Sonntag d. 18t. December 1808

 Adolf Schlichtkrull und Karl von Kathen waren die Vormünder der Kinder Henriette von Willichs und Schleiermacher schrieb ihnen in diesem Kontext, vgl. Brief *2996 und Brief *2995.  [Schließen]Süßeste Jette ich werde Dir heute nur ein Paar Worte schreiben können, indem ich Dir eine Einlage an unsern guten Schlichtkrull zuschikke. Weil ihr es wollt habe ich es nun auch nicht länger verschieben wollen. Ich habe auch an Kathen geschrieben, und so ist also dieses alles auf dem reinen. Es rükt doch immer einen Schritt näher der schönen Erfüllung. Heute sind es fünf Monate liebste Jette daß du einschlugst und Ja sagtest und eben soviel werden ohngefähr noch vergehn bis Du zum zweitenmal Ja sagst. Nun so eine schöne Zeit vergeht besonders schnell, das finde ich auch wol wenn ich zurücksehe. Doch vorwärts erscheint sie mir noch immer sehr sehr lang, aber auch weil noch so vieles in Ordnung kommen muß, aber wird nicht jeder Monat ebenso schnell vergangen sein? und dann bin ich bei Dir und dann bist Du bei mir, und nichts soll uns wieder trennen, es müßten solche kleine nicht zu hindernde Trennungen kommen die uns die gegenwärtigen Zeiten wieder vergegenwärtigen. Manchmal aber wenn ich so träume, und so auch jezt wieder regt sich plözlich eine Stimme in mir die mich schauderhaft auslacht über meine Zuversicht und mich fragt ob ich denn wagte in dieser Zeit ein ruhiges ungetrübtes Leben zu hoffen. Aber sie erschrekt mich doch nicht, und das will sie auch gewiß nicht; sondern ich drükke mich dann recht fest an meine tapfere muthige Jette und trage sie durch alle Stürme glüklich durch und freue mich ihrer noch auf eine andere größere Weise. Ja süßes Kind wissen kann niemand wie es wird! Es können noch schrekliche Stürme bevorstehen und besser sie kommen früher. Aber Ruhe oder Unruhe herrlich wird das Leben immer sein. Wenn Du erst mit mir von Rügen nach Stralsund fährst, dann wirst Du in alle Schiksale des festen Landes mit verwikkelt, und keine andere Haltung und Sicherheit hast Du als mich und meine Brust. Kannst Du | 67v Dir wol denken was für ein herrliches Gefühl mir das giebt? und wie ich in diesem, ja ich möchte sagen nur durch dieses meiner selbst aller meiner Kräfte und ihrer richtigsten Anwendung so ganz sicher bin? Wenn ich dich so leicht durch ein leises Wort aufrege wie mag ich Dich durch dieses aufregen? Gewiß doch auch nur kräftig vertrauungsvoll, gefaßt und in Liebe ergeben. Du sagst es ja so unaussprechlich hold daß du ganz mein bist. Glaube mir aber nur daß wie ich Dich zu allem Schönen führe so ich auch recht innig fühle daß Du mir dasselbe thust. Aber die wenigsten Menschen verstehen sich wol recht auf die Liebe, und wie Du [sie] mir stärkend und anregend versprachst auch bei solchen Geschäften und Gedanken die dem unmittelbaren weiblichen Kreise am fernsten zu stehn scheinen das möchte vielleicht fast niemand glauben. Ich könnte aber auch nur in einer Zeit leben und gedeihen wo man anfängt die Weiber zu erkennen, und was ich nur kann habe ich schon immer beigetragen und werde es noch immer mehr thun diese Zeit weiter zu fördern.

 Vgl. Brief 2966, 5 – 8. [Schließen]Deine erste Reise nach Stralsund hat mich recht ergriffen; ich hatte mir das nie so recht bedacht daß es die erste wäre, daß du den Ort noch nie wieder gesehn hast als von fern. Liebe Jette ich habe manch liebes mal mit schweren Herzen unter den Fenstern eurer Wohnung gestanden, hinein gehn aber wollte ich nie. Aber weit leichter entwolkter heiterer war mir zulezt, und so rechne ich darauf daß auch Du dort ganz vorzüglich die Einheit Deiner Vergangenheit und deiner Zukunft,  Ehrenfried von Willich [Schließen] Ehrenfrieds Zustimmung zu unserm Bündniß und seine Verherrlichung in unserm Herzen und unserm Leben wirst gefühlt haben. Laß dich nur icht angrausen von den Bildern der Zerstörung!  Vgl. Brief 2966 und wohl Brief 2976. [Schließen]Es ist sonst noch vieles in Deinen lezten beiden Blättern, worauf ich dir antworten muß aber nächstens sonst versäume ich heute die Post mit meinen Briefen an Schlichtkrull und Kathen .

 Sophie Schlichtkrull und Luise von Willich [Schließen] Grüße Sophie und Luise aufs herzlichste. Und die Kinder umarme mir recht zärtlich. Mich ärgert nur der vergessene Pfefferkuchen ich schikte so gern noch welchen nach wenn er nun nicht doch zum recht Kinderfest zu spät käme. Ach schreibe mir nur ja bald und recht viel vom Weihnachtsabend. Süßes treues Herzensweib muß ich denn schon wieder fort? alle Worte abbrechen und alle Küsse in einen einzigen zusammenlaufen? Wenn Du dies liesest hast Du ja die Zeichnung schon; wie mag sie Dich nur ansprechen?

 Sachanmerkung:

Das ... gegrüßt hast.] 
Vgl. Brief 2966, 48.

Tante] offenbar eine unverheiratete Tante des verstorbenen Ehrenfried von Willich
 [Schließen]
Das ist recht schön von dir wenn Du mir die gute alte Tante recht herzlich gegrüßt hast.
 Vgl. Brief.  [Schließen]Du hast mich einmal erinnert ihr zu schreiben,  am linken Rand von Bl. 67 [Schließen] es ist mir ganz ins Vergessen gekommen. Schelt mich nur recht tüchtig

Zitierhinweis

2997: An Henriette von Willich. Berlin, Sonntag, 18. 12. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006826 (Stand: 26.7.2022)

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