Heidelberg d. 28. Merz 8.

Sie erhalten hier durch den Herrn von Winterfeld ein schon vor 8 Tagen ausgefertigtes Packet, welches ich wieder habe liegen lassen, um das Porto zu ersparen; indem ich dachte, es würde durch die Post doch nicht viel schneller angekommen seyn. Sie werden darin auch  Vgl. Brief 2663.  [Schließen]einen damals geschriebenen Brief finden, auf welchen mich beziehend ich Ihnen nur noch Folgendes schreiben will.  Vgl. Brief  [Schließen]Aller Bemühungen ungeachtet sollen wir doch nicht das Glück und die Freude haben Sie bey uns zu sehen, sondern es hat sich nun Alles auf folgende Weise zerschlagen. Die theologische Facultät, welche nur aus den zweyen Daub und Schwarz bestehet, war egoistisch genug, als sie befragt wurde, womit die Ewaldische Stelle besetzt werden sollte, offenbar um des eigenen Vortheiles willen, zu antworten, es seye eigentlich nicht nöthig sie zu besetzen, indem Alles schon versehen wäre,  korr. v. Hg. aus: welchewelches sie theils auch sagen mochten, um gedachten Ewald fühlen zu lassen, | 10v daß er hier, wie es auch der Fall war, das 5te Rad am Wagen gewesen. Da aber durch einen besondern Fall Creuzer in die Sache gezogen worden war, so hat er gethan, was Sie schon wissen. Man hat aber ökonomischer gefunden der theologischen Facultät zu folgen, welche übrigens, im Fall man iemand berufen wollte, allerdings auch Sie, iedoch sicher nicht ohne einen vielleicht bewußtlosen Grund, unter mehrern andren vorschlug. Überdies hatte Marheinecke an Ewald geschrieben, weil das elende Consistorium in Carlsruhe sich auch darein mischt; dieser erbärmliche Pharisäer und Epikureer der schlechtesten Art, welcher in Carlsruhe eben so geachtet ist, als er hier von Professoren und Studenten und der ganzen Stadt verachtet wurde, schrieb diesem einen Brief zurück voll zelotischer Invectiven gegen Sie und besonders über den  Friedrich Schleiermacher: „Ueber den sogenannten ersten Brief des Paulos an den Timotheos“ (1807) [Schließen] Timotheus , wovon doch dieses nach Art der Epikuräischen Schweine sehr unwissende Schwein eben so wenig als ein Schwein ver | 11steht. Er für seinen Theil werde alles Mögliche beytragen gegen Sie zu wirken pp. Somit ist die 3te ordentliche Professur der Theologie auf Ein Jahr (so heißt es ausdrücklich!) suspendirt; offenbar hat es sich auch hier gezeigt, daß durch eigene Schuld sich Alles zerstört; denn wenn man patriotischer gewesen wäre, hätte es doch anders gehen können. Ich schreibe Ihnen die reine Wahrheit, aber mit warmem Herzen, und Sie werden daher natürlich davon nie Gebrauch machen, eben so wenig als vom Folgenden, welches ich für Pflicht halte Ihnen mitzutheilen.

 Sachanmerkung:

Friedrich ... hat, pp.] 
Der Brief Schlegels an Creuzer liegt nicht mehr vor. Zu Schellings Beurteilung der Echtheit vgl. Christoph Asmuth: „Interpretation - Transformation. Das Platonbild bei Fichte, Schelling, Hegel, Schleiermacher und Schopenhauer und das Legitimationsproblem der Philosophiegeschichte“ (2006), S. 116–121.

Jahrbücher] Gemeint sind die “Heidelbergischen Jahrbücher der Literatur“

Correspondenz ... mit Creuzer] Von dieser Korrespondenz liegt nur noch ein später Brief Schlegels an Creuzer vom 12.8.1823 vor.

(die ... schon gedruckt)] August Boeckh: „Platons Werke von Friedrich Schleiermacher (Rezension)“, in: „Heidelbergische Jahrbücher der Literatur“ (1808), 1. Jg., H. 1, S. 81–121
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Friedrich Schlegel ist bey Eröffnung der Jahrbücher in eine Correspondenz mit Creuzer getreten, wobey er sich einmahl so vernehmen ließ. Creuzer werde wohl nun auch eine Recension Ihres Platon besorgen oder Sie vielleicht selbst übernehmen (die meinige war schon gedruckt); er wolle ihm hier mit nur sagen, daß Er sehr großen Antheil daran habe, daß beynahe die ganze Anordnung eigentlich sein Werk seye. Ich habe dagegen gleich anfangs sehr lebhaft gesprochen, kann mir auch leicht vorstellen, wie Friedrich Schlegel darauf gekommen, und wie grundlos es ist, sehe ich um so mehr, da Sie mir ia seine tollen Ideen über die Unächtheit so vieler Gespräche selbst aus einander gesetzt haben. In einem folgenden Briefe beruft er sich besonders auf die Art, wie Sie seine Idee | 11v von der Unvollendetheit des Parmenides in das Ihrige verflochten, welches mir um so auffallender ist, da man auf eine so in die Augen springende Sache sich doch wahrlich nichts zu Gute thun kann, ich meine die Abgebrochenheit bemerkt zu haben; sodann scheinen doch die historischen Vermuthungen, wie Sie sie aufstellen (die mich aber in der That nicht befriedigen und wohl auch absichtlich so dubiös vorgetragen sind) auf ieden Fall Ihnen eigen, und auf Schlegel ziehe ich nur S. 105. „Nicht zu billigen aber pp.“ Also solche Widerlegung wäre Verflechtung des Seinigen in das Ihrige? Er seye nun begierig, schreibt er, wie Sie beym Timaios verfahren würden; woraus ich nun erst sehe, daß Schelling eigentlich mit seiner lächerlichen Behauptung von einer gewissen Unächtheit des Timaios schlegelisirt hat, pp.

Creuzer hat mir erlaubt Ihnen dies zu schreiben; es muß Ihnen nicht unlieb seyn, und Sie werden uns gerne darüber nähern Aufschluß geben. Aber dazu muß ich Sie freylich verpflichten, was Sie auch von selbst thun werden, weder gegen Friedrich Schlegel noch sonst öffentlich davon Gebrauch zu machen!  Vgl. dazu den Brief Schleiermachers an F. Schlegel vom 10.10.1804, Brief 1829, 6-42, KGA V/7 sowie Brief an Boeckh. [Schließen] Er nehmlich schreibt, Sein Recht zu reclamiren würde ihm aus Erinnerung früherer Verhältnisse nie einkommen, so daß öffentlich nichts zu thun nöthig ist.

Vgl. Schleiermachers Antwort darauf in Brief 2701.

 Die Liste liegt leider nicht (mehr) vor, Schleiermacher antwortet jedoch in Brief 2701, 223–235 auf diese Anfrage. [Schließen]Schließlich soll ich Sie bitten gefälligst Nachricht zu geben, ob Sie von den Ihnen aufgetragenen Schriften zum Recensiren etwas übernehmen wollen oder wie? Haben Sie die Güte, wenn Sie wollen, für mich am liebsten mir zu antworten. Leben Sie tausendmahl wohl.

Ihr Böckh.

Zitierhinweis

2670: Von August Boeckh. Heidelberg, Montag, 28. 3. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006499 (Stand: 26.7.2022)

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