Sagard. den 17t Octo. 8.
N. 12
Du süßer lieber Ernst wie habe ich mich innig darnach gesehnt mit Dir
zu plaudern und wie lange dünkt es mir daß ich es nicht
that. Ich konnte hier in Sagard noch keine ruhige Stunde finden. Seit 4 Tagen bin ich
hier.
Heute ist unsere theure
Henriette Herz
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Jette
zu meiner großen Freude auch gekommen. Vgl. Brief
2856.
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Sie hat mir das liebe Briefchen vom 6ten
October das Buch und die
Bonbons gebracht.
Für alles möchte ich Dir
danken mit den süßesten Liebkosungen; auf dem
Papier weiß ich doch gar nicht was ich Dir für Worte
schreiben soll die ausdrücken könnten wie mir gegen Dich zu
Muthe ist wie unsäglich lieb ich Dich habe – mein lieber
süßer Mann – Gott wie unaussprechlich Großes habe ich in
Dir! wisse doch daß ich alles und
alles recht fühle – daß ich Gott oft aus der Tiefe meiner
Seele danke – in einem Meer von Glükseeligkeit
schwimme.
Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe
mit Ehrenfried von Willich, vgl. Brief
2856,
14 – 24.
[Schließen]Wie entzückt es mich ordentlich was Du mir von Deiner Liebe zu
unsern Kindern sagst – ja ich kann es mir
ganz vorstellen – fühle ich doch
wie ich es lieben würde hättest Du ein Kind –
und wie ich unsere Kinder
liebe noch ganz eigen darum weil sie
Ehrenfrieds Kinder sind und er für
uns nicht anders lebt als nur in ihnen.
O es ist ganz köstlich daß Du so
ihr Vater bist; und sage mir doch nichts von Dank.
Gott wo soll ich denn bleiben mit all dem Dank den
ich fühle und den Du verschmähest.
| 43v
Vgl. Brief
2856,
27 – 42.
[Schließen]Lieber Ernst recht aufzufinden weiß ich es nicht wo ich mit Jettchen
gefehlt habe.
Vgl. Brief
2844,
15 – 28.
[Schließen] Eigentlich scheint mir auch das wovon ich Dir neulich
erzählte mehr Spiel und Kinderei als
wirckliche Unart zu sein, doch werde ich es ferner
nicht dulden, gehorsam ist mir Jette
doch eigentlich und Gewalt habe ich doch mehr über
sie als irgend ein Andrer.
Sie zu
beschäftigen gelingt mir ziemlich gut, sie ist
ämsig und beharrlich. Was meinst Du wenn ich ihr
allmählig die Buchstaben lehrte?
Wie süß war das kleine Ding heute da sie von deinen Bonbons abtheilte und dabei von ihrem Lieben Schleiermacher sprach. Ernst wie wird mir sein wenn sie nun Vater sagt – –
Unser Ehrenfried von Willich (d. J.)
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Friedle
ist wieder recht kräftig; er hat eine Stimme darüber alle
sich verwundern, und gebraucht sie redlig. Er schreit gewaltig wenn es
nicht nach seinem Sinne geht und
korr. v. Hg. aus: daßdas
muß oft geschehn denn er ist voll Eigenheiten denen man
nicht immer nachgeben kann. Dabei ist er
gewaltig lustig und eins ums andre zärtlich und
tirannisch gegen seine Schwester. Seine Gefräßigkeit wird
mir nur ordentlich fatal und korr. v. Hg. aus: daßdas
kostet so viel Thränen weil er nicht so viel
kriegen kann als er mag.
Lieber Ernst ich muß oft denken wie es doch zugehn
mag daß ich so gewaltig
unruhige Kinder habe es ist wircklig ein eigner
unruhiger Geist in ihnen | 44
korr. v. Hg. aus: daßdas
bemerken Alle. Wie schwer sie zu warten sind korr. v. Hg. aus: daßdas
denkst du dir nicht. So kleine Engel und doch einen kleinen
Teufel im Hinterhalte bei beiden. Je gesünder sie sind
desto weniger komt er zum Vorschein wären sie doch recht
gesund! ich begreife nicht daß sie es nicht sind.
Mir fällt oft ein ob es kann Zusammenhang haben daß
Ehrenfried als Kind unerhört gekränkelt
hat.
Ich kann immer nicht
anders als mir vorstellen daß in dem neuen Leben auch alles
Fehlerhafte an ihnen wird wie abgewaschen sein, daß sie
gleich werden mit ergriffen werden von der schönen
Harmonie des Lebens die sie umgiebt.
So ist mir so angst bei
Henriette Marianne Pauline von Willich
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Jette
vor dem Reflektiren auf sich selbst, und
gewiß sie ist schon weit darin; Da hoffe ich auch immer daß
sie aufgeregt, überrascht, durch alle neue
Gegenstände die sie umgeben werden ihr kleines
Ich wieder etwas vergessen und verlieren wird. – O Ernst wie entsezlich bange Muttersorgen würde ich
leiden hätte ich Dich nicht!
Deine Briefe habe ich nun alle richtig erhalten es war einmahl eine Lücke, es müssen Briefe übergelegen haben, während ich Dir ein wenig besorgt schrieb. Ich habe nun schon einen schönen Schatz von Dir. Vgl. Brief 2856, 43 – 45.
[Schließen]Es geht mir recht nahe daß Du Unruhe darum gehabt hast. Der Himmel gebe doch daß ich diese meine größte Freude nicht lange entbehren | 44v solle. Vgl. Brief 2856, 60 – 64.
[Schließen] Wir wissen hier nichts von den Engländern und von keiner Furcht. Wenn aus dem Anderen nichts wird könnte es mir doch nur nahe gehn weil du wünschest daß es geschehe. Wir schwachherzigen Frauen würden uns wohl sehr des sichern Weges freuen, doch war ich nun schon ganz ruhig und gefaßt. – Lieber Ernst hier wird unsere Verbindung nicht lange mehr Geheimniß bleiben es wissen schon zu Viele darum, mir ist es auch gar nicht mehr störend wenn auch alle Welt es weiß. Aber sage doch deinen Freunden dort es auch. Vgl. Brief 2856, 86 – 93.
[Schließen] Wie mich das freut von deiner Schwester Lotte ! ich kann es dir nicht sagen ich habe sie wircklich schon so herzlich lieb bei ihr ist mir auch ganz sicher zu Muthe daß ich ihr lieb bleiben werde wenn sie mich wird kennen lernen, so ist es mir nicht bei den Berliner Freunden die doch manches an mir vermissen müssen was die Welt giebt und ich also nicht haben kann. Für heute gute Nacht mein Geliebter, ich hänge an Deinen Lippen und kann mich nicht los machen und sehe immer tiefer und tiefer in dein liebes Auge hinein. Ich küße deine lieben Hände mein Väterchen mit Zärtlichkeit und andächtiger Verehrung – | 45
Vgl. Brief
2850,
25 – 28.
[Schließen]Sehr hat es mich gefreut daß durch mich Dein Verhältniß mit
Nanny
inniger noch geworden ist,
o Ernst es ist so herrlich was Du mir da alles
sagst, und wenn ich so viel Theil schon haben soll
an allem Schönen was jezt aus dir hervorgeht so muß ich das
stille hinnehmen und kann nicht demüthig
und bescheiden wiedersprechen, denn es gilt nicht mir, es ist die
Wirkung des wahrhaft göttlichen in unserer Liebe.
Vgl. Brief
2850,
21 – 25.
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Ja Ernst theilen
werde ich alles was dich beschäftiget mit dem
innigsten Interesse so bald ich nur irgend
Fähigkeit es zu verstehn habe – o korr. v. Hg. aus: daßdas
kennst du noch gar nicht recht an mir wie ich mich
für alles interessire. – Gesehen hast Du schon aus einem früheren Briefe
daß über unser schönes Verhältniß ich nun auch durchaus im
Reinen bin, auch habe ich Keinem von den
Unsrigen etwas anders angemerckt.
Noch gestern
erhielt ich von Herrman
Beier sehr herzliche Worte, er sagte, er
könne nur mit Ehrfurcht für die wunderbaren Fügungen in
meinem Leben, meinen Gruß erwiedern, den ich seiner Mutter für ihn
gegeben.
Die Heiterkeit und Ruhe die
mich durch alles Leid hindurch getragen, sei doch mehr
gewesen als was die
Welt Glauben und Gebet nenne: Lieber Ernst ich weiß nicht
recht wie er das gemeint hat: mehr als Glauben und
Gebet: Klingt das nicht als rede er vielleicht von
unmittelbarer Einwirkung Gottes in der Seele, als gegebne
Ruhe und Stärke, nicht allein auf die Weise wie sie jedem
frommen sich sehnenden Gemüthe werden, sondern recht
wircklich hineingesenkt von oben? Lieber Ernst vielleicht
ist das verwirrt was ich rede, aber ich | 45v will
nun einmahl gar nicht mehr blöde sein gegen Dich. Sage mir
ob er das wohl hat meinen können, und ob Du auch wohl
glaubst an solche Gnadenwirkungen, nicht als
allgemeines Gut der Menschen, sondern in Einigen vorzugsweise?
Vgl. Brief
2850,
77 – 97.
[Schließen]Das ist wohl schade daß Du mir nicht gleich antworten konntest auf
jene Punkte in meinem Briefe. Bis zum mündlichen
das ist noch sehr weit hin – Wie mir war, mein
Ernst, in jener Stunde da Du Dein Herz mir
öffnetest? Ganze volle Freude war noch nicht in
mir, ich wußte nicht gewiß ob Du mich wircklich
liebest wie es auch in mir nicht entschieden war
ob ich ganz würde Dein sein – und so war eine sonderbare
Unsicherheit in mir ob ich es annehmen
dürfe um Deinetwillen. Für mich fühlte ich gleich sei es das
höchste Glück nur in Deiner Nähe zu leben mit den
Kindern, aber um Dich konnte ich nur zur Ruhe kommen nach den
vielen wiederholten Versicherungen von Deiner
Seite. Und so
allmählich ward mir immer klarer immer freudiger
und meine Liebe zu Dir vermehrte sich
mit jeder Stunde. Und auch schon in den Augenblicken da ich in
deine Hand einschlug und an Deine Brust
mich lehnte war mir sehr wohl meinen Gedanken
wollte es nur noch nicht ganz ein daß Du solltest so an
mich gebunden sein und Deiner wircklichen
Liebe war ich nicht ganz gewiß. Nun weiß ich es
wie es ist und o Gott wie bin ich glücklich!
O mein Ernst wie habe ich darum gewußt um die ganze Reinheit ja die
Heiligkeit in Dir bei jeder | 46
traulichen Annäherung – ja darum bist du ja auch ein so
göttlicher Mensch weil in Dir alles dem Heiligen dient, darum
liebe ich Dich auch so unaussprechlich und kann
so dein sein. Und wenn ein bängliches Gefühl bei dem
Denken an die Zukunft mich augenblicklich
ergreifen kann, so schwindet es so gleich wieder bei dem lebendigen
Anschauen Deiner schönen Zartheit Deines ganz herrlichen Wesens,
und ich weiß daß ich ganz ruhig sein kann und daß
so gewiß wir einst einander ganz in jedem Sinne
angehören werden, doch die Zeit wann es sein
wird, nicht von der äußern Harmonie abhangen wird die uns
vereinigt, sondern daß du es ganz verstehn und
theilen wirst wenn ich auch noch einige Zeit ganz als Dein
Töchterchen bei dir bin.
Herzens-Väterchen ich kann Dir so alles sagen wie sonst
keinem Menschen und wenn ich erst bei Dir bin und Dir
nichts verborgen bleiben wird was mich je gefreut und
getrübt hat dann wirst du mich noch beßer verstehen. Höre Ernst das ist ganz einzig
daß Du durch neue Eifersucht die alte aufheben willst! Vgl. Brief
2850,
98 – 116.
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also das soll mich curiren daß Du Dich in
Königsberg auch
verliebt hast?
und
mir da eine Menge Reitze nennst die mir alle
abgehen? nein korr. v. Hg. aus: daßdas
muß wahr sein daß du von der Eifersucht nichts
verstehst.
Uebrigens hat Lotte
Cummerow
Spr 25,22, Röm 12,20
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recht feurige Kohlen auf mein Haupt gesammelt.
Ich habe einen Brief von ihr voll so herzlicher
Worte daß ich ganz beschämt war. | 46v
Vgl. Brief
[Schließen]Du seiest ihr Bruder sagt sie und so begrüßt sie auch mich
mit dem schwesterlichen Du.
–
Wenn Du an Willich recht bald
schriebest wäre mir lieb, ich glaube er wartet
darauf.
Sonst fällt mir niemand
ein an den es nothwendig wäre. An
Kathen das verschiebe bis du etwas gewißes von
deiner Laage sagen kannst.
Vgl. Brief
2850,
36 – 39.
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Wäre es dir denn nicht auch das Liebste in
Berlin zu bleiben? Du schreibst so hin
und her darüber daß ich nicht recht
weiß was dir ahnet.
Charlotte von Kathen, Henriette von Willichs
Schwester, bei der Henriette Herz seit Ostern 1808 eine Stelle als
Erzieherin der Kinder inne hatte.
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Jette
wird dir von ihrem Gespräch mit Lotte
gesagt haben. Ernst es thut mir ordentlich wehe daß
es nicht so schön mit Beiden ist als es sein könnte. Ich
meine nicht daß etwas zwischen ihnen wäre aber es ist mir
doch schon lange so als ob Lotte lange nicht so Jette und
ihr Dortsein genösse als ich es würde an ihrer
Stelle.
Ich freue mich recht
daß die gute
Mariane
an Dich schreiben will –
Ist es dir denn schon mit
meinen Briefen begegnet daß du zuerst mich mißverstanden
hast und sich späterhin es dir gelöset? sage mir
das doch.
Vgl. Brief
2850,
141 f..
[Schließen]Mein Lieber Du hast mich noch gar nicht gescholten viel weniger
unsanft. Es war ein bloßer Einfall mir
war so du müßest doch nothwendig bisweilen etwas
finden –
Gar große Freude hast du mit den Bonbons
gemacht und daß du selbst hin warst welche zu
kaufen kann man merken, denn Du bist nicht
sparsam gewesen. Vgl. Brief
2856,
93 – 98; bei dem historischen Buch handelt es sich um Herodots
„Historien“.
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Mir thut es sehr
leid daß ich das botanische Buch werde nicht viel
mehr anwenden können dies Jahr;
auf das historische freue ich mich ganz
kindisch, nur kein
französisches bitte bitte.
| 47
Wie mir oft die schönen Augenblicke hier lebhaft werden die wir hier in
Sagard zusammen hatten. Heute Abend bei
Tische verlor ich mich ganz in der Erinnerung eines
schönen Abends wie wir auch zusammen am Tische saßen wir
hatten viel gesprochen und hernach legtest Du deine Hand so
sanft auf meine die auf meinem Schooße lag und
ließest sie so lange lange ruhen und mich freute dies
kleine Zeichen deiner Zuneigung so innig und
mir war so wohl ich hätte die liebe Hand gerne gar nicht
laßen mögen. Mein Ernst wie habe ich Dich doch so ganz,
ganz außerordentlich lieb. Gott wie wird mir sein wenn ich
Dich nun wieder habe – und wenn ich
Dich habe mit dem Gefühl daß Du nun mein bist fürs ganze
Leben – Ich schicke dir ein paar Worte für unsere
Lotte
.
Morgen früh reisen wir nach Altenkirchen gegen
Abend nach Wieck wo wir die Nacht bleiben, Henriette Pauline Marianne von Willich
[Schließen]Klein
Jettchen
mit.
Friedle bleibt unter Mariane von Willich
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Marianens
Obhut.
Ich habe hier nun
alle meine alten Sachen | 47v
aufgeräumt und in Ordnung gebracht. O Ernst wie bin ich da
in die Vergangenheit hinein geführt, und wie ist mir
Ehrenfried oft lebendig
geworden auch in seinem irdischen Leben. – Gott lob daß ich nun Dich
habe. Schlafe wohl, ich schlafe mit dem Gedanken an Dich
mit den lieblichsten Phantasien ein Deine
Jette.
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