Königsberg Montag d. 29t. Aug. 8

No 6  Vgl. Brief 2799.  [Schließen]Das Zettelchen aus Landsberg war No 5.

Seit Donnerstag Abend bin ich hier in dem Hause meines herrlichen Wedeke der ohnerachtet der großen Veränderung vom Lande zum Stadtleben, zu einem weit ausgedehnten Geschäftskreise, doch ganz der alte geblieben ist in seinem ganzen Thun und Treiben, das einzige ausgenommen, daß er sowol als sie gesünder geworden zu sein scheinen, oder sich wenigstens jezt besser befinden, als ich sie je sonst gesehen habe. Seine Familie besteht aus vier Kindern zwei Knaben als Flügelmänner oben und unten und zwei Mädchen in der Mitte. Mit den Knaben die sich in der Schule herumtreiben lebe ich nicht soviel als mit den Mädchen die beide recht niedlich und lieb sind. Die Freude als ich ankam so ganz wie vom Himmel gefallen kannst du dir nicht denken. Sie war mir im ersten Augenblik etwas peinlich weil sie meine Ankunft so ganz allein auf sich bezogen da doch Geschäfte dabei zum Grunde liegen von denen ich ihnen aber nicht sagen konnte und die ich nun auch, ohnerachtet sie mir viel Zeit wegnehmen, so unmerklich abmachen muß als möglich. Aber das muß ich nun schon hingehn lassen weil es nicht anders sein kann.  Es handelt sich um Caroline Amalie Madeweis, Frau des Matthias Wilhelm Madeweis, ehemals Postdirektor in Halle, seit 1808 in Königsberg, vgl. auch Brief 2811, 32 – 35. [Schließen] Noch eine Familie aus Halle, eine Gefährtin alles dortigen Elendes freute sich so daß die Frau, deren Art das sonst gar nicht ist, mir um den Hals fiel und die Freudenthränen ihr und der Tochter ganz nahe waren. Außerdem habe ich nun die königlichen Kinder gesehen und zu meiner Freude recht frisch und tüchtig gefunden, ich habe einige von den bedeutendsten Männern auf denen die Hofnung meines Vaterlandes beruht kennen gelernt und gedenke noch vielerlei mit ihnen zu verkehren. Gern kehre ich aber immer in das liebe Haus zurük und freue mich jeder ruhigen Stunde die ich hier zubringe und gedenke bei diesem schönen Leben unseres künftigen mit inniger Freude. Es herrscht hier ein Geist der Liebe des Frohsinns der ruhigsten | 18v Zufriedenheit mit allem, Unbekümmerniß um die Welt herzlicher Freundlichkeit gegen Jeden der sich ihnen von selbst nähert – kurz es ist ein kleiner Himmel auf Erden. Das Ganze ist mir nun noch lieber und vollständiger jezt da Wedeke mit seiner Thätigkeit mehr und angemessener in die Welt eingreift. Er thut es zwar eigentlich nicht gern genug, und eine Art von Schäferleben ist immer noch ein Himmel den er sich träumt und wünscht; aber das ist doch nur ein Tribut den er seiner Schwachheit bezahlt seinem Mangel an Sinn für die großen Verhältnisse und er thut doch alles was er zu thun hat recht und tüchtig und was der Mühe werth ist mit großer Lust. Predigen höre ich ihn schwerlich, das thut mir leid; Gestern war nicht seine Reihe, und künftigen Sonntag, wollen die Leute, soll ich für ihn predigen, was ich eigentlich nur in Beziehung auf den Hof und einige wenige Menschen gern thue, denn an dem hiesigen Publicum ist mir gar wenig gelegen ob ich es einmal erbaue oder nicht.

Weiß Du aber wol einzige Jette daß es mir nun schon unendlich lange vorkommt daß ich nichts von Dir gehört habe? Es sind freilich erst vierzehn Tage aber wenn solche außerordentliche Dinge begegnen wie diese Reise und man in einem andern als dem gewöhnlichen Zustande lebt dünket einen die Zeit weit länger. Ich fahre immer noch fort die Montage zu zählen, und feire heute daß es sechs Wochen her ist seit ich in dem neuen Leben wandle. Geboren wurde es doch in dem Augenblik wo Du mir Deine Hand gabst aber auch die seligen Augenblikke wo ich es zuerst vorahndend fühlte wo es gleichsam empfangen wurde rufe ich mir zurük mit der innigsten Freude und Dankbarkeit. Dieselbe Ruhe und Sicherheit dasselbe innere Glükk, mit dem ich  über den ursprünglichen Text geschriebenim Herzen ich Dich aus der Laube über den Steg führte so | 19 daß mir wol niemand angesehen hätte daß mir etwas großes und außerordentliches begegnet ist war ist noch und bleibt in meinem Herzen aber auch die Sehnsucht auch die begeisterte übermüthige Freude mit der ich dich oft umarmt habe, auch die Wemuth über unsern Entschlafenen und dann wieder das herrliche Gefühl seines Beifalls und seines Segens. Liebes Herzenskind ich sehe nun hier alle Tage was für ein herrliches Leben eine Ehe ist, alles andere so gar nichts dagegen. Und Du willst mir dies Leben bereiten, lange nicht mehr gehofftes willst Du mir geben, Vaterantheil an Deinen süßen Kindern – großes ist es, und wenn ich mir alles recht überlege komt es mir oft vor wie ein Opfer was mir Deine kindliche Liebe bringt mit deinem Leben. Doch das wollen wir ja beide lassen und uns nur recht freuen daß dies schöne Glükk sich so gleichmäßig in uns beiden erzeugt hat. Du hast doch auch rechte Zuversicht, daß es uns nicht etwa wie ein Traum verschwinden sondern uns zu einer langen schönen Wirklichkeit gedeihen wird. Ich sehe so sicher durch alle Stürme die vielleicht noch bis zum Frühjahr bevorstehn hindurch daß sich mir auch nie die geringste Sorge naht, und du mein tapferes Mädchen fühlst gewiß auch so. Der Himmel wird mit uns sein und um uns wie er in uns ist. Grüße und küsse die Kinder nach denen ich mich eben so sehne wie nach Dir selbst. Sei mir tausendmal umarmt und grüße mir alle unsere Lieben herzlich. Aber schreibe auch bald wieder recht ordentlich

Deinem Ernst.

Zitierhinweis

2808: An Henriette von Willich. Königsberg, Montag, 29. 8. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006637 (Stand: 26.7.2022)

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