Halle den 25ten April 08.
Vgl. Brief
*2665.
[Schließen]Indem ich so Ihren letzten Brief, mein theuerster Schleiermacher,
wieder durchlese um auf alles hübsch ordentlich zu
antworten, fällt mir die Sünde es nicht
schon längst gethan zu haben recht schwer aufs Herz. Ich wüßte auch gar nichts zu meiner Entschuldigung
anzuführen, denn daß ich Marcus Phillip Ludwig de Obern (O’Bern), vgl.
Brief
2636,
44 – 54.
[Schließen]bei der bisherigen Krankheit meines Collegen
alle FestPredigten, und zu meiner großen Freude
auch gestern noch eine deutsche für Schäffer
übernommen habe, möchten Sie mir wohl am wenigstens scharf
vorrechnen wie es bei meiner wirklich oft
merkwürdigen Unfähigkeit zur Arbeit mir wohl angerechnet zu
werden verdiente. Ich bin also
ein Sünder aber doch ein reuiger Sünder der recht sehr
wünscht durch Pünktlichkeit wenigstens das
Versäumte aufzuhohlen. Ihre Sachen und Bücher werden Sie wohl sobald noch nicht
erhalten, die Kähne die hier liegen haben schon volle
Ladung, unter andern über 500 Oxhof Seeburger(?) Wein der in
Berlin vermuthlich manche Metamorphose
erleiden wird. Nun muß ich schon auf die Rückkehr der noch
in Berlin befindlichen Kähne warten
und auf die ist durch das hohe Wasser verzögert. Mit der ersten
Gelegenheit aber sollen Sie alle noch übrigen
Sachen und Bücher erhalten, einige
Harscher gehörende Bücher packe ich wohl
mit ein wenn der Raum es gestattet.
Ihre ehemalige Wohnung ist jetzt an die Mad. Weiland
Schwester Es könnte sich um Georg Gottfried Nemitz
handeln.
[Schließen]des verstorbenen
Nehmitz
abgetreten, Ihre Sachen aber sind
geborgen.
Ihre bei
Steffens befindlichen Bücher haben | 23v
mir einige Unannehmlichkeiten gemacht.
Es gab da einen Vergleichungs-Termin wo des Brehme
Mandatarius Büttner sich anfänglich sehr
widerspänstig zeigte, zuletzt
aber doch in die Auslieferung willigte.
Nun aber verzog sich die Ausfertigung
des Dekretes durch Harscher
oder Gott weis wessen Nachlässigkeit
bis zu Steffens
Ankunft, so daß ich nun
natürlich nicht einmal die Freude gehabt habe die Bücher
gerichtlich ausgeliefert zu erhalten. Es hat sich auch bei Steffens das „Jenaische Allgemeine Literaturzeitung“ (JALZ),
vgl. Brief.
[Schließen]
OctoberHeft
der Jenaer LiteraturZeitung
gefunden, von einem andern habe ich nicht
erfahren.
Dohlhoffs Wittwen-Kasse
ist durchaus unangetastet geblieben und geht nach wie vor, das soll
ich Ihnen in seinem Nahmen, nebst vielen herzlichen Grüßen
sagen. Das
wären so ungefähr die Geschäfte.
Vgl. Brief
2636,
66 – 69 (Blanc an Schleiermacher vom 16. 2. 1808, in dem er
ein Heft aller drei Vorlesungen anforderte) und die Antwort
Schleiermachers im Brief
*2665; Friedrich
Schleiermacher: „Predigten. Zweite Sammlung“ (1808).
[Schließen]Nun aber empfangen Sie vielen Dank für die
Hofnung die Sie mir machen mir ein gutes Heft der
wissenschaftlichen Ethik zu
verschaffen,
mit der
christlichen Ethik und der Dogmatik,
muß ich mich, so schwer es mir auch angeht schon
gedulden.
Auf die
Predigten bin ich außerordentlich begierig und danke auch
hier zum Voraus.
Friedrich Schleiermacher: „Gelegentliche Gedanken
über Universitäten in deutschem Sinn“ (1808)
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Die gelegentlichen Gedanken
habe ich dieser Tage von Schwedschke
bekommen
und sie nur zu schnell gelesen, doch hätte ich unendlich viel
daran zu loben, besonders die durchaus streng historische
Deduktion der Formen welche die wissenschaftlichen Vereine
aller Art in Deutschland hervorgebracht haben, die
herrlichen Winke über gelehrte Ausfuhr und Sperre,
Monopolien und was dazu gehört. | 24
Besonders hat es mir großes Vergnügen gemacht zu
sehen wie Sie, ohne daß Sie darum können gewußt haben
die neue Kaiserliche
Universal-Universität schon vor ihrer Geburt
so lies: schön
[Schließen]schon gewürdigt haben.
Ich wüßte aber kaum zu sagen was dem Niemeier in dieser Schrift nicht
misfallen sollte, etwa das Kapitel über
Akademische Freiheit?
Wenn sich davon in der Folge noch einige Spur in
Halle zeigen sollte so ist es gewis nicht
seine Schuld, denn ich höre schon von disziplinarischen
Anstalten die die Universität zu treffen gedenkt,
und vermuthlich damit die neuen Studenten auch nicht einmal
in Gesängen von dem ehemaligen Geiste und den
Thaten ihrer Vorfahren etwas vernehmen haben der herr August Herrmann Niemeyer
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Kanzler
in einem sehr diktatorischen Briefe dem pp Dietlein die
Fortsetzung einer schon angefangenen Sammlung von Studenten
Liedern streng untersagt
Die hier erwähnten Drucke konnten nicht
nachgewiesen werden.
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und zugleich die Aeußerung
beigefügt denen pp Schimmelpfennig
und Kümmel welche dergleichen
Bücher im Verlag schon hätten würde man den Debit ebenfalls verbieten und
nöthigenfalls die vorhandenen Exemplare konfisziren.
Das ist doch ächt Westphälisch. Uebrigens wird es wohl nicht schwer werden
anfänglich wenigstens eine strenge Disziplin zu
handhaben denn noch will von neuankommenden Studenten nicht
viel verlauten. – Die Gehalte werden vermuthlich erst
gezahlt werden wenn die Professoren sich erst etwas hungrig
gelesen haben. Uebrigens sorgt die Regierung väterlich dafür daß
den Unterthanen die gute Laune nicht ausgehe und daß es
etwas | 24v zu
lachen gebe. Ich meine damit nicht die ganze nur schon
etwas alte Posse der zusammengehohlten Wahlkollegien wozu
von 32 die aus Halle
ernannt waren sich nur 8 gestellt haben, und Reil unter andern zur
Entschuldigung angeführt es fehle ihm zu einer
solchen Reise nach
Halberstadt
an Zeit, an Geld und an Verstand, und daß die Herren nun
paritätisch wählen und ernennen Leute die schon längst vom Jerôme Bonaparte, König von Westphalen
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Könige
ernannt sind ja mitunter die ihnen auferlegten Stellen schon
abgelehnt haben, auch nicht daß die Herren 10 Tage lang vom
Aufgang der Sonne bis zum Untergang, oft ohne Lebensmittel
sind eingestellt worden, wobei dann
Niemeier wiederum etwas geworden, Landstand
nehmlich: aber das
Neueste und komischste kann ich Ihnen unmöglich
vorenthalten. Die Maires nebst ihren Adjunkten sind nehmlich vom
Könige
ernannt, und da
trift es sich denn bei uns folgendermaßen. Maire der Herr Mellin weiland
Stadt Baumeister von dem Leute die nichts vom Bauen
verstehen versichern er habe ganz hübsche
Architektonische Kenntnisse, andere aber unverschämt genug
sind zu behaupten er sei etwas einfältig.
Ferner 1er Adjoint
ein gewisser Assessor Schütze aus Magdeburg wie
ich staunte
über der Zeileder Kriegsrath
Streuber
(?)
. 2ter
Adjoint der weiland Präsident
Stelzer
, 3ter der Direktor Bastineller
, u.s.w. Wer sich nun erinnert
daß der Mellin einmal in der Noth
die Stelle des Ausrufers vertreten hat der kann sich
wirklich über diese Promotion nicht satt wundern. – Welchen Eindruck die | 25
gelegentlichen Gedanken hier machen werden bin ich
selbst zu wissen neugierig, bis jetzt hat sie hier wohl noch Niemand
gelesen als Steffens und ich.
Sowenig ich auch an die Möglichkeit glaube alle die
Schwierigkeiten und Collisionen welche durch Errichtung einer
Universität in Berlin entstehen
würden, und die Sie selbst mir erst recht deutlich gemacht
haben, so zu heben und aus dem Wege zu schaffen wie Sie es
wünschen, so bin ich doch überzeugt die Schrift muß den Berlinern
gefallen und ihnen die kleine Furcht die sie etwa noch vor
Studenten gehabt haben können benehmen.
Man spricht jetzt hier einmal wieder bestimmter als
je von einer Abtretung der Mark gegen das ganze
Pohlen
.
Wäre der Friedrich Wilhlem III. von Preußen
[Schließen]
König
wohl fähig einen so schändlichen Tausch einzugehen? ich glaube
es nimmermehr.
Konopack ist seit vorgestern hier, er wird sich ungefähr
8 Tage aufhalten. Er führt bittre Klage über Sie
daß Sie ihm gar nicht geschrieben, und wird Ihnen
wahrscheinlich noch von hier aus schreiben. Er sieht recht wohl aus und freut sich ausnehmend
Halle wiederzusehen.
Auch er wußte nichts von Jösting, so wenig als Münchow , beide sagten mir
nur
was Sie vermuthlich schon wissen daß Jösting mit den Franzosen dort in
Händel verwickelt sei deren Ausgang noch unbekannt.
Es ging hier vor
einiger Zeit die Sage, Sie würden uns nach dem Schluße
Ihrer Vorlesungen besuchen, jetzt heißt es wieder Sie reisten nach Rügen, das Letztere scheint mir leider
das | 25v wahrscheinlichere.
An eine Reise nach Dresden
ist von Ihrer Seite wohl nicht zu denken, sonst suchte ich
doch das Unmögliche zu thun, ich wäre gar gern
ein Paar Tage dort.
Die Gesundheit meines Collegen hat
sich wider alle Vermuthung so sehr gebessert daß er, wie
er es schon lange vorher gesagt ohne Glauben zu finden, am Palm
Sonntage wieder gepredigt hat und es im Sommer nun wieder
regelmäßig zu thun gedenkt. – Bald hätte ich vergessen Ihnen zu sagen daß Dohlhoff
es unnöthig findet daß Sie ihm Geld für Ihre Susanne Stubenrauch
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Tante
schicken, korr. v. Hg. aus: eser
will den Betrag lieber von dem abziehen was er das
nächstemal zu zahlen hat.
Der Student Müller aus Schlesien der mich einigemal seither
besucht hat glaubt daß Sie ihn in seinem Gesuche einer Anstellung in Breslau sehr
behülflich sein könnten,
auch Wolf sagte er
mir schiene sich für ihn zu interessiren, was hierin zu thun ist werden
Sie wohl besser wissen als ich und er.
Zwei Grüße enthielt Ihr Brief die mir sehr viel werth sind von Anne (Nanny) Schleiermacher
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Nanny
nehmlich die wie ich hoffe es redlich meint und mich nicht
etwa nur bei guter Laune erhalten will damit ich ihr den
so sehnlich erwarteten Schrank bald schicken möge,
dann von der Hofräthin Herz an die ich
recht oft denke und von der ich schon oft
gesprochen habe wenn ich, wie das wohl geschieht einen Abend bei Wucherers verplaudere. Beide bitte ich Sie aber auch
von mir bestens zu grüßen
ausdrückliche Grüße an Sie habe ich von Dohlhoff
und Schimmelpfennig.
Nun leben Sie recht herzlich wohl und
lassen Sie sollte es auch von Rügen
aus sein bald wieder etwas von sich
hören
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