Sonntag d 27t. Nov.

No 25.

 Vgl. Brief . [Schließen]Du hast wol heute nicht communiciren können liebes Herz? Nun ich war wenigstens ganz Eins mit Dir im Geiste, und dachte Dein aufs innigste. Ich betete für uns beide und war in einer recht heiligen erhobenen Stimmung. Gepredigt hatte ich über den  Lk 1,46-55. Die Predigt ist nicht überliefert, vgl. KGA III/1, S. 832. [Schließen]Lobgesang der Maria recht zu meiner Zufriedenheit wiewol ich fast nur die Morgenstunden zur Vorbereitung gehabt hatte. Oft geht es dann am besten wenn nur nichts vorhanden ist was mich stört. Liebste Jette ich freue mich innig der Zeit wenn Du das Heiligthum aus meinen Händen empfangen wirst denn so ist es bei uns, nicht daß wir gemeinschaftlich hinzu nahen. Lezteres hat freilich auch etwas sehr schönes; es drückt sich der eheliche Verein deutlicher aus an der heiligen Stätte. Aber jenes wird Dir gewiß auch einen eignen Eindruk machen wenn ich unmittelbar als der Verkündiger der Gnade vor Dir stehe. Jette und wenn dann eine Zeit kommt wo Du ein Pfand unserer Liebe unter Deinem Herzen trägst und ich dieses dann gleichsam zugleich mit den himmlischen Gütern speise – wie wird mir dann erst sein! Gott! manchmal ist mir noch als könne ich so glüklich nicht sein, als würde doch etwas fehlen müssen.

 Vgl. Brief von Luise Reichardt und Brief von Johanna Steffens. [Schließen] An meinem Geburtstag haben noch zwei liebe Freundinnen an mich geschrieben, Hanne Steffens und Luise Reichardt ihre ältere Schwester.  Vgl. Brief . [Schließen]Ich besinne mich eben daß ich Hannes Brief schon erwähnt habe. Siehst du nun bekommst du auch etwas zweimal zu hören. In Hannes Brief sprach mich die Hofnung des Zusammenlebens mit uns recht lebendig an. Ich habe Dir wol von Steffens gesprochen wie erstaunlich lieb ich ihn habe, aber das weißt Du wol nicht wieviel er mir für meinen ganzen Wirkungskreis werth ist, wie auch in Beziehung auf die jungen Leute die wir zu bearbeiten haben wir Beide ganz nothwendig zusammen gehören, und wie er selbst mich mehr als irgend jemand belebt und weiter bringt.

Montag d. 28t.   Es handelt sich um Brief , der später als Nr. 18 gezählt wurde. [Schließen]Da wurde ich gestern unterbrochen, und nun meine süße Jette habe ich deinen lieben herrlichen Brief No 17 für den ich dir ganz rasend danke ohnerachtet er so fatal und unausstehlich lang ist. Nein so lange Briefe zu schreiben, wie kannst du dich das nur unterstehn? wie kannst Du deinem vielbeschäftigten gelehrten berühmten Mann zumuthen acht Blätter voll ganz unbedeutende Dinge hintereinander zu lesen und das mehr als einmal? Denn das kannst du doch denken daß ich mich mit einem Mal nicht begnügen würde und wenn er noch viel länger wäre. Gott was möchte ich dir die lieben Finger abküssen für all das liebe zärtliche süße Schreiben. Und ich hatte heute nicht einmal ganz sicher gehofft einen Brief zu bekommen – Nun ist freilich gar keine Möglichkeit daß ich heute noch den Brief sollte fortschikken können denn ich bin von allem | 56v Lesen und sonniger Freude über das Gelesene nicht zum Schreiben gekommen. Aber ich weiß das macht dir eben so viel Freude und du läßt dir schon gefallen daß der Posttag übergeschlagen wird, und es thut Dir deshalb nicht leid daß du mir soviel zu thun gegeben hast. Einzige Jette was für ein lieber reicher prächtiger Brief. Nun denke Dir wenn wir das alles zusammen geplaudert hätten meine Antworten dazu, und dann die Küsse dazwischen und das süße Schweigen. Und so soll doch manch schönes liebes Stündchen verplaudert werden. Nun habe ich nur noch einen Augenblik Zeit und in dem kann ich auch nur eine Kleinigkeit abmachen.

 Vgl. Brief , in dem Henriette von Willich auf poetische Briefe Hasselbachs eingeht. [Schließen] Was für eine Miene Du machen sollst zu meiner Frage wegen der poetischen Briefe? Du kleiner Narr! entsezlich lachen sollst Du und höchstens sollst Du mich auf den Mund schlagen oder auf die Finger. Sieh doch! ich war da in meiner besten Laune von Spaß und moquire mich ein wenig über die Leute die die Feder nicht eintunken können ohne etwas vortreffliches heraus zu drechseln und die wird mir da empfindlich! Ich denke sie soll mir bloß antworten: Ach mein lieber Ernst keine poetischen Briefe und wenn sie noch so hübsch wären, ziere Dich nur ja nicht sondern so rasch wie möglich aus dem Herzen durch die Feder aufs Papier denn was ist wol rascher und unbekümmerter und bequemer als die Liebe. So wünschte ich solltest Du antworten – aber wenn ich es recht beim Lichten besehe hast Du das ja auch gethan mein süßes Kind; denn Du sagst ja daß Du es selbst so machst und daß Du es nicht anders kannst. Poetische Phrasen werden also nicht viel vorkommen in unserm Haushalt merke ich wol; statt dessen wirst Du Dich gewöhnen müssen zu leiden daß ich manchmal recht tüchtig fluche. Oder magst Du das gar nicht, und soll ich mirs abgewöhnen? ich will wol; ich fürchte nur das Leben wird dann gar zu nüchtern aussehn nach außen. Einerlei müssen doch die Leute wissen daß es im Hause giebt eine Conditorei von Sentimentalität oder Pumpernikel von Kraftausdrükken. Aber Deinem Geschmakk will ich Ehrenerklärung geben – Die Briefe mögen recht schön gewesen sein von Hasselbach und würden sich in einem Roman herrlich ausgenommen haben aber nur so aus dem täglichen Liebeleben heraus an die Geliebte würden sie mir nicht gefallen glaube ich. – Aber in was für thörichtes Geschwäz bin ich da hinein gekommen! und nun muß ich mich wahrhaftig anziehn, damit ich wie ein fleißiger Schüler fein zur rechten Zeit ins Collegium komme. Nur noch einen flüchtigen Kuß raube ich Dir und dann fort. | 57

Dienstag Der Posttag ist wirklich übergeschlagen! es war mir doch ganz wunderlich dabei zu Muthe weil ich es seit so langer Zeit nicht gewohnt bin; aber es ließ sich gar nicht anders thun. Wenn das Glük irgend gut ist sollst Du dafür einen desto größeren Brief bekommen, denn ich werde mich nun doppelt gedrungen fühlen Dir alle Tage wenigstens etwas zu schreiben. Gestern Abend waren wir bei Gass, wir hatten es schon öfters abgeschlagen und mußten endlich einmal hingehn. Nun denke Dir als wir schon eben weggehn wollen erbarmen sich die drei Leute über mich Gass seine Frau und Minchen Nanny und schelten mich recht tüchtig aus zuerst darüber daß ich allen hübschen Mädchen etwas zu sehr die Cour machte doch das war nur ein weniges und sie überzeugten sich bald daß sie hier nicht viel ausrichten würden; hernach aber über die bisherige schlechte Einrichtung meiner Wirthschaft, daß von allem nöthigen Küchengeräth und ich weiß nicht was alles nichts dabei wäre, und die arme Nanny sich unerhört plagen müsse und daß das alles ganz anders werden müßte. Und Nanny erklärte grade heraus, wenn acht Tage nach unserm Einzug in das Kanonierhaus die Küche nicht in ordentlichem Stande wäre so ginge sie zum Hause heraus. Ich gab ihnen dann immer neuen Stoff und schürte zu so daß sie es trieben bis Mitternacht und Nanny ganz heiser nach Hause kam. Was denkst Du Dir nur dazu einzige Jette? Ich erklärte immer dagegen daß wenn die Küche würde mit unnüzem Staat behangen sein wie eine ehrsame Bürgersfrau würde ich alles zum Fenster hinauswerfen. Das ernsthafte daran ist nun daß ich bis jezt an eine vollkommene Einrichtung gar nicht habe denken können, wenn ich nicht anderes was Nanny eben so gut als mir weit lieber war hätte aufgeben wollen; theils wollte ich auch nicht denn Nanny war mir ja doch kein sicherer Besiz, und sobald sie mich einmal verlassen hätte wäre ich ja wieder zum eingeschränktesten Garçonleben zurükgekehrt.  Aber im Ganzen ist es doch auch der Stil den ich am meisten liebe im häuslichen Leben, sich so wenig als möglich mit Sachen zu behängen, und jedes Stük Hausgeräth was nur alle Jahre einmal gebraucht würde wäre mir eine Art Gräuel. Ich denke ohngefähr so denkst Du auch; aber freilich was nöthig ist und bequem, davon wünschte ich daß uns so wenig fehlte als möglich. Nun ich bin nur neugierig woher der liebe Gott alles Geld schikken wird was wir noch nöthig haben um uns in ordentlichen Stand zu sezen! finden wird es sich schon, davor ist mir nicht bange. Deiner Sachen wegen liebe Jette bist Du gänzlich Herrin was Dir davon lieb und werth ist mitzubringen, in so fern es nur Plaz hat im Kanonierhause.  Sachanmerkung:

Die ... Poseriz finden;] 
Vgl. Brief .

solltest] lies: hattest
 [Schließen]
Die Zeichnung solltest du beim Abgang Deines lezten Briefes noch nicht sondern wirst sie wol erst in Poseriz finden;
was wir nun für das Haus schon haben wird Dir große Jette ziemlich genau sagen können, und was ihr beide beschließt wird schon recht sein. Gassens meinen, Transport zu Wasser sei nicht theuer, und sie sollen uns hernach die nöthigen Anweisungen und Adressen geben.  Vgl. Brief . [Schließen]Wegen der Bettstellen liebste süße Jette folge du ganz Deinem Gefühl. Du solltest gleich grade heraus Nein gesagt haben. Das schrekliche Bild der Zerstörung soll dir so nicht immer gegenwärtig sein! ich hatte daran nur gar nicht gedacht. | 57v

Abends. Ich muß ja doch noch ein freundliches Wörtchen mit Dir kosen mein liebes Herz ehe ich zu Bette gehe.  Vgl. Brief . [Schließen]Also bist Du wirklich bisweilen später auf als ich glaube? Das mußt Du aber nicht thun Liebchen es wird Dir nicht taugen denn die  Kinder des Ehrenfried und der Henriette von Willich [Schließen] Kinder wekken Dich doch wol des Morgens zeitig genug, und wenn Du zu wenig schläfst kommst Du mir von Kräften. Ich habe ohnedies den Verdacht daß wenn Du Dir bisweilen dumpf vorkommst oder Du unzufrieden mit Dir selbst bist darin viel körperliches ist. Gieb nur recht Acht darauf ob es nicht mit irgend einem körperlichen Zustande zusammenhängt. Vgl. Brief . [Schließen] Liebe Jette sei nicht bange ich sorge schon für meine Gesundheit, und es macht mir Freude denn ich denke dabei immer an Dich und wenn mir so recht jugendlich frisch auch dem Körper nach zu Muthe ist freue ich mich ordentlich daß ich mich noch neben Dich stellen kann troz der achtzehn Jahre die ich voraus habe. (Dabei fällt mir ein wie es ganz schändlich ist daß ich weder Dein Geburtsjahr noch Tag genau weiß diesem Mangel mußt Du nächstens abhelfen.) Aber recht nach meiner eignen Weise sorge ich für meine Gesundheit und Du mußt Dir nicht bange sein lassen wenn Dir die manchmal etwas wunderlich vorkommt. Auf der Rükreise von Dessau hatte ich mich in der Nacht, es war sehr kalt für die Jahreszeit und wir fuhren auf ofnen Postkaleschen und waren fast gar nicht bedekt ganz entsezlich erkältet, so daß ich drei Wochen an großer Magenschwäche litt und jedesmal wenn ich mich unfreundlicher Luft aus sezte bedeutende Schmerzen bekam. Wie habe ichs gemacht? ich habe sehr regelmäßig medicinirt um den Magen wieder zu stärken, aber ich hab auch keinen Tag die Luft gescheut und mich nicht anders gekleidet als wie ich es bei voller Gesundheit thue. So habe ich das Uebel überwunden, ohne mich im geringsten zu verweichlichen und kann noch jezt bei der sehr scharfen Kälte die wir haben ohne Spur einer unangenehmen Empfindung im einfachen Frak ohne Ueberrok spazieren gehn und in kalten Zimmern sizen. Ich glaube das ist das Mittel um achtzig Jahr alt zu werden wenn Gott Segen giebt und der Körper irgend Kern hat. Wenn Du Dir Husten und Schnupfen holst auf der Reise, daraus mache ich mir gar nichts, wenn der Husten von ganz gewöhnlicher Art ist; aber Zahnschmerzen mußt Du nicht haben. Ich werde Dir das Recept zu meinem Zahnpulver beilegen  Doppelung, muss getilgt werden [Schließen]und außerdem noch das Recept zu meinem Zahnpulver beilegen und außerdem noch das Recept zu einer Tinctur zum Mundausspülen Morgens so wohl als nach Tisch. Dadurch sollst Du bald Dein Zahnfleisch so stärken daß Rheumatismen wenn Du sie einmal haben mußt sich nicht mehr dahin ziehn. Sieh nur auch ja bei den Kindern recht auf die Zähne laß sie keinen rohen Zukker essen, und sich den Mund nie mit ganz kaltem Wasser reinigen.  Vgl. Brief . [Schließen] Daß Henriette so leicht fiebert taugt doch gar nicht und wir müssen das aus ihr heraus bringen wenn wir erst hier sind. –  Vgl. Brief . [Schließen]Das ist aber eine sehr niedliche Eigenschaft die Du von Dir rühmst daß Du gleich wieder einschlafen kannst, ich hatte schon kleine Sorgen darum wie es werden würde. Nun sollst Du gewiß niemals ungeküßt bleiben mein herzensliebes Weib und wachst Du dann auf und küßt wieder und sprichst ein Paar Wörtchen auch halb im Schlaf so giebt es ja keine schönere gute Nacht in der Welt. Ob ich Dir auch nur ganz über alle Maaßen gut bin! ich glaube doch gar nicht daß es etwas drüber giebt | 58

Mittwoch Abend. Schon wieder ist der ganze Tag hingegangen ohne daß ich Dir habe schreiben können und es ist nur eine gute Nacht die ich Dir bringe. Viel Besuche haben wir den Vormittag größtentheils genommen und den Abend waren wir aus.  Schleiermacher las im Wintersemenster 1908/09 über Dogmatik (Glaubenslehre), Theorie des Staates, christliche Sitte und Hermeneutik (allgemeine Auslegungskunst). Laut Tageskalender fielen sowohl die Vorlesung zur Dogmatik als auch die Vorlesung zur christlichen Sitte auf einen Mittwoch, am 30. 11. 1808 erwähnt Schleiermacher im Tageskalender lediglich die Dogmatik. [Schließen]Zwischen Mitttag und Abend ist aber jezt nichts als das kleinste Schläfchen das Nachsinnen über das Collegium was ich grade heute sehr gründlich treiben mußte und das Collegium selbst. Auch wegen der Störungen freue ich mich sehr auf das Kanonierhaus denn da will ich es recht streng halten mich zu gewissen Zeiten vor jedermann verleugnen zu lassen. Niemand soll dann Zutritt in meine Stube haben als Du liebe um mir die Arbeit zu versüßen und bisweilen ein Kind. Aber so wenig ich schreiben konnte so habe ich doch eine ganze Zeit fast nichts gethan als an Dich gedacht. Ich mußte auf Bitte eines Freundes sizen und mich zeichnen lassen ich weiß nicht für wen in Königsberg . Als Richtpunkt für meine Augen hatte ich vor mir eine sehr gute Copie von dem herrlichen Johannes in der Wüste von Rafael den Du vielleicht aus einem Kupferstich kennst. Das Bild stimmte mich zu einer ernsten schönen Andacht,  Sachanmerkung:

und ... Positiv begleitet.] 
Vgl. Brief .

wolle ... verbunden hat.] Mt 19,6
 [Schließen]
und weil mir dabei einfiel was Du mir schreibst von der Erhöhung des religiösen Gefühls durch die Kunst so dachte ich eben immer auch ganz an Dich und Du warst mir aufs lebendigste gegenwärtig. Liebe sei ja nicht bedenklich, und wolle nicht scheiden was Gott selbst aufs innigste verbunden hat. Religion und Kunst gehören zusammen wie Leib und Seele. Wenn Du rein von innen heraus im höchsten Grade erregt bist so strömst Du bei Deiner musikalischen Anlage gewiß aus in Gesang und so ist auch in der Kirche Gesang und Musik das Band und das Pfand der gemeinsamen Erregung, und eben die Gemeinschaft erhöht ja natürlich das was in jedem Einzelnen vorgeht. Es würde mir ordentlich traurig sein wenn Dir Musik und Gesang in der Kirche gleichgültig wären und Du irgend glaubtest dasselbe haben zu können ohne sie. Und zumal die Orgel hat sich das Christenthum ganz eigens erfunden sie gehört ihm an und ist auch sonst fast zu nichts zu gebrauchen. In meiner künftigen Kirche ist leider die Orgel von den Franzosen zerstört und der Gesang wird jezt nur von einem kleinen Positiv begleitet.

Einer meiner liebsten Wünsche ist immer gewesen in meinem eignen Hause ein Positiv zu haben um Choräle drauf spielen zu können des Morgens und Abends. Auch um die Malerei thut es mir leid daß sie aus unsern Kirchen so sehr verbannt ist; aber ihre Zeit ist nicht mehr und darin muß man sich finden. Freilich kann wol in Menschen die selbst gar nicht fromm sind durch diese Künste allerlei aufgeregt werden was sie für Frömmigkeit halten und was sie nur täuscht; aber der Zuwachs den sie einem Frommen geben in seinen Empfindungen ist gewiß ächt religiös. Es ist ja auch an sich selbst etwas wahrhaft göttliches dem der nur für dieses empfänglich ist; es ist der innerste lebendige Geist der Natur der sich ausspricht.  Vgl. Brief . [Schließen] Und wenn Du Dich auf die Singakademie freust so thue es nur auch vorzüglich deshalb weil da fast lauter große | 58v Kirchenmusik aufgeführt wird. Mit großer Freude bin ich jeden Dienstag da, an diesem Tage weißt Du bestimmt wo Du mich zu finden hast Abends zwischen Sechs und Sieben, und recht oft denke ich wieviel schöner es noch sein wird wenn Du auch dastehst und singest. Sobald unser Verhältniß hier ganz bekannt wird lasse ich Dich einschreiben; singe nur Dein Stimmchen noch recht aus. Das war meine gute Nacht. Schlafe nun recht süß mit unsern holden Kindern , und laß Dir alles weg küssen was Dich stören könnte.

Donnerstag. Noch etwas Lustiges muß ich Dir erzählen. Vorgestern Abend gingen Nanny und ich sehr schläfrig zu Bett, und im Bett wurden wir auf einmal wieder munter und konnten gar nicht schlafen und haben durch die Thüre über zwei Stunden miteinander geplaudert, und wovon? von unserer Hochzeit und von unserer Ankunft hier. Nanny war dann gar nicht für eine ganz plözliche halbverstohlene Trauung, sondern jedermann müßte es wissen wenigstens so lange vorher daß man sich gehörig mit weißen Kleidern schmükken könne, Du sowol als die andern. Lotte Kathen und große Jette haben auch schon wunderliche Dinge verabredet, wir sollten uns hübsch gleich trauen lassen und dann sollte ich ein bischen bei Dir in Poseriz wohnen und Nanny in Götemiz und dann fort. Das ist gar nicht meine Meinung. Auch Nanny sagt wenn sie nicht nach Jasmund solle wolle sie lieber gar nicht reisen. Von unserer Ankunft hier waren wir einig daß eine entsezliche Confusion herrschen würde und Nanny wünschte nun wenigstens wir möchten nicht Abends sondern gegen Mittag ankommen. Gott wie weit ist es noch hin; und wie nahe und lebendig denken wir es uns doch immer. So komt es mir auch jezt als eine besondere Herrlichkeit vor die ich nie erwartet hatte im eignen Hause Weihnachten zu halten mit den Kindern . Liebe ich lebe in gar nichts andrem als dem künftigen Glükk mit Dir.

 Vgl. Brief . Hermann Christoph Baier war mit Alwine Kosegarten, Tochter des Dichters Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten verlobt.  [Schließen] Was Du mir von Herrmann geschrieben hast hat mich alles sehr bewegt. Ich will mich freuen wenn aus seiner Verbindung mit Alwine nichts wird, denn mir ahndet nicht viel Gutes davon. So ein Verlieben in dem Hause wo man lebt ist selten das Rechte.  Vgl. Brief . [Schließen]Aber in deine Wemuth über seine Gesundheit habe ich nicht recht eingehn können weil sie mir nicht so vorkommt. Eine schwache Brust mag Herrmann wol haben, aber ich glaube gar nicht daß der Keim des Todes darin liegt. Wenn er sich nur nicht zu sehr anstrengt und sich dann und wann eine gründliche Hülfe giebt. Er wollte mir schreiben und er wollte mir Predigten schikken dazu hat er wol noch nicht kommen können. Seinen Gesang am Altar kenne ich schon, der ist ganz herrlich. Denke nur ich will auch noch in allem Ernst singen lernen; ich finde nur noch nicht die Zeit und den Lehrer dazu. Herrmann möchte ich predigen hören um mich recht daran zu erfreuen und zu erbauen. Theodor bis jezt nur um recht zu wissen, wie er es nimmt; wenn ich ihn aber dann recht fromm fände und mich an ihm erbaute würde er mir gewiß weit lieber werden.  Vgl. Brief . [Schließen] Daß Dich Lotte Schwarz wieder recht angesprochen hat freut mich. Sie muß gewiß sehr liebenswürdig sein, wenn sie nicht verstimmt und nicht gespannt ist. Wenn es Dir aber eine unangenehme Empfindung verursacht hat ihr viel vorgelesen zu haben so muß doch noch etwas in Dir sein was dich zurükhält gegen sie und dein Verhältniß zu ihr muß – Dir selbst nicht recht klar und sicher sein, wollte ich schreiben und dazusezen denn ich hoffte nicht daß Du um meinetwillen es Dir könntest unangenehm sein lassen wie es mir ja immer recht wäre wenn Du deinem Herzen folgtest das wollte ich hinzusezen; aber was geschieht? Ein Wagen kommt vorgefahren, ein französischer Offizier steigt aus komt herauf und bittet mich ihn zum  Ob es sich bei dem französischen Marschall tatsächlich um den bekannten General Davoust handelt, ist ungewiss.  [Schließen] Marschall Davoust zu begleiten. Zwei andere Herren saßen noch im Wagen, und das Ganze war dann nichts als daß er uns eine Rede hielt wir wären notirt als hizige Köpfe und Unruhstifter und was weiter dahin gehört.  lies: mir war [Schließen]Mir was das Ganze sehr spaßhaft ich mußte noch den Dolmetscher abgeben bei den andern, und habe meine Rolle sehr ernsthaft gespielt. Sei nur nicht bange, das Ganze ist nichts, die Andern waren Leute die mir durchaus fremd sind, gar nicht von meinen Freunden; die Glüklichen sind ganz unbekannt und ich allein habe irgend einem dummen Gerücht über meine Predigten diese sonderbare Ehre zu danken. Ich muß nun noch einmal sizen für die Zeichnung und muß also Abschied von Dir nehmen mein süßes Herz. Ich umarme Dich und die süßen Kinder aufs innigste. Grüße mir alles herzlich. Denke nur immer wie mich nach Dir verlangt. Ewig Dein Ernst

Zitierhinweis

2953: An Henriette von Willich. Berlin, Sonntag, 27.11. bis Donnerstag, 1. 12. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006782 (Stand: 26.7.2022)

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