D 12t. Dec. Abends.

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Wir kommen eben von Garz zurück, recht durchgefroren denn wir fuhren auf dem Schlitten in der schrecklichsten Kälte. Pistorius war so leidlich wie ich ihn  lies: lange [Schließen]lage nicht gesehn habe,  Charlotte Pistorius [Schließen] Lotte war wieder nicht ganz frei von kleinen Uebeln doch sonst recht heiter. Wie sehr hast du Recht daß die Lotte etwas ganz eignes belebendes und erfrischendes hat.

So kalt es auch in meiner Stube ist muß ich doch noch mit Dir plaudern mein Herzensmann denn morgen mag wohl nichts daraus werden; wir wollen morgen versuchen ob wir in die Stadt kommen können welches heute des vielen Eises halber unmöglich war. Weil Du es auch am liebsten so magst daß ich immer schreibe was mir in die Feder kommt und nichts ändere und nichts zurückbehalte so mußt Du auch recht freundlich übersehen wenn ich mich bisweilen so ausgedrückt daß es sonderbar klingen könnte – und in dieser Zuversicht schicke ich Dir auch  Vgl. Brief . [Schließen]das gestern geschriebene Blatt. Johanna Steffens, vgl. Brief . [Schließen] O Ernst das wäre ja herrlich wenn Steffens auch nach Berlin kämen, wie wollte ich Dir die Nähe des Freundes gönnen! und ich zweifle gar nicht da Du glaubst daß Hanne an mir Geschmack gewinnen könnte, daß es mit uns Frauen auch recht rege und schön werden würde.  Vgl. Brief . [Schließen]Alter süßer Ernst und ich soll immer freien Zutritt in Dein | 86v Zimmer haben? wie ist das köstlich! wie lebhaft kann ich mir schon alles denken – Ach wird Dir auch wircklich so wohl sein wenn ich um Dich bin wenn Du mich in Deinen Armen hältst als Du es Dir nun träumest? ich weiß es ganz gewiß wie mir sein wird denn ich rufe nichts hervor sondern erwarte wie es stille vor mir hintritt bald dieses bald jenes süße Bild seeliger Momente. Henriette Herz [Schließen] Große Jette und  Sophie Schlichtkrull [Schließen] Sophie haben aus einem Munde gerufen ich solle Dir schreiben das Fluchen müssest Du Dir abgewöhnen, ich hatte sonst schon bei mir gedacht daß ich Dir meine Erlaubniß ertheilen wollte, aber ich bin ein gehorsames Kind und so habe ich sie Dir hiermit rund abgesagt. Mir ist es eigentlich gar nicht fatal.

 Sachanmerkung:

Höre ... mein Ernst.] 
Vgl. Brief .

Ich ... Thiergarten wohnten] Vgl. Brief .
 [Schließen]
Höre das bitte ich mir aus daß du das hübsch beibehältst jungen niedlichen Mädchen die Cour zu machen das ist mir ernsthaft fatal wenn die Männer wenn sie heirathen augenblicklich so ehrbar werden daß sie sich gar nicht weiter um andre Frauen kümmern damit geht viel von dem lieblichen geselligen Verkehr verloren. Hörst Du Ernst? daß ich niemals eifersüchtig werden kann weiß ich doch schon im Voraus. Ganz bin ich mit Dir einig lieber Ernst daß viele und entbehrliche Sachen mehr zur Last sind als zur Bequemlichkeit dienen. Laß es lieber noch etwas währen bis wir vollkommen eingerichtet sind | 87 als daß Du jezt so viel Geld ausgiebst in dieser drückenden Zeit. Ich dächte wenn wir im Thiergarten wohnten brauchten wir auch nur recht wenig Sachen zum Winter möchte es dann schon anders aussehn und wir mehr anschaffen können. Die Bettstellen werde ich hier lassen mein Ernst.

 Vgl. Brief . [Schließen]Du böser Mann hast mir das gar nicht gesagt daß Du nach der Dessauer Reise nicht wohl gewesen bist, Du mußt mir ja nichts verschweigen,  Vgl. Brief . [Schließen]mit meinem Zahnweh ist es glücklich vorübergegangen, die Recepte hast Du vergeßen. Unsere  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinderchens leiden noch immer an etwas Husten und starkem Schnupfen sonst sind sie sehr heiter die Jette wird immer lieblicher und wie mich dünkt artiger, sie spielt sehr niedlich, besonders ist sie oft gewaltig redselig was ihr allerliebst kleidet. Der Junge ist mir etwas abtrünnig. Mama war ihm sonst die Erste und Einzige auf der Welt das ist anders er zeichnet mich wenig oder gar nicht aus, mir thut es ordentlich ein bischen leid, es ist gar zu süß wenn so ein holdes Kind sich sehnt an unserer Brust besonders einzuschlafen, von uns das ihm angenehme zu empfangen Gar zu früh sind die kleinen Dinger wach schon oft um halb 5.  Luise von Willich  [Schließen] Louise die gerne früh aufsteht nimmt sie dann zu sich ins Nebenzimmer und ich genieße dann | 87v noch der Ruhe gewöhnlich bis gegen 7. Ein kleines Leiden ist es mir ordentlich daß ich seit einiger Zeit so fest schlafe daß Louise mich öfters wecken muß wenn die Kinder weinen. Ich hatte wie die Kinder klein waren den losesten Schlaf und es ist mir etwas empfindlich mich so wecken lassen zu müssen und daß ich meine Kinder nicht selbst höre – Aber was soll ich machen?

Mit Louisen geht es mir im Ganzen immer recht gut aber vermeiden kann ich es denn auch nicht daß sie nicht öfter empfindlich auf mich wird – ich kann es wirklich nicht vermeiden. Uebrigens weiß ich doch gar nicht wie es hier gehen soll, denn sie kann sich mit Schlichtkrull gar nicht vertragen, es giebt alle Augenblike kleine Anzüglichkeiten. Gewiß es ist schwer immer in Schlichtkrulls Nähe zu sein, aber es ist auch dadurch wieder leicht daß man eben gar nicht mit ihm zu leben braucht sondern ganz seinen eignen Weg gehen kann und sich verschließt Eigenheiten die er hat zu schonen. Mir geht es ganz gut mit ihm obgleich ich mich nicht im mindesten gegen ihn anstelle. Lieber Ernst mit Louise wird es nicht gut es müße denn etwas ganz neues sich für sie finden oder sie etwas ergreifen was ihrem Wesen Harmonie bringen könnte, bei uns würde sie das Gefühl daß sie uns nicht nothwendig ist, auch nicht zum wohl sein kommen lassen das kenne ich schon. Gott thäte sich noch etwas für sie auf! Ich muß schließen meine Finger sind steif so kalt ist es – so süße gute Nacht mein Geliebter wie ich sie Dir tausendmahl sagen werde bin ich erst bei Dir –

Zitierhinweis

2980: Von Henriette von Willich. Poseritz, Montag, 12. 12. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006809 (Stand: 26.7.2022)

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