Pos. d 11t. Dec. Abends

24

Eben sind unsere lieben Götemitzer wieder von hier gefahren. Ich fühle mich hingezogen noch ein Weilchen mit Dir zu plaudern mein herrlicher süßer Ernst. Seit gestern Abend trage ich immer den Dank im Herzen ohne eine ruhige Stunde gefunden zu haben um ihn Dir zu sagen –  Vgl. Brief . [Schließen]den Dank für deinen lieben Brief der es ganz gut macht daß ich vorher vergebens hatte hoffen müssen. Ach süßer Mann wenn ich nur erst lebendiger ausdrucksvoller Dir meine Liebe meinen Dank – mein ganzes Herz aussprechen kann, als nur in den Worten auf dem Papier – ach Gott wie wird es göttlich sein! liebe traute Seele wie hat doch mir ein solches Glück werden können Dich mein zu nennen – und ich kann es doch so recht mit Wahrheit nennen das entzückende Wort mein – Du gehörst nun doch mir so eigen so einzig wie sonst Keinem auf der Welt wie sehr auch deine Freunde von Dir geliebt sind. Du hast also communicirt? ich wollte schon Dir vorschlagen mir einen Tag zu nennen – und trauerte nur daß das Äußere hier so gar nicht wohlthuend und dem Innern entsprechend ist – Ja mein Ernst aus deinen Händen das Heiligthum zu empfangen das wird mir unbeschreiblich rührend und herrlich sein! Du hast wohl Recht daß in unserer Sitte mehr das eheliche Verhältniß | 82v sich ausdrückt aber bei uns wird mir jene Weise viel lieber sein und es gehört sich ganz für unser Verhältniß und besonders für Dich Du Lieber mir Gottes Gnade zu verkünden mich zu segnen in seinem Nahmen – ist ja doch dein ganzes Dasein für mich nur Seegen nur Gnade und Du Frommer, Reiner, Priester Gottes! Ach mißverstehe es nicht wenn ich dir nicht weiter antworte auf das süße was Du noch sagst – die seelige Hoffnung die Dich bewegt – O mein Ernst ich kann kein Wort darüber sagen aber tief im Herzen fühle ich mich aufgeregt und die Wonne Thränen zum Auge drängen.

 Sachanmerkung:

Ich ... nicht unrecht.] 
Vgl. Brief .

Schwestern] Gemeint sind Sophie Schlichtkrull und Luise von Willich, die Schwestern des verstorbenen Ehrenfried von Willich.

Kindern] Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe

Nanny] Anne (Nanny) Schleiermacher
 [Schließen]
Ich will Dir nun gleich recht ernsthaft und ordentlich auf etwas antworten wovon Du nur scherzhaft sprichst nehmlich von unserer Hochzeit. Ich will mich nicht scheuen Dir zu gestehen daß alle meine Bedenklichkeiten und sorglichen und bänglichen Empfindungen sich fast ganz in mir aufgelöset haben ganz von selbst bloß von innen heraus. Du hast gewiß recht gut gemerckt was mich eigentlich am meisten zu jenem Wunsch brachte, wenn ich es Dir auch nicht sollte deutlich ausgesprochen haben welches ich mich nicht entsinne, nehmlich die Schwestern besonders, ihre Wehmuth und was für Empfindungen vielleicht daran hängen, und überhaupt die Freunde hier, mehr als der Grund von den Kindern . Ich fühle aber jezt daß es Schwäche von mir war hierauf so viel Rücksicht zu nehmen um den schönen Tag unserer Vereinigung der ja auch uns mit inniger Rührung erfüllen wird – gleichsam verstohlen heraus zu reißen. | 83 Nein Nanny hat ganz Recht wir müßen uns Alle mit festlich weißen Kleidern schmükken – und ich fühle es unserm heiligen von Gott gesegneten Bunde viel angemeßner unser ganzes schönes inniges Verhältniß nicht zu verstekken mir kam dies Wort so, verstehe es auch nicht unrecht.
– Mein süßer Ernst ich bin nun auf einmahl klar und fest daß es mir nicht schwer werden soll das Heilige auch schon hier unter den Freunden zu bekennen – nicht weiter schwer als wie es dem weiblichen zartfühlenden Wesen das immer sein wird – Mir ahndet daß obgleich Du mit solcher Güte in meinen ersten Wunsch willigtest es Dir lieb ist daß mir so zu Muthe geworden – Der Grund mit den Kindern ist freilich auch wahr doch das kann sich in 5 Monathe noch sehr ändern. Aber schon zu viel habe ich hiervon geredet – wärst nicht du es du Lieber gegen den mir doch so ganz traulich und offen zu Muthe ist.

Wie  Henriette Herz [Schließen] Jette Dir über unsere Hochzeit so gerathen so ist das wohl daraus entstanden daß ich ihr habe etwas merken lassen von meiner Bangigkeit. Aber bei  Charlotte von Kathen [Schließen] Lotten muß es ganz eigne Idee sein denn ich habe zu ihr noch mit keiner Silbe davon erwähnt, überhaupt noch gar nicht über den Tag gesprochen. Die arme Lotte war heute so traurig, wir waren allein da weinte sie und klagte daß sie oft unaussprechlich leide – ich | 83v weiß nicht was sie für Schmerzen hat, aber es scheint mir etwas recht bestimmtes und tiefgreifendes zu sein. Sie sehnt sich so die Arme dich nur eine Stunde zu haben. Dir würde sie sich anvertrauen aber schreiben kann sie dir es nicht. Ich kann mir wohl vorstellen wie es ihr nicht das sein kann wenn sie sich mir entdeckte als wenn sie es dir thäte da von dir ihr Trost und Klarheit kommen kann. Ich hatte vor einiger Zeit da ich sie traurig wußte einen Argwohn gegen Kathen , aber jetzt scheint es mir nach Lottens abgebrochenen Äußerungen ganz etwas anderes zu sein. Wie gönnte ich ihr den Trost ihr Herz dir auszuschütten! unsere arme liebe Schwester! Jette die mir heute meine Brief wieder brachte war gar sehr süß und herrlich –

Und nun gute Nacht mein Herzens Ernst und laß es dir noch einmahl zum Abschiede sagen daß ich Dich ganz unerhört lieb habe und Dir Mund und Wange zum innigsten Kusse biete – ich sagte dir noch gerne viel liebes und süßes – aber ich will nun doch kein Wort mehr – du weißt es ja alles – | 84

Von unsern süßen Kleinen möchte ich Dir recht viel erzählen sie machen mir gar zu viel Freude und wie sehe ich sie schon immer im Geiste mit Dir an Deiner Hand – ach Ernst  korr. v. Hg. aus: daßdas wird doch meine gröste Lust sein Dich und die Kinder so innig verbunden zu sehen – ja mit  Ehrenfried von Willich (d. J.) [Schließen] Friedle wirst Du wohl eine eigne Wirthschaft treiben und glaube nur mit dem Jungen wird etwas anzufangen sein, er entwikkelt sich jezt sehr. Wenn ich  Henriette Pauline Marianne von Willich [Schließen] Jette zählen lasse oder ihr Buchstaben und Worte nachsprechen lasse, so ist er auch gleich da und ruhet nicht eher bis ich ihn auch etwas sagen lasse. Hübsch ist er aber nicht im geringsten obwohl Louise das immer behauptet. Vertragen können sie sich so ziemlich, sie versetzen sich oft eins aber es folgt immer von selbst die allerzärtlichste Aussöhnung darauf, wie süß es ist wenn sie einander liebkosen das ist nun gar nicht zu sagen.  Vgl. Brief . [Schließen]Höre süßer Ernst wie kannst du nur so was aussprechen von in die Kammer verbannen – lieber lieber ich wünsche und will ja nichts als was du auch wünschest und Dir das liebste ist. Es ist ja auch noch so lange hin, der Friedle kann auch noch ruhiger werden und noch üble Gewohnheiten ablegen woran ich ernstlich arbeite und es soll mir auch nicht schwer werden wenn es nicht anders geht | 84v Nannyn ein Kleines abzugeben. Du magst dich doch gewundert haben eben weil es noch so lange hin ist daß ich schon hiervon geredet – aber ich bin so daß wenn ich in etwas viel lebe wie nun jezt in dem künftigen Leben ich gleich alles muß in Ordnung haben und ich nicht gerne dulde etwas dunkles und ungewisses wenn es von der Art ist daß es mich beklemt. Es stört mir dann den reinen Vorgenuß alles übrigen Schönen in meiner Phantasie, daß ich nun deinen Sinn so gewiß nicht kannte und mir daher noch etwas unruhig und beklemt war das mein Ernst ruht vielleicht in etwas vergangenem, worüber ich dir nicht schreiben kann. Ich danke dir nun so innig mit dem zärtlichsten Danke daß du alles so aufgenommen und es beruhigt mich unendlich daß du dich nicht weiter durch mein freies aussprechen gestört gefühlt hast, und da Du mir das sagst ist es auch gewiß recht wircklich wahr. Ich bin nun so ganz ruhig über alles und lasse es nun ganz ruhen denn ich weiß wenn die Zeit komt wird sich alles machen wie es am Besten ist und wir werden in allem ganz eins fühlen ohne weiter uns verständigen zu dürfen in viel Worten. Wie ich hier so stehe unter den Schwestern mit ihrer wircklich weichlichen Empfindung ihren ich möchte es nennen oft tändelnden Schmerze, kannst du dir das recht vorstellen – | 85 wie gerecht ist ihr Schmerz und ihre Wehmuth aber er ist auch immer fort durch das Kleinste rege. Ich wage es noch recht selten in Sophiens Gegenwart Jetten von Dir zu reden –  Marianne von Willich [Schließen] Marianne ist am stärcksten und mit ihr habe ich gerne recht viel von Dir geredet.

Ach glaube mir Ehrenfrieds Bild ist mir oft so erstaunlich lebendig und ich kann mich so innig nach ihm sehnen nach dem Gefühl seines Seegens seiner fortdaurenden Liebe. Aber der eigentliche Schmerz ist geschwunden vor der Fülle von Seegen und Glück, und die Liebe zu Dir hat meine ganze Seele eingenommen. Ach Ernst bisweilen ist mir als möchte ich deine Kniee umklammern, so mischt sich Demuth und Gefühl der Unwürdigkeit mit Liebe und unaussprechlicher Verehrung.

Ich habe eine innige Sehnsucht es immer wieder von dir zu hören daß du mich liebst – liebst im ganzen Umfang des Wortes – denn ich kann es immer noch nicht fassen Du Herrlicher und ich Armseelige. Wie süß ist dein lieber Brief wie hat er mich gerührt welche Sehnsucht nach dir in mich geweckt.  Ich hatte Jetten noch Briefe von dir vorenthalten, gestern aber habe ich ihr alles gebracht und auch deine lezten und obwohl mir einen Augenblick | 85v schwerherzig war daß sie nun auch alles wissen würde was ich dir geschrieben habe, so konnte ich es doch nicht gut lassen sie in alles einzuweihen.  Vgl. Brief . [Schließen] Eigentlich finde ich es sehr natürlich was die Steffens schreibt denn wenn Jette mich nicht auch so liebte wie ich glaube  korr. v. Hg. aus: dasdaß sie es thut und nicht so schonend und milde wäre bei ihrer Ueberlegenheit wie sollte ich wohl neben ihr bestehen, wie könnte mich doch eben diese Ueberlegenheit niederdrücken doch nun ist es ganz schön, so herrlich und himmlisch und mir ist doch auch eigentlich gar nicht bange denn ich weiß Jette wird mit Liebe mich zurecht weisen wenn sie mangelhaftes findet und ich werde immer mit kindlichem Vertrauen an sie als mütterliche Freundin hangen – Eben trägt mir Jettchen auf ich soll Dir sagen sie ließe Dich grüßen und Du möchtest bald herkommen und ihr einen Bonbon mitbringen es sind ihre eignen Worte. Viele Grüße von Sophien und Louisen, schreibe auch bald wieder der leztere.  Vgl. Brief oder Brief .  [Schließen]Hast du nicht auch ein Zettelchen von ihr an Deinem Geburtstage erhalten. Herzens Mann lebe wohl und laß mich bald wieder so süße Worte von Dir hören.

Deine Jette.

Zitierhinweis

2976: Von Henriette von Willich. Poseritz, Sonntag, 11. 12. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006805 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.