B. d. 29t. Merz. 8.
Wie lange schon, lieber Freund, habe ich mit ängstlicher Theilnahme den
Angelegenheiten deines
Vaterlandes zugesehn schwindelnd vor dem schroffen Abhang an dem dein Gustav IV. Adolf von Schweden
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König
hingeht, und immer noch festen Trittes wie es
scheint. Wie er sich in diesen Dänischen
Angelegenheiten benommen
dadurch hat er sich gewiß aufs neue die Achtung von ganz
Europa erworben. Er ist doch der einzige der durchaus rechtlich und
mit ritterlicher Treue zu Werke geht, was man von unserm
Könige
wol auch sagen könnte wenn er nicht öfter Andern als sich
selbst gehorcht hätte.
Der Deinige verdient reichlich alle Lobsprüche die ihm der
russische
Kaiser so freundschaftlich
gegeben und man möchte sagen es gehe an ihm in Erfüllung
Mt 21,16
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aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast Du dir Lob
bereitet
denn durchaus kindischer als dieser Αλεξανδρος
θεοειδης
Im Juli 1807 schlossen Kaiser Napoleon I. und Zar Alexander I. auf einem Pontonboot,
das die Demarkationslinie zwischen den beiden Parteien darstellte, auf
der Memel (polnisch Niemen) den Frieden von Tilsit.
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zumal seit er in dem Boot auf dem
Niemen gewiegt worden
giebt es wol nichts.
Anspielung auf den am 21.2.1808 begonnenen
Russisch-Schwedischen Krieg um Finnland und auf die Bemühungen des
schwedischen Königs den Adel seines Reiches auf seiner Seite zu
wissen.
[Schließen]Schwerlich wird wol diesem wohl bekommen was er
an Euch thut und an
uns gethan hat; ja ich hoffe noch immer wenn Dein König nur
nicht noch mit inneren Unruhen zu kämpfen hat, und
wenn er nicht in den Unfällen die er wahrscheinlich
erfahren wird mehr ritterlich als königlich den
persönlichen Untergang sucht, über die
schlechte Zeit hinweg eine gute.
Denn von allen Seiten wird es wol nicht ernstlich
gemeint sein oder bleiben mit diesem
Kampf. | Die Hauptmacht wird sich wol sehr
theilen denn die Lokspeise des Erbadels die den
bebänderten Chasseurs vorgehalten wird scheint
anzudeuten daß sie diesen Sommer viel zu laufen und zu
jagen haben sollen; und das wird doch nicht bloß auf Dalekarlien gemeint
sein.
Da Deine Existenz in K
önigsberg
jezt unmöglich erfreulich sein kann, so theile ich ernstlich Deinen
Wunsch, Dich bald an der Seite Deines Königs zu sehn.
Dies ist jezt Deine eigentliche Stelle, und ich kann mir
den Einfluß den du auf ihn haben wirst nicht anders als
höchst vortheilhaft denken unter allen
Umständen. Es ist eine Art von Abschied den ich von dir
nehme theurer Freund. Denn wohl kann einige Zeit verstreichen
ehe wir wieder mit einander unmittelbar verkehren können,
und so laß Dir gefallen daß ich Dir sage wie alle meine
guten Wünsche für dich doch eigentlich Hofnungen sind nicht
Besorgnisse, und wie Dich mein Auge überall freudig
begleiten wird denn ich weiß keinen andern Weg der
Deiner würdig wäre als der den du zu gehen
gesonnen bist
Viel habe ich Gestern über Dich gesprochen mit der Gräfin Voss. Sie
war auf wenige Tage hier und ich habe sie leider nur einmal
gesehen, liebenswürdiger und auch frischer und schöner als
je. Für die
Verbesserung unseres Zustandes schien sie aber
auch vor der Hand nicht recht viel Hofnungen zu haben was
mich sehr freute. Denn ich bedaure alle Menschen gar
herzlich, die Wunder was erwarten von | den
Negotiationen welche Stein hier eröffnet hat. Es gehn gar zu viel Kräfte verloren
durch solche Täuschungen, die man noch alle nöthig brauchen
wird.
Die Freunde der hiesigen Universität wollen wissen Stein habe seine Abneigung
dagegen abgelegt, und schmeichele sich sie im Herbst eröffnet zu
sehen. Ich für mein Theil glaube an nichts, und befinde
mich dabei vortreflich, lerne soviel ich kann in
dieser traurigen Muße, und arbeite wenigstens
vor auf eine mögliche bessere Zeit.
Meine Universitätsgedanken
soll Stein gelesen haben oder wenigstens haben lesen wollen.
Die Vorliebe für
Berlin ist darin nur sehr mäßig, aber doch scheine sie ihm nicht
gefallen zu haben sonst würde ich wol schon ein
Wort | darüber gehört
haben. In dieser Hinsicht hätte ich sie also umsonst geschrieben denn ich
wünschte wirklich man sollte manches für die Organisation
daraus lernen.
Den Föbus habe
ich noch nicht einmal angenippt
und bedaure daß
Adam Müller mit seinen Talenten nicht
irgend etwas solideres
hervorbringt.
Friedrich Schleiermacher: „Gelegentliche Gedanken
über Universitäten in deutschem Sinn“ (1808); „Föbus“ ist eine von
Heinrich von Kleist und Adam Heinrich Müller herausgegebene
Literaturzeitschrift; Friedrich Schlegel: „Rezension von Göthes Werke.
Erster bis Vierter Band. Tübingen in der Cotta’schen Buchhandlung“, in:
„Heidelbergische Jahrbücher der Literatur“ (1808), H. 2, S. 145-184; „An
Friedrich Schlegel“ und „An A. W. Schlegel“ (1808), in: „Prometheus“,
Bd. 1, St. 1.; vgl. Brief
2661,
28 – 35.
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Dagegen habe ich meine große Freude gehabt an der Recension
des Göthe von Friedrich
Schlegel in den Heidelberger
Annalen,
und an
zwei Gedichten der beiden Brüder an einander im Prometheus,
worin die Brüderlichkeit zwar ganz eigentlich das
Thema ist aber sehr kräftig und schön und
unanstößig durchgeführt.
Joh
2,10
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Diese haben nun mit dem guten
Wein angefangen
, dem Vorspiel von Goethe , aber in
unglaublich kleinen Portionen schenken sie ihn ein,
da | mit er lange vorhält, und das sieht
wieder gar armselig aus.
A. W. Schlegels Abschied aus Frankreich kennst du doch durch
die Gräfin gewiß.
Friedrich Schleiermacher: „Ueber den sogenannten
ersten Brief des Paulos an den Timotheos“ (1807), vgl. Brief
2661,
51 – 68.
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Auch mich hat Deine Erzählung von dem herrnhutischen Besuch
nicht wenig angezogen. Dies ist doch derselbe Cunow
der hernach Professor in
Barby war.
Freilich kann wol alles Mildernde was ich gethan habe an
dem Sendschreiben für diese guten Freunde nicht gefruchtet
haben, und nur die Zeit wird den üblen Eindruk
auslöschen können.
Zembschens
Lebenslauf, wenn er von ihm selbst aufgesezt ist
würde ich auch nicht ohne Rührung lesen. Nächst
einem Staatsmann wirkt doch nicht leicht jemand
mehr als ein tüchtiger Schulmann, und in einer so langen
Laufbahn. – Du hättest aber immer noch mehr von mir sagen
können denn wunderbar genug finden meine
Predigten Gnade und werden hier auch von
Herrnhutischen Familien besucht.
Lk 5,6-10
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Bunter ist überhaupt wol kein
Fischzug
als mein kirchliches Auditorium: Herrnhuter, Juden, getaufte
und ungetaufte, junge Philosophen und
Philologen, elegante Damen,
Vielleicht eine Anspieluung auf das Volkslied „Des Antonius von
Padua Fischpredigt“ aus „Des
Knaben Wunderhorn“ (3. Bd., 1805-1808 ) von Achim von Arnim und
Clemens
Brentano.
[Schließen]und das schöne Lied vom
heiligen Antonius
muß mir immer vorschweben. Indeß hoffe ich etwas muß doch wol hie und da
angeregt werden.
Nun lebewol, mein theurer Freund, von meinen besten Wünschen begleitet. Ich hoffe doch noch auf ein Paar Zeilen von dir, und vielleicht säumt überhaupt das Schiff länger als du wünschest. Immer und überall gleich herzlich der Deinige
Schl.
Die freundlichsten Grüße soll ich dir sagen von der Herz. Sie ist nach
Rügen gereist um dort wenigstens den
Sommer bei einer Charlotte von Kathen
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Freundin
zuzubringen.
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