den 7t Octob. 8.

N. 10

Ich wollte eigentlich diesmaal nicht schreiben, doch habe ich eine kleine Bitte an Dich die ich nicht aufschieben will und nun merke ich recht wie es mir lieb ist daß ich nun doch dazu komme – wie gerne ich mit Dir plaudere süßer Ernst.  Vgl. Brief 2837, 15 – 19. [Schließen]Und noch einmahl so gern nun Du mir gesagt hast daß Dir meine Briefe auch Freude machen.

 Vgl. Brief 2837. [Schließen]Lieber theurer Ernst wie hat Dein lezter mir wieder außerordentliche Freude gemacht – Wie lange lese ich an so einem Briefe jedes liebkosende Wort sauge ich langsam ein, Du bist mir ganz gegenwärtig und meine Brust hebt sich in eben der Bewegung als säßen wir wircklich bei ein ander Hand in Hand und Auge in Auge – Gott wie ich doch glücklich sein werde wenn es nun wircklich sein wird du lieber Mann – wenn mein Liebe erfülltes Herz sich nun auslassen darf, wenn ich Dich herzen kann so viel ich nur will Herzens-Väterchen! O Ernst es ist gar zu schön mit uns. Siehe ich fühle ganz den hohen heiligen Ernst unseres Bundes aber auch all die kleinen süßen Liebesbezeigungen rühren mein Herz und so wird es gewiß unser ganzes Leben hindurch sein, ernste große Momente und fröhliches süßes Leben in der Gegenwart – Aber nein ich kann da gar nicht so entgegen setzen und trennen. Hoher Ernst ist mir in den Momenten inniger Liebkosung und in solchem Augenblick wo ein inniger Kuß die ganze Vereinigung unserer | 37v Seelen aussprach welch ein Gefühl der Heiligkeit der Liebe durchströmte mich da – ich kann Dir gar nicht sagen wie ich fühle daß dann das Heiligste und Größte die höchste Anbetung deren ich fähig bin, in mir lebendig ist, eine wahrhaft religiöse Stimmung in mir wohnt

Aber Lieber ist es Dir auch unlieb daß ich aussprechen will was eigentlich nicht zum aussprechen ist?



Lieber Ernst ich wollte Dich fragen ob Du mir wohl könntest einige Stücken weiße Schlesische Leinwand aus Schlesien kommen lassen? und ob es denn mit der Bezahlung noch einige Zeit währen dürfe? Du selbst solltest aber auch nicht auslegen sondern  Henriette Herz [Schließen] Jette meint in Schlesien würde es mit der Bezahlung nicht so eilen. Du könntest mir recht einen Dienst hierdurch thun, theils habe ich so große Lust zu dem schlesischen Lein und theils ist der Geldmangel hier so groß daß ich noch nicht weiß wie es werden wird. Ich habe dieses Frühjahr 200 Thaler Zinsen von meinem  Friedrich von Mühlenfels [Schließen] Bruder zu fordern aber er wird leider wohl gar nichts bezahlen können, ich hoffe noch daß Israel mir wird helfen können. Ich hätte also gerne lieber Ernst 2 Stücken weiße Leinwand von der Feine wie  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny sie passend findet zu Hemden und Bettüberzüge, und dann zwei Kleider von der Art wie Nanny und Jette welche haben, und so viel zu einigen Anzügen für die  Kinder der Henriette Herz aus erster Ehe [Schließen] Kinder . | 38 Die Wahl der Farben überlasse ich ganz Nanny, sie soll mir keine Proben schicken ich weiß ich bin zufrieden mit ihrer Wahl und sie kennt die Zeuge besser als ich ich glaube es wird recht meine Haupttracht werden künftig, ich liebe es sehr. Wenn es aber irgend Schwierigkeit hat die Zeuge auf Credit zu bekommen so schreibe es mir doch unverhohlen – auch wenn Du meinst daß der Transport beträchtlich würde und vielleicht weit überträge  korr. v. Hg. aus: daßdas was die Leinwand hier theurer ist als dort. Aber wenn Du meinst daß es geht so thue mir nur den Gefallen es bald zu betreiben, ich möchte so gerne ein bischen in Ordnung sein mit meinen Sachen wenn Du im Frühjahr komst und habe so wenig Zeit daß ich nur sehr allmählig was beschaffen kann[.]  Vgl. Brief 2823, 34 – 37. [Schließen] Lieber Ernst Du sagst in deinem Briefe wenn sich eine Möglichkeit aufthäte würdest Du noch vor dem Frühjahr kommen – Lieber das ist ganz unmöglich daß ich dir früher folgen kann. Die Kinder können nicht anders als im milden Wetter eine solche Reise machen und es würde alles so über Kopf gehen und ich bin darin schwach daß mich das ordentlich etwas stören kann. Meine Sehnsucht bei Dir zu sein bezog sich hauptsächlich auf die Zeit der Noth und Gefahr das geht nun doch einmahl nicht ist ganz unmöglich, so laß uns nun jeder in seinem Fach recht alles in Ordnung bringen daß wir hernach wenn das schöne Leben beginnt nicht gar zu viel mit dem Äußeren zu schaffen haben. Du verstehst dies doch wohl nicht so als wenn ich mich gar nicht nach | 38v Dir sehne. Theurer lieber Mann, täglich und stündlich, aber ich bin ganz ruhig wenn es auch so bald nicht wircklich wird das schöne Leben, liegt es doch so klar so lieblich vor mir – und ich fühle bestimmt daß ich auch jezt immer und immer vertrauter mit dir werde. –  Vgl. Brief 2837, 27 – 31. [Schließen]Du vermissest in meinem Briefe die Liebkosungen? Lieber wisse doch daß mein Herz Dir die allersüßesten zärtlichsten für Dich eingiebt, zu schreiben weiß ich sie Dir aber doch nicht recht.  Vgl. Brief 2837, 68 – 77. [Schließen] Wie haben Jette und ich gelacht über die Unausstehlichkeiten die ich von ihr erfahren sollte, noch habe ich nichts herausgebracht, und wenn es nichts andres ist als worüber ich habe klagen hören gegen Dich nehmlich die Heftigkeit und das Abfertigen wenn man etwas sagt  korr. v. Hg. aus: daßdas Dir nicht recht ist, so stelle ich mir das nur als eine kleine Lust vor, denn im Ernst böse kannst du niemals auf mich sein und ich nie im Ernst empfindlich aber ich thue denn doch so, und dem folgt hernach eine Aussöhnung im ernsten Styl, und das ist gar was liebliches und süßes.    Vgl. Brief 2837, 102 – 105.  [Schließen]  Gott wie mich das erfreut daß Deine Freunde alle mit Zuversicht auf mich sehen und ihnen alles recht nun ist, kann ich dir gar nicht sagen. O Ernst ich denke recht oft an  Eleonore Christiane Grunow, Friedrich Schleiermachers große Liebe vor der Verbindung mit Henriette von Willich [Schließen] Eleonore , und mit wahrer Rührung; der Gedanke daß sie Deine ganze Liebe besessen bewegt mich sehr und du kannst glauben daß mir sehr heilig ist was in jener Zeit dein eigenstes tiefstes Leben ausmachte – Dein ganzes Gemüth erfüllte. Ich habe oft gedacht dir müste doch so sein als könntest du so glücklich nicht mit mir werden als Du es wärest, wäre Eleonore damals deine geworden und wenn es freilich noch himmlischer für mich wäre | 39 fühltest Du dies nicht, so kann es mich doch auch nicht trübe machen wenn es so ist, ich weiß nicht wie das zugeht, aber ich bin so ganz glücklich in der Ueberzeugung daß dir jezt Niemand lieber und näher ist als ich. Siehe mir ist als wenn Leonore Dir nicht könnte näher angehört haben als ich aber Du liebtest sie mit der heißen Sehnsucht sie zu erretten mit dem ganzen Feuer der Jugend

O lieber Ernst ich bitte Dich vergieb es mir doch daß ich so deine Gefühle habe aufdecken wollen sage mir daß Du mir vergiebst mich reut es sonst gar zu sehr –

Von der  Pauline von Hochwächter, Henriette von Willichs Schwester [Schließen] Hochwächter habe ich recht freundliche Antwort erhalten, sie müße mich weniger lieb haben wenn sie mich nicht sehr glücklich schätzen solle in der Verbindung mit einem Manne der so allgemeinen Ruhm habe. Da hast Du es auch von der! Daß die Kummerow kein Wort hat hören laßen wundert mich, ich habe ihr recht freundlich durch die Israel von uns sagen lassen. Höre gegen die fühle ich nun wircklich etwas Eifersucht. Was hast du denn überhaupt sie viel zu küssen brauchen? ich glaube mit allen deinen Freundinnen wird es mir doch etwas zu arg.

  Vgl. Schleiermachers Brief *2841 an Sophie Schlichtkrull, Ehrenfried von Willichs Schwester, bei der Henriette nach dem Tod ihres ersten Gatten mit ihren Kindern wohnte. [Schließen] Und dann Du böser Ernst da giebst Du Sophien den Auftrag auf die Kinder Acht zu haben wegen des Obstes, und sie bekommen so gar nichts als was durch meine oder Sophiens Hände geht – Du weiß also noch gar nicht wie ich immer um die Kinder bin.

Ernst lieber Mann habe mich auch recht lieb. | 39v Gott sei mit Dir.  Vgl. Brief 2809, 5 – 13 von Henriette von Willich und Brief 2837 von F. Schleiermacher. Henriette Willich spielt auf den Umstand an, dass aufgrund von Zensur einzelne Briefe ihr Ziel nicht erreichen könnten.  [Schließen]Habe das Zettelchen auch im Sinne das in Jettens Briefe lag mich hat es doch sehr erschüttert es zeigt die Möglichkeit von dem was schrecklich wäre – Dein lezter Brief war nicht nummerirt, war es nicht No 10?

Tausend Grüße an Nanny und den Freunden die schon Theil an mir nehmen

Unsere Kinder schicken Dir Grüße und Küße

mit aller Liebe. Deine Jette.

 Vgl. Brief 2837. [Schließen] Dein lezter Brief war auch in Stettin erbrochen und versiegelt. Sophie wird Dir bald antworten. Die Post eilt[,] daher nichts mehr von den andern Freunden.

Zitierhinweis

2860: Von Henriette von Willich. Poseritz, Freitag, 7. 10. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006689 (Stand: 26.7.2022)

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