den 21 Nvr

Ich bin heute, von meiner Frau, ermahnt worden an dich zu schreiben. Sie hat mir nemlich daran erinnert, dass es dein Geburtstag sei. Besser wære es zwar gewesen, wenn wir früher geschrieben hätten so dass diese Briefe mit den schönen Brief aus Rügen den ich schon auf deinen Pult habe; zusammen getroffen wæren. So ist es nun aber leider nicht und ich ærgre mich nicht wenig darüber. Indessen bist auch du nicht unschuldig, und ich würde dir dein unnatürliches Stillschweigen viel härter und strenger vorgeworfen haben, wenn du nicht heute das Geburtstagskind wære. So muss ich wohl den grössten Theil der Schuld auf mich nehmen. Kaum brauche ich dir zu sagen, wie innig  Johanna Steffens [Schließen] Hanne sich über deine Verbindung gefreuæt(?) hat. O! wenn wir so glücklich wæren mit dir und deiner Frau Zusammenzuleben – Was würden wir uns sein können! – Wahrlich, wenn man sich einer so heitern Zukunft denkt, kann man die langweiligen, sich unselig dehnende, alle That lähmenden Verwickelungen wohl ertragen. Ich gestehe dir, dass ich gar nicht einsehe, wie du dich in Ruhe einrichten, und ein stilles und fröhliches Leben führen könntest ohne uns, so wie ich mir niemals einen frischen Wirkungskreis lebhaft denken kann ohne dich – Was ist mein ganzer Umgang hier, als eine lebendige Erinnrung an dich? Unter den Frauen Wucherer, unter den Mænnern Dolhoff , Rinnecker und Blanc. – dein Vermächtniss – Auch fühle ich es gar zu wohl, dass wenn aus der Verwirrung der Umgebungen, aus den dunkeln Schatten der Verwickelungen ein klares, und helles Bild hervortritt, dann trittst auch du, als mein | 33v guter Geist, mir näher. Du hast mir einst aufgefordert mich mit dir zu verbinden aufs innigste – Bin ichs denn nicht immer gewesen? – O, lieber, lieber Freund! du bist dem Guten ewig verbündet, und deine Hochzeit, ist es deine allein? Wenn wir sie feiern zieht der Winter von der Erde, die erdrückten Pflanzen wagen sich hervor. Maiblumen bringen wir dir, Veilchen, Masslieb, blaue Blumen, heisse Wünsche die verschlossen ruhen, und dann aufblühen – Erneuerung der Liebe, heiliges Vertrauen, erfüllte, Hofnung, blühende Zeit – welch ein Brautkranz! Wenn ich sehe, wie die Blätter jezt abgefallen sind, und die lezten Blüthen um Floras Tempel, als wir uns lezthinn sahen, in traurigen Regen stunden, bald zu welken, dann will mir die Hofnung sinken – Aber wenn mir der Geist winkt, den Frühling sicher versprechend, dann erwacht die Zuversicht, und ich treibe in andachtsvoller Stille die Veranstaltungen zum vorstehenden Feste, hoffend, frohlockend in Glauben und Freundschaft –

Schreibst du mir bald, lieber Freund? ich habe mich innig nach einen Brief gesehnt, denn alles hat sich sonderbar verwirrt, und ich sehe nicht so klar mehr. Ich bin in Arbeiten versunken.  Steffens bezieht sich hier wohl auf die zur Eröffnung des Wintersemesters 1808/09 gehaltenen Vorträge „Über die Idee der Universitäten“, die 1809 in der Realschulbuchhandlung bei Reimer erschienen. [Schließen]An meinen Vorlesungen wird gedruckt in dieser Woche, und ich hoffe, dass sie dir gefallen werden, Willst du Reimer sagen, dass sie in 3 Wochen fertig sein werden. Meine  Steffens plante einen nie erschienenen zweiten Teil seiner vormals als Vorlesung angelegten und als Teil 1 bezeichneten „ Beiträge zur innern Naturgeschichte der Erde “ (1801), die er offenbar in Halle 1808 (und früher) als Vorlesung anbot.  [Schließen] innere Naturgeschichte der Erde arbeite ich mit vielen Fleiss aus und habe ein recht gutes Auditorium von 14 Zuhörer, auch wird sie gewiss diesen Winter fertig,  Die „Geognostisch-geologische[n] Aufsätze, als Vorbereitung zu einer innern Naturgeschichte der Erde“ erschienen erst 1810 bei Hoffmann in Hamburg. [Schließen] meine geognostische Schrift ist fertig; wird aber unsäglich langsam gedruckt.  Friedrich Schleiermacher: „Herakleitos der dunkle, von Ephesos“ , in: „Museum der Alterthums-Wissenschaft“, 1. Bd., H. 3 (1808), S. 313-533 [Schließen]Herakleitos habe ich noch nicht. Grüss Reimer, den herrlichen, recht sehr von mir. Ich habe ihm innig lieb. Die | 34 20 Rthr, die er mir schickte, habe ich erhalten – Übermorgen feiern wir Hannes Geburtstag – und die gute wird dir selbst schreiben. Adio

dein HSteffens

Zitierhinweis

2935: Von Henrich Steffens. Wohl Halle, Montag, 21. 11. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006764 (Stand: 26.7.2022)

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