B d 27t. Octob. 8.
No 16.
Sachanmerkung:
Das ... krank macht.] Vgl. Brief
2875,
33 – 38.
Friedchen] Ehrenfried von Willich (d. J.)
Henrietten] Henriette Pauline Marianne von
Willich
[Schließen]
Das ist ja vortreflich von
Friedchen
daß er nun gehörig schreit und regiert, das
geziemt ihm wohl, und wenn er auch die Schwester ein wenig
tyrannisirt, das schadet nicht die Mädchen lernen
immer zuerst an den Brüdern die Männer zu behandeln
und
Henrietten
mag es wol ganz angemessen sein
daß sie zeitig anfängt. Nur der Gefräßigkeit mußt du freilich
einige Schranken sezen, damit der Junge sich nicht wieder krank
macht. Aber fatal laß sie Dir nun nicht weiter sein. Das Essen und das
Zerstören sind die ersten Kraftäußerungen über die Dinge,
und man muß sie als solche ehren bis man allmählich edlere,
das Bilden und Bearbeiten dem Zerstören, und das Anschauen
und Erkennen dem Essen unterschieben kann. Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen]
Nanny
sann neulich auf etwas für Ehrenfried; ich sagte ihr im
Scherz sie sollte ihm nur eine große Portion pfefferkuchene
Buchstaben schikken, damit er allmählig anfinge sich in die
Gelehrsamkeit hineinzufressen, und die Sache hat
wirklich ihre ernsthafte Seite denn es entsteht so eins aus
dem andern.<
Vgl. Brief
2875,
26 – 28. [Schließen]Daß es Dir gelingt Jettchen zu beschäftigen freut mich
sehr, und ich habe gar nichts dagegen wenn Du ihr allmählich die
Buchstaben lehrst;
nur gehe sehr gründlich
zu Werke, und gehe nicht eher zu etwas neuem über bis sie
das erste ganz vollkommen inne hat. Fange mit den Vokalen
an, damit Du ihr hernach die Consonanten gleich in
Verbindung mit den Vokalen lehren kannst, und sieh ja
darauf daß sie recht genau ausspricht, und versäume nicht
ihr besonders das weiche recht einzuschärfen und zu
empfehlen.
Liebste Jette es freut mich unendlich
daß Du soviel für die Kinder von mir erwartest | 38v wenn Du
nur wirst Recht haben. Denn Geschikk und Uebung habe ich
nun gar nicht mit Kindern umzugehn und auch meine Ansichten
werden Dir gewiß anfangs größtentheils sehr paradox
vorkommen, aber das glaube ich doch daß ich die kleinen
Dinger recht gut verstehe, und darüber werden wir uns auch
gewiß sehr bald einigen. Laß dir aber sagen daß ich
wenigstens eben soviel von den Kindern erwarte für mich;
sie sind, zumal für den Mann die lezte aber auch höchste
und herrlichste Schule und ich will auch recht fleißig und
aufmerksam darin sein. –
Der verstorbene Ehrenfried von Willich, vgl. Brief
2875,
44 – 46. [Schließen]
Wenn Du aber den Grund von der
unvollständigen Gesundheit der Kinder in
Ehrenfried suchst, worin du
vielleicht gar nicht unrecht hast, dann liebes
Weibchen finde Dich nur geduldig in Dein Schiksal
daß es Dir immer so gehn wird;
denn was ich erst als Kind gekränkelt habe, das
übersteigt alle Vorstellung. Ich denke aber Deine tüchtige Gesundheit soll das alles
versöhnen helfen und übertragen, und es soll
wenigstens so arg nicht werden. Dabei fällt mir ein ob Du
die Kinder auch wol
fleißig genug badest? ich besinne mich gar nicht in Poseriz etwas über diesen Punkt gehört
zu haben.
Mir ist die Taufe
immer zugleich eine Assignation die den Kindern ausgestellt
wird auf die ungeheuerste Menge von Bädern, so wie jedes
Bad immer eine kleine Erneuerung der Taufe ist. Und noch ganz aufs neue ist mir der
symbolische Werth des Badens klar geworden in
Sagard
; denn unmittelbar vor dem schönsten Augenblik
meines Lebens hatte ich mich ja gebadet, und Du auch. Ich
hatte freilich mehr von mir zu thun und abzuwaschen als Du
– Mir war aber auch ganz besonders zu Muthe bei diesem Bade und
dabei daß es gleichsam eine gemeinschaftliche Handlung war,
denn ich wußte doch fast gewiß daß Du es warst die neben
mir badete. | 39 So
ahndungsvoll war ich gestimmt, und so rein und
heilig schaute ich Dich an; ohne daß ich mir selbst etwas
bestimtes gesagt hätte war es doch die bestimmteste
Vorbereitung auf unser Gespräch, und das war mir
wenigstens ganz fest daß ich dich nun sprechen
müßte und daß sich etwas lösen würde. Nun sieh nur, wie ich
immer wieder auf das eine, auf den schönen Ursprung unseres
neuen Lebens zurükkomme.
Vgl. Brief 2875, 151 – 153. [Schließen]Sprich nur hast Du mich denn schon mißverstanden in Briefen, daß Du die Frage an mich thust? Es kann leicht sein; denn die Leute sagen ja ich sei ein schwerer Schriftsteller, und so kann es leicht sein daß sich über der Zeilemich das auch in Briefen nicht verläßt. Einzige Jette lasse nur nichts ungelöst was irgend der Mühe lohnt, und wenn es sich dir nicht selbst löst so frage mich. Mir ist es noch nicht begegnet, theils habe ich ein ziemliches Glükk im Verstehen, theils stehst Du immer in allen Deinen Worten so klar und bestimt vor mir daß gar nicht zu fehlen ist. – Vgl. Brief 2875, 125 – 130. [Schließen] Eins aber verstehe ich nicht in Deinem lezten Briefe, nur mißverstehe ich es auch nicht, sondern kann nur noch nicht einsehn wie und warum, bis Du mir es sagen wirst, da Du mir doch alles sagen kannst, warum Du nemlich noch einige Zeit nur als mein Töchterchen bei mir sein willst. Sei es nun aber mündlich oder schriftlich Du wirst es mir sagen und dann werde ich es auch verstehen, und gewiß kannst Du ganz ruhig darüber sein. Aber das verstehst Du doch auch, süße Jette, daß wenn Du mir nun auf einmal sagen wolltest, Du wolltest nur meine Frau heißen süße Jette, ich mich schwer mehr würde darin finden können. Nein Du bist und mußt ganz mein sein; wie mir nichts in Dir verborgen bleiben soll, und ein solches gänzliches Enthüllen des innern Wesens nur in der Ehe ist, so muß auch auf jede Weise unser Leben zusammenschmelzen in Eines, und jedes dem andern ganz angehören – Ich darf Dir auch sagen daß mich danach verlangt denn ich verlasse mich darauf daß Du weißt wie heilig das in mir ist, und daß auch es in Worten zu sehn, wiewol es für die Worte nicht gehört dir keine Schamröthe sondern nur die schöne Röthe der heiligsten Liebe hervorbringen kann | 39v
Mir ahndet jezt sehr stark das Hierbleiben, doch das wirst du schon aus meinen lezten Briefen
an Dich und Henriette Herz [Schließen]
Jette
genug gesehn haben, wie
auch daß ich ganz lies: sicher darauf [Schließen]sicherdarauf rechne Dich im schönsten Frühjahr zu holen. Das
Hierbleiben ist mir auch unter den Umständen wie sie wahrscheinlich
zunächst sein werden das liebste, und ich mahle es mir sehr
hübsch aus,
wiewol ich Dir nicht läugnen will, daß ich mir noch etwas
schöneres denken könnte, und vielleicht kommt das auch noch
späterhin – Sachanmerkung:
Was ... und fühlt.] Vgl. Brief
2875,
88 – 102.
Herrmann] Hermann Baier
[Schließen]
Was Dir
Herrmann
geschrieben hat, hat er wol nur so gemeint, es sei etwas
höheres gewesen als was die Welt Glaube und Gebet nennt, denn sonst
giebt es wol nichts höheres. Das göttliche wohnt
allerdings in den Menschen auf eine sehr
verschiedene Weise, in Einigen weit unmittelbarer und
kräftiger, und auch in seinen höchsten und
herrlichsten Aeußerungen erscheint es
unter verschiedenen Umständen bald mehr als hervorgebracht
bald mehr als gegeben; aber auch das Gegebene
beruht doch immer auf dem was der Mensch
selbstthätig in sich gebildet hat, es ist der Segen des
Glaubens und des Gebetes. Alles Göttliche ist das
gemeinsame Gut aller Menschen; aber es kommt
einigen durch Andere, und so auch einem und
demselben in einigen Momenten durch andere; einen
anderen Unterschied kenne ich nicht.
Doch darüber wollen wir noch viel sprechen
meine süße Tochter und Väterchen wird
dir schon alles deutlich machen was er weiß und
fühlt.
Hast Du denn auch
Herrmann
recht viel freundliches und im engsten Sinne brüderliches
von mir gesagt? ich kann
ihm
über den ursprünglichen Text geschriebenDir
gar nicht genug sagen wie ich ihn liebe.
Er gehört mir unter die liebsten
Vermächtnisse von Ehrenfried , und
ganz eigentlich ist er mir ein Vermächtniß weil ich ihn
erst nach seinem Tode habe in Besiz genommen; er sagt mir so erstaunlich zu,
sein ganzes Wesen ruht so leicht und sicher in meinem
Herzen. Ich weiß nicht ob ihm gegen mich auch so ist, aber
das schadet auch nicht, lieb hat er mich doch gewiß auch,
und ich freue mich recht auf sein Schreiben wenn er nur
Wort hält.
Bei unserer herrlichen Margarethe Amalia Baier [Schließen]
Mutter
Baier
wirst Du meine Stelle gewiß gut vertreten haben denn du weißt
schon wie ich sie ehre und liebe. Es ist eine ganz eigene
Art wie ich ihr angehöre ohne daß wir je viele Worte mit
einander machten, fast etwas wunderbares und
geheimnißvolles ist darin.
Deinen Wunsch an Heinrich Christoph Willich [Schließen]
Willich
zu schreiben hatte ich nun auch schon erfüllt ehe
er zu mir | 40 gelangt war.
Möchte es mir doch recht oft so gehn mit deinen Wünschen
mein liebes einziges Herz! Oft wird das wol zumal in allem
wichtigen; aber in vielen von den lieblichsten
Kleinigkeiten des Lebens habe ich ein rasendes
Ungeschik oft gar nichts zu sehn und nicht
selten es ganz verkehrt zu treffen.
Da sollten dann unsere Henriette Herz [Schließen]
Jette
und unsere liebe Nanny meine
Augen sein und mein Takt.
Denn was nur möglich ist
möchte ich dir gern lieb machen und zu Dank,
und ich lebe jezt größtentheils in so schönen
Hofnungen als ob recht viel möglich sein würde
und das Leben auch äußerlich recht anmuthig und behaglich.
Das kommt daher weil ich glaube mit Dir
alles zu bekommen womit der Himmel mich segnen kann und
weil ich mir Dein holdes Wesen und das Leben mit dir gar
nicht auf irgend eine Art kann getrübt denken. Süßes Herz wie will ich Dir
schmeicheln wie will ich Dir liebkosen wie will ich Dich
auf Händen tragen, und wie tüchtig und ernst soll auch
wieder das ganze Leben sein.
Sachanmerkung:
Die ... freundlichen Entgegenkommen;] Vgl. Brief
2875,
174.
Marianne] Marianne von Willich
[Schließen]
Die gute treue
Marianne
hat mir recht herzliche Freude gemacht mit
ihrem freundlichen Entgegenkommen;
Vgl. Brief
*2894. [Schließen]ich lege wol noch ein Paar Worte an sie
bei
und bitte dagegen Schwester Luise von Mühlenfels spätere Benda [Schließen]
Luise
sich für dies mal zu gedulden. Meinst Du nicht auch liebe Jette,
ich bin wirklich über der Zeileso
stolz es
zu glauben daß noch nie Kinder mit einem größeren
Vertrauen und aufrichtigerer Freude sind in die
Hände eines zweiten Vaters gegeben worden. Liebste Jette
wie bin ich doch glüklich durch Dich durch dein schönes
Wort! wie herrlich ruht das ganze neue Leben auf Liebe und
Freundschaft! und Ehrenfrieds
Liebe und Freundschaft der erste Grund von
allem.
Neulich ging ich an einem
Leichenwagen vorbei; da fiel mir mein eigenes Begräbniß
ein und ich sah Dich zum zweitenmal als Wittwe, aber es
war mir ganz wohl und schön dabei zu Muthe, ich fühlte so innig als
nur je die Liebe und die herzliche Theilnahme so viel
trefflicher Menschen, ich wußte Du würdest
wissen, Du habest mich ganz glüklich gemacht
und gesättigt an allem was das Leben Schönes | 40v geben
kann sei ich entschlummert, und so müßte Dir auch wohl
sein dabei, wemüthig aber innig wohl, und reich müßtest du
dich fühlen in der Erinnerung und im Besiz aller Denkmäler
unseres gemeinsamen schönen Lebens. Hast Du nicht auch
schon an den Tod gedacht seit unserm Bunde, und nicht
ebenso? – Aber ich komme so ins schlecht schreiben hinein
aus Eile daß Du gewiß nichts mehr lesen kannst,
und ich muß auch warlich aufhören wenn ich noch
ein Paar Zeilen an Mariane schreiben will.
Was hat denn die Amalie Hahne [Schließen]
Hane
gesagt? Hat die auch schon etwas vorher geahnet? oder ist sie
zu mädchenhaft um so etwas zu sagen.
Hier wissen es nun Reimers
und
Gass
und
Spaldings
, und noch so ein und der andere Freund, aber ich
sage es doch jedem als ein Geheimniß damit es mir nicht
ganz öffentlich wird.
In Wiek, Ort auf Rügen [Schließen]
Wyk
wirst Du es nun wahrscheinlich auch gesagt haben; doch das
interessirt mich wenig.
Uebermorgen schikke ich Charlotte Schleiermacher [Schließen]
Lotten
Deine lieben Zeilen, die ihr herzliche Freude
machen werden.
Und nun lebe wohl für heute
mein theures einziges Leben. Gieb mir noch einen herzlichen Kuß
und drükke mir die Hand und lasse sie dann los wenn Du sie
auch gern halten möchtest damit ich nur wirklich
fortkomme. Aber wie sehe ich dir noch nach Du süße Jette mit
den lieben Kindern
Wie sieht er denn aus, fragte Nanny als ich zu Tische kam? – Ei nun sagte ich, ich sehe aus als wenn ich an Jettchen geschrieben hätte.
Vgl. Brief. [Schließen]Es thut doch nichts daß ich Dir den Brief an Mariane ganz offen einlege. – Aber wo bist Du nun liebes Herz? ich adressire doch wieder nach Poseriz , das kommt mir am sichersten vor; möchtest Du nur deshalb nicht zu lange warten müssen. – Vgl. Brief 2868. [Schließen] Die Cummerow hat mir geschrieben daß sie Dir so geschrieben hat.
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