Halle den 24ten Xb 08
Abermals eine unerwartete diesmal aber erwünschte Gelegenheit Ihnen
mein theuerster Schleiermacher zu schreiben. Röm 12,20 [Schließen]Ich sammle glühende Kohlen auf Ihr
Haupt, werden Sie nicht endlich daran denken sie zu löschen?
Ihr Stillschweigen könnte mich beunruhigen, wüßte ich nicht
daß Sie wahrscheinlich vom französischen „pariade“ für
Balz, Balzverhalten [Schließen]Pariaden haben und Sie nun einmal nicht schreiben. Ich erwarte viel von
Ihnen theuerster Freund, nehmen Sie Sich eines armen
verlaßenen an, wenn Sie jetzt nichts erfahren so geschieht
es nie. Ich kann Sie recht beneiden da mir jetzt so alles
abgeht.
Steffens ist vorgestern mit Frau
und Kindern
nach Jena gereißt und
kömmt erst nach Neujahr wieder,
Sachanmerkung:
ich ... Pädagogium .] Vgl. Brief.
Strömm ... ja kennen] vielleicht der Norweger
Peter Henrik Strøm
oder sein jüngerer Bruder
Henrik Christian Strøm
, einer von beiden begleitete Schleiermacher und
Steffens möglicherweise auf die Harzreise, vgl., Simon Gerber „Die Harzreise
(1806)“, S. 137.
Strömm den] lies: Strömm den
[Schließen]ich höre
die
innre Naturgeschichte der Erde
bei ihm und da Sie sie gehört
haben brauche ich Ihnen nicht zu sagen
wie herrlich das ist leider besteht
sein Auditorium größtentheils | 39v
aus Nicht-Studenten wie z.B. Rienäcker
und ich, der junge Steltzer
, Keferstein, bisher auch noch
Strömm den Sie ja kennen
und ins künftige der D Meinicke vom
Pädagogium
.
Rienäcker ist
einige zaghafte hypochondrische Zufälle abgerechnet überaus
wohl und glücklich, er ist ein sehr
ausgezeichneter Prediger der selbst anfängt
einigen Beifall zu finden, wenn es ihm gelänge nach
Bernburg zu kommen wohin er strebt
korr. v. Hg. aus: Soso
würden wir hier einen großen Verlust erleiden und mit
allem gutem Willen würde ich ihn nur schwach ersetzen.
Seine Frau
entwikelt sich immer mehr und ist ein
recht liebes und tüchtiges Weib. Nun soll er sich auch heute noch über Sie freuen
denn da Caroline Wucherer [Schließen]
Karoline
Schleiermachers Verlobung [Schließen]Ihr Geheimnis gestern ihrer Mutter ohne Einschränkung mitgetheilt und diese es
auch sogleich mehreren gesagt hat so will ich auch nicht länger
zurükhalten was mir schon bisher schwer genug
geworden ist. Wann werden
wir denn auf die Hochzeit reisen können? | 40
Möglicherwiese Anspielung auf das in Brief angesprochene Engagement für das „Armenwesen“, was jedoch auch eine versteckte Sprechweise für politische Aktivitäten bzw. für die Bewaffnung der Bevölkerung sein könnte (l'arme franz. für Waffe). [Schließen] Eichhorn war in Steffens Abwesenheit an mich gewiesen und hat mir manches erzählt was Ihnen gewis Freude machen wird. Ich wünschte allerdings daß Ihr wohlthätiger Zwek bald erfüllt würde, von hier aus würden die Beiträge wenn auch nicht von der bemittelten Klasse am meisten, doch von der geringeren hoffentlich nicht unbedeutend ausfallen. Nur fürchte ich der Winter, der ohnedies streng zu werden droht wenn man den Nachrichten aus sonst milden Gegenden trauen darf, vergeht in Sammeln und Wünschen und die Hülfe kommt zu spät. Die Zahl der Armen ist hier ungeheuer, man denkt hier immer nur daran der augenblicklichen Noth abzuhelfen, es giebt aber so manche rüstige Arme darunter denen durch Beschäftigung wozu sie sich ungezwungen verstehen würden gewis mehr geholfen wäre. Leider drükt nur die Gegenwart von einem Regimente Franzosen hier und in der Gegend die armen Leute noch mehr. Indes hält nur der Eifer aus so kann manches zur Erleichterung unsrer und Ihrer Armen geschehen. Das Beste muß aber immer von den Regierungen ausgehen und der unsrigen | 40v kann man das Lob nicht versagen das ihrige redlich zu thun, auch fangen die Leute, selbst die sonst wohl nicht zum besten gesinnten an die Absichten der Regierung zu erkennen.
Wer unser neuer Unter Präfekt werden wird ist noch nicht bestimmt man nennt seit kurzem einen Herrn von Friedrich von Schele [Schließen]Scheel Müflings in Weimar Schwager, er war bisher Unter Präfect in Halberstädt .
Es freut mich ungemein zu hören daß Karoline beinahe täglich bei Ihnen ist, ich kann es nicht bergen das Haus ihrer Tante gefällt mir nicht besonders und sie selbst hat mir erzählt daß sie ehemals sehr mittelmäßige Geselschaft dort gesehen. Wenn sie nur nicht gar zu lange dort bleibt, Müflings Ankunft scheint mir noch sehr fern, er hoft den 28 oder 29ten von Königsberg abzugehen. Ich habe ihr noch nicht geschrieben weil ich in der That verlegen bin wie ich es machen sollte. Es ist eine recht fatale Lage.
Nun grüßen Sie recht ausdrüklich und herzlich Caroline Wucherer [Schließen] Karolinen von mir und Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny , von den Pfefferkuchen die sie geschikt habe ich auch einige bekommen, freuen Sie Sich im Feste, wozu ich noch mancherlei zu thun habe, ich predige beide Feiertage. Antworten Sie ja bald und gut.
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