Kbg d. 11t. Sept. 8
No 9.
Henriette Pauline Marianne von Willich, vgl. Brief
2803,
52 – 108.
[Schließen]Ja wol liebe HerzensJette eine recht große Freude hat mir Dein lezter
unerwarteter Brief gemacht und Du bist doch durch
und durch gut daß du dir die Zeit dazu so recht
abgestohlen hast und daß du mir soviel und so ordentlich von
unserem kleinen Töchterchen
schreibst.
Vgl. Brief
2823.
[Schließen]Mein Brief an Dich war kaum ein Paar Stunden auf der Post und vielleicht noch nicht
abgegangen als ich den Brief erhielt von Vgl. den Brief
*2813 von Anne (Nanny)
Schleiermacher.
[Schließen]
Nanny
couvertirt, in dem ich gewiß keinen von Dir suchte da
ich erst den lezten Posttag einen gehabt.
Vgl. Brief
2801 und Brief
2818.
[Schließen]Daß ich Deinen vorlezten Brief nicht mißverstanden wird Dir wol der
meinige gesagt haben. Wie wäre es wol auch möglich Du liebes Herz daß ich
Dich so mißverstehen könnte daß ich Dir eine Gesinnung andichtete
die Du ja gar nicht haben kannst und ganz der zuwider, die
ich so gründlich und so lange schon an Dir
kenne. Was Dir zuerst vor
vier Jahren mein Herz so ganz gewonnen hat, das war eben
die herrliche Verbindung von Lieblichkeit und tiefem Gefühl
mit leichtem Frohsinn, Stärke und
Herzhaftigkeit. Könnte ich Dir doch recht sagen wie mir zu Muthe war als ich
Dich zuerst sah in Klein Götemiz
und als wir auf
Stubbenkammer zusammen am Rande
des Ufers herumliefen.
Ich liebte Dich und Deine Liebe zu
Ehrenfried so innig daß mein ganzes Wesen
darin aufgelöset war; ich hing an Dir auf eine ganz eigne
Weise, mit einem bestimmten Gefühl daß Du mir eigentlich
auch ganz angehörtest nur auf eine andere Weise als Ehrenfrieden; es war die höchste
Zärtlichkeit mit der ich Dir zugethan war, rein väterlich
und freundschaftlich aber ich wäre nicht fähig gewesen
irgend eine andere Liebe stärker zu empfinden als diese.
| 23v
Und als ich Dich in Berlin umarmte da klein Jettchen unter
deinem Herzen ruhte so daß ich das Leben des süßen Kindes
hatte fühlen können wie ich Dich dicht umschlang und recht
aus dem Grunde des Herzens die Frucht Deines
Leibes und deine ganz heilige Ehe und alle Deine Mutterfreuden
segnete war mir eben so zu Muthe, und immer wenn
meine Liebe zu Dir am innigsten hervorbrach war immer auch
Deine Stärke und Dein Muth unter dem was ich am
lebendigsten fühlte, und woran ich mich so recht innig
erfreute. Und damit tröstete ich mich auch als ich zuerst von unsers
theuren Ehrenfrieds
Krankheit hörte und als ich seinen Tod ahnete und erfuhr,
du warst mir immer meine starke Tochter,
Eph 6,10
[Schließen]
stark in dem Herrn
und in
der Kraft Deines schönen Lebens, und ich wußte daß Du es überstehen
würdest und zitterte weder für Dich noch für das Ehrenfried von Willich (d. J.)
[Schließen]
Kind
was Du erwartetest.
So bist Du mir auch jezt meine
starke muthige Braut, und ich habe nur die erste
Ueberraschung der Liebe erkannt in Deinen Aeußerungen, und
ich wußte es gleich daß dich dein Muth nicht verlassen würde, und
daß du auch bald fühlen würdest ich müßte in der That thun
was ich thue und daß du nichts anders wünschen würdest in
meiner Denkungsart und Handlungsweise. Darum bist du eben
auch mein und ganz mein; und weil ich so bin, weil ich Dein
ganzes Wesen noch von einer anderen Seite in Anspruch nehme
als bei Ehrenfrieds Charakter und Laufbahn möglich
war, darum kannst du mich auch noch lieben nach ihm, so wie
du lies: mich
[Schließen]ich
wirklich liebst du süße herrliche.
Nun sage mir aber auch ob
Du recht glaubst an meine Besonnenheit und an meine
Vorsicht, ob es dir leicht wird die Art wie du mich hast
handeln sehn im täglichen Leben auch überzutragen auf ein
größeres Gebiet, so daß du weißt ich werde nicht
leichtsinniger und unnüzer Weise die Gefahr vermehren.
Dieser Glaube wird Dir doch recht nöthig sein
liebste Jette; aber ich denke wenn Du nur
an meine Liebe zu dir und unsern Kleinen glaubst mußt Du auch
vertrauen daß schon diese Liebe mir ein
hinreichendes Maaß von Vorsicht und Besonnenheit einflößen
muß. Mir ist recht zuversichtlich zu Muthe und ich fühle
mich grade in dem Zusammentreffen dieser äußeren Lage mit
unse | 24rem Verein in einem so hohen Grade und auf eine
so lebendige Weise glüklich daß ich es gar nicht
aussprechen kann. Jedes erhöht das andere und bringt es in
das rechte Verhältniß. Könnte ich nicht was ich thue, und ich fühle doch
nun lebendiger daß ich es kann, so würde mir gar nicht so
gewiß sein daß ich ein Recht hätte Anspruch zu machen auf
Dich auf Dein ganzes Dasein, auf Deine Kinder. Und wiederum hätte
ich Dich nicht so würde ich gar nicht so gewiß wissen, wie
viel eigentlich wäre hinter meinem Muth und meiner
Vaterlandsliebe. Nun aber weiß ich daß ich mich neben Jeden
stellen kann, daß ich werth bin ein Vaterland zu
haben, und daß ich werth bin Gatte und Vater zu sein. Behalte also nur immer recht
frischen Muth und gute Hofnung mein süßes Kind wie ich sie
habe, und rechne darauf daß was uns innerlich so wohl thut
uns auch äußerlich gedeihen wird. Rechne auch sicher drauf
daß ich dir nichts verschweige, und sogar darauf daß ich es
Dir sagen werde, wann Du anfangen darfst Dir ernstliche
Sorge zu machen. Jezt kann ich vorläufig noch
einen ganzen Monat der tiefsten Ruhe garantiren.
Was Du mir von unserm kleinsten
Jettchen schreibst ist alles ohngefähr so
wie ich es mir gedacht habe. Wie ungünstig es ist, daß eben alles was
dem Kinde unangenehmes und beschwerliches kommt ihm durch
Dich kommen muß, das kann ich recht mitfühlen, weil ich
gegen
Einer der jüngere Söhne des Friedrich
Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten, bei dem
Schleiermacher vormals Hauslehrer war.
[Schließen]einen meiner Zöglinge in demselben Falle gewesen bin. Ich denke aber daß das der
Mutter doch noch weniger schaden kann als mir damals.
Sehnsüchtiger noch macht mich dies ganze Verhältniß nach
der Vereinigung mit Dir um alle Deine Sorgen zu theilen und
wie ich schon Vater bin aus ganzem Herzen, auch Dir als
Vater handeln zu helfen. Soll ich Dir in wenigen Worten für jezt einen Rath geben,
der aber freilich leichter ist zu geben als auszuführen, so
ist es der:
Sei nicht zu nachsichtig gegen die Andern, Sophie und in der Folge
Luise und leide durchaus nicht daß sie dem Kinde
etwas geben oder versprechen oder Liebes thun als nur mit
Deiner Genehmigung,
und so daß das Kind es auch erfährt Mutter hat erlaubt Dir
das geben, oder | 24v wenn Mutter
erlaubt wollen wir Dir das geben. Dann halte doch nur
strenge auf das Ausweinen lassen und sei nicht bange wenn
es scheint kein Ende nehmen zu wollen; irgend einen Ort giebt es ja
wol immer wo das Weinen des Kindes die Andern nicht zu sehr
stören kann. Dann laß Dich ja nicht auf Zureden ein und
Bitten wenn das Kind schon eigensinnig ist, sondern dann
befiel nur und halte darauf. Aber zu
andern Zeiten wenn sie recht süß ist und lieblich dann rede
ihr recht sanft und herzlich zu in Deinem und meinem Namen.
Endlich wenn es irgend möglich ist, so fange bald an sie,
wenn auch immer nur kurze Zeit hinter einander, mit irgend
etwas regelmäßig was einer Arbeit ähnlich sieht zu
beschäftigen, sobald nemlich Du irgend etwas auffindest was
sie verstehen und wo sie hinein gehen kann; bei
einem dreijährigem Kinde von diesem Geist halte ich das
schon immer für möglich.
Ach wärst Du nur bald mit den süßen Kindern bei mir, das
sollte alles gehn; unterdeß
lege Dir nur nicht zuviel Schuld bei, sondern rechne nicht
wenig darauf daß die Natur den Kindern Mutter und Vater zugedacht hat – ach, sie haben
nun den Vater und er kann ihnen noch nicht helfen. Liebe
einzige, sobald ich irgend eine Möglichkeit sehe und die
Begebenheiten sich nicht zu sehr drängen so beschleunige
ich unsere äußere und gänzliche Verbindung aus allen
Kräften; aber ich fürchte es wird doch vor Frühjahr nichts daraus.
Nur das ist kein Grund daß es besser wäre die Sorge nicht
zu verdoppeln; die Sorge habe ich ja doch um Dich und die
Kinder sonst hätte ich ja die Liebe auch nicht. Habe ich
Euch aber bei mir so kann ich die Sorge befriedigen, was
ich in der Entfernung nicht kann.
Vgl. Brief
2803,
15 – 27.
[Schließen]Das habe ich ganz herrlich gefunden in Deinem Briefe daß Du alles was
du wunderliches von Dir selbst sagst immer gleich
selbst widerlegst. Da sprichst Du von der Armuth
Deines Geistes und Herzens und von dem Reichthum
des meinigen und dann findest Du wieder, daß alles was ich
sage schon vorher Deine Ansicht gewesen ist, nur
nicht so klar und bestimmt
ausgesprochen. Das ist überhaupt mein Beruf klarer darzustellen
was in allen ordentlichen Menschen schon ist und
es ihnen zum Bewußtsein zu bringen.
Aber Du mußt freilich genauer damit übereinstimmen als
viele andere, weil auch das was wirklich meine
Eigenthümlichkeit ist Dir geläufig sein muß | 25 und durchschaulich, sonst könntest du ja
nicht die Meine sein. Dabei bleibe also auch und stelle dich mir gleich wie es Mann
und Weib sein müssen, und wisse es recht daß du mich selig
machst und völlig befriedigst und alle meine Sehnsucht
stillst durch Deine Liebe. Anbeten kannst Du
deswegen doch an mir alles was dem Mann
eigenthümlich ist, das selbstständige Licht der
Erkenntniß und die bildende und bezähmende Kraft so wie
ich an dir alles was dem Weib lies: eigenthümlich ist,
[Schließen]eigenthümlich, ist
die ursprüngliche und ungetrübte Reinheit des Gefühls und
das sich selbst entäußernde pflegende und korr. v. Hg. aus: entwiklelndeentwikelnde
Geschäfft. Und so wollen wir nur immer Eins sein wie es
sich gehört und uns nichts drum kümmern ob oder wie der
Eine mehr ist oder weniger als der Andere.
Habe ich Dir das alles
aber nicht schon einmal gesagt auf dem Wege von Götemiz
nach Poseriz
? Damals aber konnte ich es Dir bekräftigen
mit der innigsten Umarmung, mit den Küssen die die Seelen
mit einander vermischen und gleich machen. Könnte ich das
doch jezt auch, Du liebes süßes Herz! Aber wie oft
umarme ich Dich nicht im Geist! wie lebe ich
eigentlich gar nicht anders als in Deiner Nähe und durch
sie! Und Du fragst ob es Liebe ist die mich Dir gegeben
hat? Doch Du fragst es auch nicht, Du weißt es - Und so schlafe
süß für heute meine köstliche Braut Du schläfst gewiß schon lange umgeben
von den süßen Kindern
.
Vgl. Brief
2811,
20 – 22.
[Schließen]Hast Du auch die Bonbons für sie bekommen die
ich Nanny
befohlen habe zu schikken?
Gott sei mit Dir, ich kann mich kaum losreißen,
aber ich muß doch endlich auch zu Bette.
D. 12t. Liebste Jette ich hätte Dir noch soviel zu schreiben aber leider es
soll diesen Morgen zu Wasser gefahren werden und das ist auch An der so genannten Brunnenaue haben sich
Friedrich Schleiermacher und Henriette von Willich an einem Montag das
Jawort gegeben.
[Schließen]zur Feier der
Brunnenaue
, denn heute ist wieder Montag, recht schön; aber ich
Unglüklicher habe es verschlafen, und werde nun kaum noch
zur rechten Zeit fertig werden. Ich wollte auch noch an Sophie schreiben das muß nun auch bleiben bis Berlin
denn Uebermorgen oder Donnerstag
spätestens werde ich wol endlich
abreisen.
Der 5.9. ist der Geburtstag Ehrenfried von
Willichs sowie von Henriette Herz und zugleich der
Hochzeitstag von Ehrenfried von Willich und Henriette von
Willich.
[Schließen]Habe ich Dir denn auch gesagt wie ich heut vor
acht Tagen den 5ten gefeiert habe in meinem Herzen? O Liebe das soll | 25v uns
immer ein ganz heiliger Tag sein, ganz dem Andenken an
Deine schöne Vergangenheit gewidmet und an den theuren
Verstorbenen der uns gewiß
segnet wie ich ihn und Dich damals gesegnet habe.
Ich weiß noch vor Vier Jahren war ich eben an diesem Tage unterwegens
von Stolpe
nach Halle
,
und zwar so daß ich
Götemiz den Abend noch hätte erreichen
können wenn ich recht viel Geld ausgegeben
und das Projekt hätte fahren lassen meinen Samuel Ernst Timotheus Stubenrauch
[Schließen]
Mutterbruder
zu sehn den ich damals zum leztenmale sah. Ich war in großer Versuchung so
lange die Möglichkeit noch offen blieb und den
ganzen Tag war mein ganzes Herz bei Euch beiden, und auch
den andern Morgen bewillkommte ich euch als neue Gatten
aus voller Seele.
Grüße doch alles und sage der großen Jette
ich wüßte es läge ein Brief von ihr in Berlin
den ich aus Nannys
Nachläßigkeit noch immer nicht bekommen hätte.
Der junge Mann hieß Weber, vgl. Brief
2830,
38 – 49.
[Schließen]
Ich hätte auch für Lotte einen recht braven jungen
Mann auf der Spur er wollte aber erst die
Genehmigung seiner Eltern einholen und das könnte
die Sache noch auf vierzehn Tage verzögern; ich hoffe aber nicht rükgängig machen.
Die Kinder
umarme mir aufs herzlichste und Dich mein süßes Kind umarme
ich mit aller Liebe die es giebt. Immer und ewig Dein Ernst.
Die lieben Wedekes grüßen Dich schönstens.
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