Dem Herrn Doctor Schleiermacher [Autorfußnote Bl. 2v]

Ich will mich nicht mehr darum kümmern, ob die Zeit gekommen oder nicht gekommen, wo ich Ihnen schreiben könnte, sondern will versuchen, bester Schleiermacher, ob ich Ihnen so von Herzen für Ihre freundliche gütige Gesinnung danken kann, als ich es gern möchte.

Bisjetzt hatte ich eine kleine Aengstlichkeit nicht überwinden können, (um es Ihnen aufrichtig zu gestehen,) die mich hinderte Ihnen selbst zu schreiben, obgleich ich andrerseits durch das allergrößte Vertrauen vielfach dazu aufgefordert wurde. Letzters als das bessere hat wie billig gesiegt, und so sey es dann gewagt; nur bitte ich Sie nichts besonderes und außerordentliches zu erwarten, wie Sie es wünschten, sondern in diesen Zeilen den Abdruck meines stillen unveränderten Lebens zu sehen. Das erfreulichste waß mir jetzt wiederfährt, ist wenn meine Lieben, denen meine Sorgfalt und Kräfte angehören, gesund und so froh sind, als es diese Zeit ihnen erlaubt, und dann wenn ich erfreuliche Nachrichten von meinen entfernten Freunden erhalte, die mir Bürge sind, daß es ihnen wohl geht, und sie gern und in Liebe meiner gedenken.   Vgl. Brief *2773. [Schließen] Beydes habe ich aus Ihrem und meiner lieben Nanny's Brief gesehen, und Sie können | 1v denken, wie große Freude er mir gemacht hat. Rügen scheint mir nach den Beschreibungen das gelobte Land, wie wohl muß einem unter so vielen herrlichen Menschen werden. Die Loder ist ja Anfang des Sommers eine Zeitlang hier gewesen, um ihre Sachen in Ordnung zu bringen. Ich habe sie in dieser letzten Zeit öfter als sonst gesehen, und wir haben uns mehr verstanden. Neulich erhielt ich einen recht sehr freundlichen Brief von ihr, welches ich kaum erwarten durfte; doch meine Freunde beschämen mich, fast möchte ich sagen, erziehen mich immer ein wenig. Sie trug mir recht herzliche Grüße an Sie auf, die ich mich nun freue, Ihnen selbst wieder geben zu können. Ihre Grüße an Steffens habe ich ebenfalls abgetragen, sie freuten sich, wie Sie leicht denken werden, so gute Nachricht von Ihnen zu hören. Den Meinigen geht es ziemlich wohl, auch haben wir, Berlin ausgenommen, ziemlich gute Nachricht von Müffling und  Luis Wucherer [Schließen] Louis .  Die hier genannten Personen konnten nicht ermittelt werden. [Schließen]Von den Weimaranern kann ich Ihnen nur sagen, daß Minettens Lieblingswunsch ihren Mann ganz frey vom Militair zu wissen, endlich auch ganz erfüllt ist, und daß sie nun wohl erst recht gedeihen wird, wenn ihr das Hofleben nicht gar | 2 zu sehr zuwider ist.

Von Cassel werden Sie wohl selbst Nachricht haben , da mir  Luise Reichardt [Schließen] Luise schreibt, Sie gedächte eben Ihnen einen Brief zu schicken. – In die neue Samlung Predigten habe ich mich noch nicht so eingelesen wie in die erste, denn fast immer die Zeit, wo ich am einsamsten und ruhigsten mich damit beschäftigen könnte, erquickt sich meine Mutter damit; sie trägt mir auch noch ganz besonders einen recht herzlichen Dank dafür auf, mit dem Zusatz, daß sie schon von manchen Irrthum und Fehler dadurch befreit wär; mit ihrer Gesundheit geht es erträglich,  Emma Müffling, die Nichte Caroline von Wucherers [Schließen] unsre kleine Hausfreude aber nimmt täglich zu an Kraft und Geist. Alle grüßen Sie aufs herzlichste und freuen sich mit mir bald wieder etwas von Ihnen zu hören.

K. Wucherer

Zitierhinweis

2777: Von Caroline Wucherer. Halle, vor dem 5. 8. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006606 (Stand: 26.7.2022)

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