Stolpe d 23 Nov. 1808.

Hochgeschätzter Freund!

Endlich haben uns nun seit 3 Tagen unsere sämtlichen Gäste bis auf einen Correspondenz Posten von 7 Mann Frantzosen verlaßen, und ich eile, Ihnen zu sagen, daß, unerachtet der vielen Drangsahle, die wir wärend beinahe 2 Jahren erlitten, wir noch alle leben, und gesund sind.  Mein Hauß ist wärend dieser gantzen unglüklichen Epoque fast nicht 8 Tage ledig gewesen, und öfters bin ich mit meiner Familie auf 2 Stuben eingeschränkt gewesen.  Daß Stolpe gleich Anfangs durch die Pohlen sehr gelitten, ist Ihnen ohne allen Zweifel genau bekandt, aber auch die Frantzosen haben Uns derbe mitgenommen, so  korr. v. Hg. aus: sieSie daraus abnehmen können, daß ich alleine, außer der schweren einquartirungs Last, und außer der Kriegs Contribution, monathlich 200, 250, bis 300 r. zu den Extraordinairen Unkosten, für Requisitions, Tafel Gelder, Lazarett Unkosten pp habe bezahlen müßen. Gott sei indeßen gelobt, daß es überstanden ist, zwar sind wir noch lange nicht am Ziele, und die Geld Ausgaben | 19v werden uns und unsere Nachkommen noch viele Jahre drüken, wenn aber der Himmel Uns nur Ruhe schenket, so wird es zurecht kommen, wie denn auch überhaupt derjenige Teil welcher ein öffentliches Gewerbe getrieben, als Bäker Brauer Fleischer, Weinhändler &c. bei dieser Epoque wenig gelitten haben, welches aber, da ich keinen innern Handel habe, bei mir nicht der Fall gewesen. Mit der Schiffart gehts auch schlecht, 3 meiner Schiffe liegen seit Jahr und Tag in Norwegen in Beschlag, und 2 sind seit mehreren Jahrn, in Frankreich, nur ein Seefrieden kann sie wieder befreien, wozu aber leider wenig Hofnung ist. Froh würde ich sein, wenn ich mir gantz ins reine setzen, und mein Buch zumachen könnte, um so mehr, da mein Sohn Heinrich auf die Handlung gantz Renonciert, und mit Frau und Kind nach Stojentin gegangen ist, welches ich Ihm übergeben habe. Er wurde als ein junger Anfänger durch die Täglichen Geld Ausgaben zu stark angegangen, und es war Ihm | 20 nicht zu verdenken, daß Ihm das StadtLeben zu lästig wurde.

Hertzlich habe ich es bedauret, daß wir Uns in Königsberg nicht getroffen, und gesprochen haben, dies war indeßen ein Zufall, der vom Glüke abhing; aber daß Sie auf Ihrer Retour Reise nach Berlin, Stolpe vorbeigefaren sind, das mein werter Freund könnte ich Ihnen wohl etwas übel nehmen, doch wer weiß! was Sie dazu für Uhrsachen mögen gehabt haben; und ich schmeichele mir gewis, daß Sie sonst es nicht auf etliche Meilen Umweg würden angesehen haben.  Herr Gutzlaff, der das Vergnügen gehabt hat, Sie in Königsberg zu sprechen, versichert mir daß Sie eine gute Prediger Stelle in Berlin angenommen hätten, wozu ich von gantzen Hertzen Glük wünsch. Es wird mich innigst freuen, bald einige Nachricht von Sie, und Ihrer Lage zu erhalten, indem der Anteil an Ihrem WohlErgehen Uns alle sehr interessiret. In meiner Familie sind keine Veränderungen vorgegangen, Zitzvitzens in Zizenow so wohl | 20v als Arnolds mit Ihren 3 Jungens sind gesund. Auch meine Frau befindet sich mit Ihrem alten Übel, so Ihr fortwärend auf dem Stuhle feßelt, gantz munter; so wie denn auch Albertine heiter und froh ist, und sich die Kriegs Unruhen wenig hat anfechten laßen.

Wie ist es denn Ihrem Herrn Bruder in Schmiedeberg diese Zeit über ergangen? Schlesien hat in dieser Epoque auch vorzüglich gelitten.   – Sollte es Ihm wegens dem Postporto bequemer fallen, so könnte er auf weinachten, die als denn fälligen 2järigen Zinsen mit R. 100. – an den Herrn H. F. Fetschow & Sohn in Berlin für meine Rechnung einzahlen.

Ich werde nächstens geräucherte Gänse an Fetschow schiken der Ihnen auch einige zustellen wird.

Wir alle grüßen Sie mein hochgeschätzter Freund hertzlich wünschen balde frohe Nachrichten von Sie zu hören, und ich bin immer mit unwandelbarer Achtung und Freundschaft

Ihr treu ergebener Freund & Diener

C. B. Hering.

Zitierhinweis

2945: Von Christlieb Benjamin Hering. Stolp, Mittwoch, 23. 11. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006774 (Stand: 26.7.2022)

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