Sagard den 21t. Novemb. 8.

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Wie ich gestern Abend mit Deinem lieben Bilde einschlief, so erwachte ich heute Morgen wieder mit demselben und wußte gewiß daß Du auch an mich denkest und daß Du fühlest wie ich mich sehne bei Dir zu sein – mein theurer lieber Mann! ich mußte mich nun nur begnügen an Dich zu denken und mit   Maria Christiane Luise von Willich  [Schließen] Louisen und der kleinen  Henriette Pauline Marianne von Willich [Schließen] Jette von Dir zu reden.

Wäre Dir doch die Kleinigkeit lieb woran ich mit vieler Liebe im Herzen gearbeitet habe, und der Kranz nicht gar zu dürre der eigentlich recht frisch und grün sein sollte, er war es als ich ihn Dir weihte.  Wenn Du mich nicht auslachen willst, so will ich Dir erzählen daß ich heute Nachmittag mit frischem Weisbrod traktire groß und klein zur Feier Deines Geburtstages. Du mußt wissen daß das hier nicht so etwas armseeliges ist als bei Euch die Ihr wohl alle Tage Weisbrodt esset – sondern daß in diesen Zeiten der äußersten Sparsamkeit wir Großen es gar nicht zu schmecken kriegen und es also wohl etwas außerordentliches ist solche Fälle daß jeder so viel kriegen kann als er mag. Heute früh in der Dämmerung trat auf ein mahl die Willich vor mein Bette, die sonst gar nicht herauf komt, sie bringe mir eine Tasse Kaffee von Dir, ich trinke nehmlich gewöhnlich keinen seit er so theuer ist. Alle denken Deiner mit inniger Anhänglichkeit! Aber sehr nahe geht es mir doch daß ich diesen Tag nicht mit unserer theuren  Henriette Herz [Schließen] Jette bin, die Reise ließ sich nicht früher einrichten, was werde | 67v [ich] ihr alles mitzutheilen haben!

 Sachanmerkung:

Ich ... Kluge gesprochen.] 
Vgl. Brief 2913, 3 – 40.

Sophie] Sophie Schlichtkrull
 [Schließen]
Ich ward gestern Abend sehr überrascht durch deinen Brief vom 9ten November den Sophie durch eine Gelegenheit mir schickte. Ich danke Dir für deinen umständlichen Bericht Du kannst denken wie mich alles interessiert. Schön daß das Haus nidlich ist! Bedenklichkeiten die mir eingefallen will ich dir erst schreiben wenn ich die große Kluge gesprochen.
Es ist doch sehr gut da Dir die Winter so fatal sind daß ich heute nicht dort bin –

 Vgl. Brief 2913, 76 – 82. [Schließen]Mit dem Ecksopha das gefällt mir vortrefflich, maulen ist just mein Leben. Ach süßer Ernst wohl können wir scherzen – es ist auch so rein unmöglich daß jemals das geringste kommen könnte – es ist ja nichts in mir was nicht Dir angehört. Ich kann mir wohl denken daß Du unzufrieden mit mir sein könntest, aber dann würdest Du mich liebreich und väterlich führen und ich würde mich, Dein liebendes Kind, wehmüthig aber zärtlich an Dich schmiegen. Gott im Himmel gebe süßer Ernst daß Dir nie etwas wircklich stöhrend an mir werde so daß es mir auch nur das leiseste von deiner Liebe oder deinem Vertrauen nähme – ich wüßte es nicht zu tragen. O Du liebe Seele laß mich nur immer frei in Deine Tiefe blicken das allein ist mir seeliger Genuß!

 Vgl. Brief 2913, 69 – 71. [Schließen] Ja wohl mein süßer Ernst muß ich immer recht früh wachen, ich will es Dir ordentlich klagen, schon um 5 oft und wohl noch früher bisweilen weckt der Junge mich mit süßen Küssen fängt aber auch dann bald an | 68 Wirthschaft zu betreiben mancherlei Art und auf mich herum zu treten. Da muß ich denn um ihn ruhig zu erhalten die interessantesten Geschichten erzählen und sie mit allerlei lebhaften Äußerungen und Nachahmungen begleiten, sonst hilft es auch noch nicht – was mir das nun oft sauer wird kannst du dir erst vorstellen wenn Du weißt wie sehr gerne ich des Morgens lange schlafe oder wenigstens still im Bette bin: Es ist dies ordentlich meine tägliche Qual dies frühe abarbeiten. Ich glaube ich würde recht gerne früh aufstehen wenn ich mich dann ruhig beschäftigen könnte – aber so bin ich abgespannt wenn die Andern frisch herauskommen. In Poseritz habe ich  Henriette Pauline Marianne [Schließen] Jette noch immer dazu gehabt des Nachts, seit Louise mit mir ist hat diese sie, ich hätte sie doch gerne wieder wenn es auch schwer ist – ich weiß noch nicht was ich thue.  Lieber Ernst wie es künftig werden soll sehe ich noch gar nicht recht durch. Du stellst Dir die Unruhe des Nachts mit den Kindern so gar nicht vor, Du müßtest einen sehr festen Schlaf haben um nicht gestöhrt zu werden; und gestöhrt darfst du doch gar nicht sein wegen deiner Arbeiten des Tags –  Vgl. Brief 2913, 59 – 63. [Schließen]Das hat mir ordentlich einen Schrecken gemacht daß du auch des Morgens lange schläfst, ich hatte gewiß gehofft bei Dir mich davon zu entwöhnen. Wenn Du des Abends spät noch | 68v arbeitest dann denke ich soll meine Stunde sein zur Klavier Uebung.   Vgl. Brief 2913, 82 – 89. [Schließen]  Ja die Langsamkeit mit den Briefen ist unausstehlich! von mir sind nun auch 3 oder vier unterwegs ich habe immer vergessen was ich Dir geschrieben wenn ich deine Antwort erhalte, das hat mir schon oft viel Kopfbrechen gemacht.  Vgl. Brief 2913, 116 f.. [Schließen] Nein Du lieber Mann hast mir immer recht schön geantwortet, ich muß Dich recht loben.  Sachanmerkung:

Uebrigens ... zu machen.] 
Vgl. Brief 2910, 71 – 82.

Jette] Henriette Herz
 [Schließen]
Uebrigens bin ich sehr böse auf große Jette daß sie mich angeschwärzt  korr. v. Hg. aus: wegeswegen des Verschiebens und auf Jungfer Nanny die ihr Amt als Hofmeisterin schon jezt anzutreten beliebt – Denn es ist keineswegs der Fall daß ich diesen Fehler besitze im Gegentheil es treibt mich oft nur zu sehr wenn ich etwas vorhabe es auf der Stelle in Ordnung zu machen, wenigstens bei allen Dingen die mich interessiren. Ich trage Dir förmlich auf Nannyn den Krieg zu machen.

 Vgl. Brief 2913, 89 – 99. [Schließen] Von Steffens hattest Du mir noch nichts gesagt, es freut mich sehr daß auch er mit Freude mich als die deine sieht. Ich bin ein bischen bange daß ich verlegen und etwas fremd sein werde gegen die schöne talentvolle Frau . Ach Ernst ich werde mich doch noch viel schämen müssen zwischen den leichten gebildeten gesprächigen Frauen über meine rüganische Einsilbigkeit und Steifheit. Für Sagard lebe wohl mein theurer lieber guter Ernst.



Soll ich Dir auch das Verzeichniß von  Ehrenfried von Willich [Schließen] Ehrenfrieds Büchern schicken damit Du dir auswählest ehe ich sie verkaufe? Hier gelten Bücher leider gar nichts, fast gar nichts.

Zitierhinweis

2937: Von Henriette von Willich. Sagard, Montag, 21. 11. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006766 (Stand: 26.7.2022)

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