Berlin, den 20ten Novembr. 1808.

Nicht eher als jetzt da alles fort ist vor der äußersten Grenze des Tages komme ich dazu Dir meine einzige alte Treue ein Paar Worte zu schreiben und   Vgl. Brief *2922.  [Schließen] Dir herzlich zu danken für Dein treues Andenken. Jawohl bin ich ganz anders erwacht und ganz anders ist mir zu Muthe gewesen als je. So schöne sichre Hoffnung | 78v die schon eigentlich eine herrliche Wirklichkeit ist, so feste Zuversicht, ein so reiches volles Leben – liebe Jette wie verdiene ich das nur und wie werde ich Gott und der Welt Rechenschaft davon geben können. Nun ich will mein bestes thun; hoffentlich werden mir ja wieder die Schranken eröffnet zu einer tüchtigen Wirksamkeit, und dann sind die süßen  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinder die mir Gott anvertraut hat und die ich hoffe mit Liebe und Verstand zu führen, und dann habe ich Euch das Leben leicht und lieb zu machen  Henriette von Willich [Schließen] Jetten , Dir und der guten   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny , und manchen Freund mit genießen zu lassen von allen den herrlichen Schätzen kurz ich gehöre gewiß zu den reichsten Menschen, wenn Gottes Gnade mich nicht verläßt[.]   Vgl. Brief *2922. [Schließen] Und Du hast Recht, ich kann es dankbar und in heiliger Demuth annehmen daß mir Gott dieß Paradies noch aufgethan hat, als etwas was mir eigentlich zukam. Ich habe soviel gelehrt von dem schönen und heiligen Leben der Familie, nun muß ich doch eigentlich auch Gelegenheit haben zu zeigen daß es mir wenigstens mehr sind als schöne und leere Worte, daß die Lehre rein hervorgegangen ist aus der inneren Kraft und aus dem eigensten Selbstgefühl. Und namentlich das muß ich zeigen können daß die rechte Ehe nichts stört, nicht die Freundschaft, nicht die Wissenschaft nicht das uneigennützigste aufopferndste Leben für das Vaterland. Wie schön fodern mich die Umstände dazu auf! und wie herrlich schlägt Jette mit ein und hilft mir die Aufforderung wacker zu bestehen. Komm Du nur auch recht bald ganz liebste Jette! Du weißt ja doch ganz vollständig ist unser schönes Glück erst dann. Du bist ein eigentlicher Bestandtheil desselben, und es ist ja in Dir eher aufgegangen als in uns selbst. Von dem heutigen Tage laß Dir nun noch eine kleine | 79 Erzählung machen. Vgl. Brief 2933, 3 – 26. [Schließen] Den ersten Morgen findest Du in Jettchens Brief. Nachdem ich an sie geschrieben und ein Weilchen in stillem wonnigen Nachsinnen zugebracht hatte  Möglicherweise handelt es sich um Ludwig Sigismund Anton Röder, der bereits an anderer Stelle (vgl. Brief) als Briefkurier nach Österreich ins Spiel kam. Schleiermacher spielt mit der Rede über das gemeinsame Werk wahrscheinlich auf die gemeinsame Hoffnung an, dass sich der Abfall von Napoleon vom Süden Deutschlands und von Österreich aus zu formieren beginnt.  [Schließen]kam ein Freund der mir auch zum heutigen Tage nicht unangenehm, sehr interessante Nachrichten brachte von dem Fortschritt der Auflage unseres Werkes welche (zum Behuf des Debits im südlichen Deutschland ) in Östereich gedruckt wird.  Schleiermacher verzeichnet im Tageskalender, dass er am Montag, den 21. 11. 1808, seinem Geburtstag, die Mineralogie-Vorlesung besucht und sein Politik-Collegium begonnen sowie Chazot gesehen habe. [Schließen]Dann ging ich mit meinem Buch unterm Arm ins Collegium, nehmlich in das was ich höre, in Karstens Mineralogie , und dann lief ich um dem neuernannten künftigen Commandanten von Berlin, den ich von weitem ein wenig kenne, dem Grafen Chazot meine Aufwartung zu machen. Dann aß ich solo mit Nanny , dachte hernach ein wenig über meinen Vortrag nach und hielt dann die erste Stunde meines Collegii über die Politik , so daß ich das Jahr auch von dieser Seite mit einer recht ordentlichen Thätigkeit angefangen habe. Freilich bin ich mit der Stunde nicht sonderlich zufrieden; allein das bin ich mit der ersten Stunde selten, es kommt hernach besser. Hernach kamen dann allmählig Reimers mit der Bornemann , Gassens, Schedens und unser braver  wohl Johann Gottfried Pfund [Schließen] Pfund . Und so sind wir denn recht vergnügt gewesen, auch ein Kuchen mit 40 Lichtern hat nicht gefehlt bis kurz vor Mitternacht, nun habe ich Dir dieses noch geschrieben, und die Krähenfüße sind dießmal sehr unschuldig entstanden weil die Feder auf dem Papier liegen geblieben war indem ich mit großer Anstrengung ein verlöschendes Licht rettete. Nun muß ich aber eilen um vor seinem gänzlichen Ende noch zu Bette zu kommen.  Vgl. Brief *2922, Brief 2907 und Brief 2921. [Schließen]Aber einen Blick werfe ich noch in die lieben heutigen Briefe, in Deinen und zwei ganz köstliche von Jetten . Tausend gute Nacht meine liebe alte Freundinn.

Zitierhinweis

2932: An Henriette Herz. Berlin, Montag, 21. 11. 1808 , ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006761 (Stand: 26.7.2022)

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