es mir hohe Freude sein sie unter Deinen
Augen zu bestehen, und mich auf Deinen Muth auf Deine
Besonnenheit auf Deine Festigkeit und Vorsicht zu verlassen. Du
glaubst nicht wie mir was Du sagst das Herz gehoben hat.
Mit rechter Lust mit ordentlicher Begier habe ich mir die
Bilder einer
verhängnißvollen Zeit
ausgemalt | 73v Dich immer an meiner Seite oder mich zu
Hause sehnsuchtsvoll empfangend wenn ich zurükkehrte von
irgend einem Geschäft das alle Kräfte aufgeregt
und in Anspruch genommen hatte. Liebes Herz es ist eine
herrliche Gabe Gottes in einer Zeit zu leben wie diese:
alles Schöne wird tiefer gefühlt und man kann es größer
und herrlicher darstellen. Ja auch wenn vom reinen Genuß
der Liebe die Rede ist will ich Dich lieber in die
Verhältnisse hineinführen als in irgend ein verborgenes
idyllisches Leben. Denn was kann die Liebe mehr
verherrlichen als wenn man so alles was es großes giebt in
der Welt mit hineinzieht in ihr Gebiet. Darum laß mich
dich fest umschlingen und an meine Brust drükken und mich
recht muthig und freudig in Dein tiefes liebes Auge hinein sehn und
mich fest saugen an Deine Lippen und so laß uns frisch und
selig allem entgegen gehn was da kommen kann.
Schleiermacher nummeriert diesen neuen Schreibakt
nachträglich als Brief Nr. 1 für das Jahr 1809, Vgl. Brief
.
[Schließen]
Sonnt. d 1t. Jan.
Und nun sei mir gegrüßt zum neuen Jahre geliebtes
Herz. Es ist das was uns ganz verbinden wird, das schönste
meines Lebens und mir ist als wenn nun auf
einmal alles weit näher getreten wäre.
Wir haben unsern Sylvester Abend weil wir fürchteten die Reimer möchte
grade in Wochen kommen über der Zeile
⎡
was aber nicht geschehen
ist
bei
Spaldings
zugebracht.
Es war nicht so schön als es
hätte sein können weil manche Leute da sein mußten die
nicht recht zu uns gehörten, unter anderm mußte ich Karten
spielen aber es war doch recht hübsch. Um dahin
zukommen mußte ich über den Christmarkt der
eben geschlossen wurde. Ich gab ihm noch einen zärtlichen
Abschiedsblik und dachte mit großer Lust dran daß er mich
übers Jahr noch weit mehr angehn würde als dieses Jahr
(Denn als wir unsere Sendung abschikten, war er noch nicht
aufgeschlagen, sonst wäre sie wol besser
ausgefallen)
Spaldings
und Karoline
Wucherer die sich deines Grußes sehr
erfreut hat haben mit mir angestoßen auf Deine
Gesundheit und ich bin viel viel bei
euch
über den ursprünglichen Text geschriebenEuch
lieben gewesen.
Möchte das erste Drittel des
Jahres nur unter recht rascher vielseitiger
Thätigkeit wie ich sie wünsche vergehn. Die Hofnung ist jezt wieder
lebendiger; der Himmel bringe sie endlich zur
Erfüllung.
Schleiermacher schrieb in diesen Briefen
sozusagen offiziell an die Vormünder der Kinder Henriette von Willichs,
vgl. Brief
und Brief
.
[Schließen]
Ob ich es nun nach Deinem Wunsch gemacht haben werde mit den
Briefen an Kathen und
Schlichtkrull das muß ich erst abwarten.
Du traust
mir so viel Gewandtheit zu in allen solchen Verhältnissen
aber das gilt wol mehr davon daß ich die Leute im
persönlichen Umgang recht zu nehmen weiß; aber Schreiben
in irgend einer Art von Geschäftssachen ist gar nicht
meine starke Seite. Als ich an Kathen schrieb besonders wollte
mich die Vorstellung nicht verlassen daß er an Briefen
entsezlich mäkelt und es an diesem besonders thun
würde.
Ehrenfried von Willich, vgl. Brief und Brief
.
[Schließen]Ich habe wirklich geglaubt Dir über Ehrenfrieds Kleider und über seine
Bücher geschrieben zu haben. Einen schwarzen Rok von
ihm zu tragen würde mich sehr freuen; aber den
Ueberrok laß Du Dir nur machen. Bücher wünschte
ich verkauftest du vor der Hand gar nicht wenn du
doch nichts dafür bekommst; ein Verzeichniß würde
Dir Mühe machen und könnte mir doch in vielen
Fällen nicht einmal helfen.
Und nun Lebewol mein trautestes Herzensweib, und sorge ja nicht um mich. Freilich wäre es schön wenn ich meine Schmerzen an Dich angelehnt abwarten könnte und mich von dir pflegen lassen. Aber das thue ich auch so. Küsse mir die Kinder recht väterlich. Ach ich sehne mich ganz einzig nach den lieben Würmern.
Charlotte Schleiermacher, vgl. Brief
.
[Schließen]
am linken RandVon
Lotte habe ich einen Brief; sie schreibt sie hätte
schon wieder einen Brief an Dich
angefangen.
am linken RandSchreibe ihr doch
auch.
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