Wieck den 14t. Novem.

16

 Vgl. Brief 2893. [Schließen]Dein Brief vom 27ten hat mich hier in Wieck gefunden mein süßer lieber Ernst – ich hatte recht geschmachtet nach Deinen Worten, ich konnte es beinahe nicht länger aushalten nichts von Dir zu haben – nun ist mir wieder so wohl und ich thue nichts als von Dir träumen. – In Wieck bleibe ich nun noch bis zum nächsten Donnerstag, noch beinahe 8 Tage. Es wird so sehr mit freundlichen Bitten in mich gedrungen daß ich mich nicht früher losmachen kann; ich würde auch sonst  Charlotte Schwarz [Schließen] Lottchen gar nicht mehr sehen die erst am Dienstag oder Mittwoch zu Hause komt.

Sehr herzlich hat man auch hier die Mittheilung von unserer Verbindung aufgenommen, und wenn man hier Theilnahme zeigt so ist sie wahr und aufrichtig.  Sachanmerkung:

Es ... selbst gefallen.] 
Mit „Tante“ und „Onkel“ sind die Eltern von Theodor Schwarz gemeint, Georg Theodor und Eleonore Schwarz; denn Georg Theodor war ein Bruder der Marianne Regina von Willich , geb. Schwarz.

Es ... kennen lerntest.] Vgl. Brief 2889, 134 – 136.

Kindern] Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe
 [Schließen]
Es geht mir nahe mein theurer Ernst daß du doch diese Familie zu sehr verkannt hast, obgleich ich es wieder natürlich finden muß denn die Tante kann nichts anders als anfangs sehr zurückstoßen und in der ganzen Familie war gerade die traurigste Zerißenheit als du sie kennen lerntest. Wenn man so recht häuslich hier lebt | 55v und alles unerfüllt und auf den Grund kennen lernt so sieht man wohl den Egoismus, die Eigenliebe die ich nicht vertheidigen kann, aber auch wirklich gutes und bedeutendes. Ich finde immer viel Eigenthümlichkeit und nur durch die unrichtige Erziehung der Tante so viel verdorben. Was mir leidlich hier ist, ist die ganze Wahrheit gegen ihre Freunde, sie sind auch schon viel zu stolz um sich jemals verstellen zu können, man sieht immer jedes Verhältnis bis auf den Grund durch – du siehst ich möchte Dich gerne ein bischen milder stimmen, ich mag wohl selbst ein wenig bestochen sein durch die außerordentliche Freundlichkeit mit der ich immer hier aufgenommen bin. Wie hübsch der alte Onckle aber mit den Kindern spielen kann das würde dir nun selbst gefallen.
Ich soll Dich fragen ob Du vielleicht etwas für  Karl Friedrich Wilhlem Hasselbach war der Bräutigam von Charlotte Schwarz.  [Schließen] Hasselbach wirken kannst, ob wohl Hoffnung ist daß er eine Stelle in Berlin bei der Universität erhalten könne, an Kentnissen soll es ihm ja nicht fehlen, in welchem Fach weiß ich freilich nicht. Wenn Du kannst so verwende Dich für ihn, mich jammert die arme Lotte sehr, antworte mir in Deinem nächsten Brief darauf, ob wenn er sich meldet Du | 56 was ordentliches für ihn thun kannst. –  Theodor und Philippine Schwarz, geb. Hahne  [Schließen] Bei Theodor und Philippinen bin ich oft ein Stündchen, er lieset uns dann etwas Schönes vor, es ist da sehr still und freundlich. Ich bin ein paar mal in Versuchung gewesen Theodor zu grüssen, doch konnte ich wieder nicht so unwahr sein, Vgl. Brief 2893, 102 – 104  [Schließen] Herrman habe ich seine Grüße noch nicht bestellt weil ich es nicht in Theodors Beisein wollte .  Vgl. Brief 2893, 156 f.. [Schließen] Vergieb mir daß ich dir so lange von Leuten sprach die Dich nicht interessiren.



 Sachanmerkung:

Mein ... alles abzuändern.] 
Vgl. Brief 2893, 64 – 81.

Kinder]  Henriette Pauline Marianne und Ehrenfried von Willich

Geschwister] Gemeint sind die Geschwister des 1807 verstorbenen Ehemanns Ehrenfried von Willich.

Louise] Luise von Willich
 [Schließen]
Mein süßer süßer Ernst über eine Stelle in Deinem Briefe war mir als dürfe ich Dir nur mündlich antworten und nun dünkt es mir doch so fatal daß noch irgend etwas unaufgelöset unter uns bleiben sollte. Süßer Ernst siehe recht in mein Auge in mein Herz und frage dann nicht mehr ob ich Dich verstehe – ich liebe dich ja von ganzem ganzem Herzen – süßer Mann mir wird wohl sein an dem treuen heiligen Herzen zu ruhen, ich liebe Dich ja so ganz unaussprechlich du böser Mann daß du mich noch fragen konntest und mir das Geständniß ablocken daß mir die Wangen hat glühen gemacht. – Was ich Dir schrieb süßer Ernst bezog sich eigentlich auf die Zeit die wir zusammen noch hier auf Rügen sein werden, | 56v mir wäre es lieb wenn wir hier noch gar nicht zusammen wohnten, du siehst daß ich die Kinder nicht von mir geben könnte, nicht eines; und theils sind sie so unruhig, theils fällt so vieles unangenehme in solcher Kinderstube vor daß ich nicht ertragen könnte daß du  korr. v. Hg. aus: daßdas alles mit hättest, kurz das eine ginge so wenig wie das andre; aber  korr. v. Hg. aus: daßdas geht daß mein lieber Mann wie andre Väter, so lange allein wohnet als die Mutter kleine Kinder bei sich hat. Ich will Dir nur gestehn daß wenn Du hierzu stimmest mir ordentlich ein Stein vom Herzen fällt, denn ich brauche Dir wohl nicht zu sagen Du weißt es wohl so, wie mir über unsern Hochzeitstag in Rücksicht auf die Geschwister zu Muthe war, so wird mir aber frei und unbefangen sein – Süßer Ernst ich will Dir nur sagen der Tag der äußern Verbindung könnte nach meinem Herzen ein [und] derselbe sein nach welchem die innigste sich schlöße, ich kenne das an mir, bei allem Heiligen und Schönen kann es mir nur recht sein, wenn es ganz von selbst ohne Vorherbestimmung ohne Regel aus freier Liebe im rechten Augenblick komt. Glaube nur uns allen wird am wohlsten sein wenn wir es so einrichten wie ich vorhin sagte. Louise die immer mit mir wohnt bleibt dann bei mir. Denke Dich nur in meine | 57 Stelle wie ich es überstehn sollte das alles abzuändern.

Ach Gott nun überfällt mich meine alte Unruhe ob Dir es auch stöhrend sein werde, daß ich dir alles so klar hingeschrieben habe – es ist einmahl geschehen – ich bin ja Dein Töchterchen so gut als deine Braut. – Was kannst Du Dir denn noch schöneres denken als in Berlin zu wohnen? ich bin neugierig darauf, ich wüßte nichts schöneres.

 Vgl. Brief 2893, 127 – 129. [Schließen] Du süßer lieber Ernst, auf Händen willst Du mich tragen so süßes Leben mir bereiten? ach Gott wie ich mich immerfort sehnen muß Dir auch etwas recht liebes zu thun – und ich kann doch so wenig, kann nichts als nur immer empfangen alles Liebe und Schöne von Dir – eine Zeit wird kommen wo ich Dir recht was Liebes thun kann o Ernst mein geliebter süßer Ernst wie ich dein theures Leben hegen und pflegen und ans Licht bringen werde o vergieb mir daß ich schon oft im voraus dieses seligen Gedankens mich nicht erwehren kann.  Vgl. Brief 2893, 33 – 37. [Schließen]Wegen der Kränklichkeit ist mir nicht bange Du lieber Mann. Vgl. Brief 2893, 139 – 149. [Schließen]Ja mein Ernst ich habe auch schon an den Tod gedacht, aber mit Bitten und Wünschen daß ich dich nicht überleben möge, mir ahndet auch nicht mein Ernst daß ich zum Zweitenmahl Wittwe werde. Ich hoffe | 57v daß ich meiner  Pauline von Mühlenfels  [Schließen] Mutter , der ich ja so ähnlich sein soll es auch darin sein werde, daß ich kein hohes Alter erreiche. Ich bin in diesen Augenblick so von Lebenssinn und Lebensglück erfüllt daß ich nur wünschen kann recht lange mit Dir zu leben, da ich sonst noch immer von Jugend auf einen starken Zug nach dem Tode gehabt habe, o mein Ernst thue doch alles um deine Gesundheit recht zu stärken und denke wie Du mir wohl und wehe dadurch thun kannst.

Unsere Kinderchens sind wohl und heiter.  Ehrenfried von Willich (d. J.) [Schließen] Friedle ist einige Tage unruhig gewesen, es giebt sich aber schon wieder er versucht schon Schleier auszusprechen, und wird immer sehr aufmerksam wenn er deinen Namen hört denn ich erzähle ihm oft daß du ihm Bonbon und Pfefferkuchen mitbringen wirst.

 Über Henriette Pauline Marianne von Willich, vgl. Brief 2875, 49 – 53. [Schließen] Was [ich] Dir wohl schon einmahl von Jette schrieb daß ich finde daß sie nicht mehr ganz unbefangen ist, wird mir immer klarer – ist das nicht Jammerschade? ich weiß nichts weiter dabei zu thun als daß ich immer alle Menschen flehe sie recht unbemerckt zu lassen, es hilft mir nur nicht viel – Ach wenn  lies: sie [Schließen]Sie nur erst unter Deiner Leitung sind! Das hat mich gefreut ordentlich daß du etwas | 58 paradox scheinende Ideen hast. So was liebe ich nun sehr wenn ich so sicher sein kann daß kein Irrthum zum Grunde liegt, süßer Ernst, ich traue Dir in allem so unbedingt, und finde Dich in allem so herrlich und einzig daß ich gar nicht mehr darüber zu reden brauche.   Vgl. Brief 2893, 57 – 64. [Schließen]Nein mein beßter Ernst ich habe noch nie eine Silbe in Deinen Briefen mißverstanden oder unklar gefunden, es klang nur ein mahl so als wenn es dir könnte begegnet sein mit den Meinigen und das verstand ich so als wenn Dir könne anfangs etwas stöhrend gewesen sein was du dir aber wieder gelöset. Desto besser daß es nicht so ist.  Vgl. Brief 2893, 149 f.. [Schließen]Auch brauchst du gar nicht besorgt zu sein wenn du auch noch so schnell schreibst daß ich es nicht gut sollte lesen können, ich kann Deine Briefe gleich das erste Mal so fließend lesen als wenn ich es selbst geschrieben hätte.  Amalie Hahne, vgl. Brief 2893, 151 – 153. [Schließen] Ja die Hane hatte auch von uns geahnet – Daß es uns so gut nicht geworden wie Euch dort von Truppen frei zu werden weißt Du wohl. Ich las neulich in der Zeitung daß Stein um seine Entlassung gebeten, wie geht das zu?

Deine lezten Briefe sind nicht geöffnet gewesen. Habt ihr denn noch Hoffnung was zu | 58v machen? Mein süßer Ernst Dein Geburtstag ist wohl vorbei wenn Du diesen Brief erhältst, ich werde bei Dir sein den ganzen Tag mein lieber Mann wie ich Dich nun liebkose und herze kann ich dir nicht sagen so wenig wie lieb ich dich habe.

Ich bin auch fast immer ganz froh und glücklich nur so bisweilen tritt ein trüber Gedanke durch   Johann Ehrenfried Theodor von Willich  [Schließen] Ehrenfried , oder eine Unzufriedenheit mit mir selbst als ein Schatten vor das helle Bild meines Glücks, aber immer wenn Du mir recht gegenwärtig bist und lange nachdem ich einen Brief von Dir habe, ist mir ganz wohl und schön zu Muthe. Ich muß schon oft an den Augenblick denken wenn du nun in die Stube trittst und ich an deinen Hals fliege. Lieber Ernst schicke mir von Deinen Haaren.  Philippine Ha(h)ne [Schließen] Philippine macht schön Arbeit von geschnittnen Haaren, sie will mir für  Sophie Schlichtkrull [Schließen] Sophie eine kleine Landschaft machen von der  Kinder des Johann Ehrenfried von Willich und der Henriette von Willich [Schließen] Kindern , von Ehrenfrieds von Deinen und meinen Haaren. Das soll mein Weinachten an Sophie sein, es wird ihr große Freude machen.  Vgl. Brief 2875, 158 – 161.  [Schließen] Mich vergiß nicht wegen des historischen Buchs, auch bitte ich Dich mir ein recht geschmackvolles doch einfaches Stambuch binden zu lassen worin ich gerne von allen Lieben hier Denkmäler samlen wollte. Grüße   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny herzlich und Reimers recht freundlich. Mit aller Liebe Deine Jette. Den süßesten Kuß mein Ernst.

 Bl. 55 am oberen Rand auf dem Kopf stehend
Sachanmerkung:

Louise] Luise von Willich
 [Schließen]
Viele Grüße von Louise und recht freundliche von Schwartzens.

Zitierhinweis

2921: Von Henriette von Willich. Wiek, Montag, 14. 11. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006750 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.