Ich bin den 3ten Pfingsttag nach Westpreußen abgereiset, und habe in Marienfelde und Tuchel das Abendmal gehalten . Ich machte die Hinreise über das unserm Bünting gehörende 1 Meile von Rummelsburg entlegene Dorf Waldow , und war bei Bünting von Diensttag Abends bis Freytag Morgens. Es waren mir recht vergnügte Tage. Wie sehr hat Bünting mir gefallen in seinem Seyn und Wirken. Einen sehr schlimmen Anfang hat er gemacht, außer den gemeinsamen Uebeln hatte er im vorigen Jahre fast gänzlichen Mißwachs und mußte, was er zum Glück gleich vorigen Herbst bei annoch wohlfeilern Preisen that, für 1000 rth Getreide kaufen. Aber wie muthig, wie tapfer hält er sich. Er spricht nie in einem seufzenden, stönenden Ton wie viele, sondern immer besonnen und gefaßt und ruhig von seiner mißlichen Lage.

Wie ich zu ihm kam, stand sein Getreide alles recht gut, aber es lechzete nach Regen, und wenn dieser noch lange ausblieb, so war wieder nichts zu hoffen. Es war des Nachmittags einiger Anschein dazu, aber gegen Abend verschwand er, Bünting sagte dieß mit einer Gefaßtheit und Ruhe, die größer war als bei mir dem persönlich doch ganz unintereßirten. Zu meiner Freude aber | 45v wider alles Erwarten den andern Tag Regen bis zur völligen Genüge, und nun giengen wir Nachmittags in seine Felder und sahen alles erqickt und gelabt. Weil ich ihn so liebe, so lobe ich ihn auch und sage ihm oft viel Schönes. Das will er nicht haben, und sagt, es mache eitel, und ich müste nicht ins Gesicht loben. Ich sagte ihm aber, er mache es schlimmer, ich lobte ihn ins Gesicht, er aber lobte mich hinterücks, und meine Sache wäre es nicht hinterücks von einem Menschen zu sprechen. Vor 6 Wochen logirte er 1 Tag oder 4 bei mir. Die Domersche Frau, seine Tante, hatte spottend, wie er sie, was er 2mal vorher nicht gethan, besucht, ihn empfangen: Untherthänigste Dienerin, hat man doch einmal die Ehre, Ew. Hochwolgeboren zu sehen, Sie logiren beim Hofprediger. Da wird nun wol recht philosophirt und moralisirt. Seine andere Tante, die Prinzen, der Sie, und die Ihnen also auch wol bekannt seyn wird, freute sich einige Zeit nachher im Kadettengarten mich kennen zu lernen, Sie hätte mich von Bünting so sehr loben hören, der hätte bei mir ja logirt. Ja sagte ich zu meinem größten Vergnügen, es wäre ihm zwar sehr verdacht, aber ich hätte ihn gebeten, immer bei mir zu logiren, und ich glaubte, er würde es wagen. Ach ich schreibe Ihnen auch so viel von Bünting!

In Marienfelde war es mir bei dem nach Ihrer Zeit erst hingekommenen 28jährigen Herrn von Greuz(?) und seiner so rein, so innig weiblichen Frau sehr wohl. Ich konnte nicht unterlaßen, den zwar braven tüchtigen und tapfern, aber unter der Last der | 46 Zeiten tief stönenden Ehemann auf den köstlichen wie mich dünckte, ihm verhüllten, Schatz hinzuweisen, den er in einer solchen Frau besäße.

In Tuchel gefiel mir der Amtsrath Klemm und sein tüchtiges Weib sehr. Er schien mir ein so liebens- und ehrwürdiger Mann, und ein so resolutes Weib, wie Sie ist mir noch nicht vorgekommen. Aber, an was für einem Mann habe ich mich auch abjammern müßen! Welch jämmerliche Gestalt, das jämmerliche penible Wesen Ihnen in seiner Eigenthümlichkeit zu schildern verzage ich, und es durch ein Paar Züge, ziemlich treffend, zu charakterisiren, dabei wird mir Angst und Bange. Es war sonst ein herzensguter Mann, aber o weh! Genug davon.

Der gute Schloßprediger Krech(?) ist noch immer untüchtig zu seinen Geschäften; er geht dann und wann aus. Aber ob er je werde die Kanzel besteigen, daran verzweifelt man.

Ihre 2 neusten Schriften hat Reimer mir überschickt.  Vgl. Friedrich Schleiermacher: „Gelegentliche Gedanken über Universitäten“ (1808, KGA I/6, S. 15-100). [Schließen]Sie sind Ihrer durchaus würdig, und die über die Universitäten wird gewiß entschiedene Folgen haben. Ihre Construction des Wesens und der innern Nothwendigkeit einer Universität hat mir überaus gefallen. Um zu urtheilen dazu habe ich die Schrift noch nicht mit gehöriger Ruhe und Muße gelesen.  Friedrich Schleiermacher: „Predigten. Zweite Sammlung“ (1808), KGA III/1, 203-418 [Schließen]Ueber Ihre Predigten aber, als Predigten muß ich den Stab brechen, für Gebildete sind sie nicht, für Philosophen nur. Nicht wegen der Tiefe, als vielmehr wegen der Fülle der Ideen, und deren gegenseitigen | 46v Bedingtheit sind sie für den gemeinen Mann, dem alles, was er denkt, jedes Einzelne ein Absolutes ist, und für den bloß Gebildeten schlechterdings unverständlich. Doch auch Ihre Tiefe. Wer anders, als der Philosoph versteht die tiefe Idee vom Leibe in ihrem Gegensatz gegen die Seele in der Predigt:  Predigt am Neujahrstag 1807: „Was wir fürchten sollen, und was nicht“, über Mt 10,28 (vgl. Friedrich Schleiermacher: „Predigten. Zweite Sammlung“ (1808), S. 147-173; KGA III/1, S. 311-328). [Schließen]Fürchtet euch nicht vor p.

Woran ich gleich Anfangs dachte, das geht, wie der Küster Bolms mir schreibt, zu meiner Freude in Erfüllung; Sie werden Prediger an der DreifaltigkeitsKirche . Bolms soll von Ihnen, Ritter und mir ein Zeugniß einbringen. Es scheint mir unter die Bolmsiana zu gehören, doch habe ich eins bei Reimer eingelegt, von dem er es sich abholen wird.

Gott sey mit Ihnen, lieber Schleiermacher und laße Sie tief eindringen in die bis dahin verborgen gebliebenen Abgründe der Erkenntniß, und gebe,  2 Kor 3,18 [Schließen] daß wir beide, wie Sie es mit der Schrift so schön sagen, umgestaltet werden in das Ebenbild Gottes .

Stolpe den 26t Juni 8.

Metger.

Herrn D. Schleiermacher.

Zitierhinweis

2755: Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Sonntag, 26. 6. 1808 , ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006584 (Stand: 26.7.2022)

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