Den 21ten März.

Sie sehn lieber Schleiermacher, wie so wenig ich geneigt bin Contrebande zu machen, wie Sie es nennen, indem ich meine Briefe noch an die Herz adressierte. Wenn Ihnen nur nicht einmal mein ganzes Wesen als Contrebande erscheint, und so die Sache sich umkehrt! Doch nein, im Ernst gesprochen fürchte ich das nicht mehr; keineswegs weil mein Selbstgefühl so sicher mich stellte, im Vertrauen auf Ihre Nachsicht hege ich diesen Glauben.

Sie nehmen gewiß Theil daran wenn ich nach überstandenem schrecklichen Winter die freudige Hoffnung habe meine liebe Rike in Giebichenstein zu sehn. Wenn’s noch geschieht, zu lieb ist mir der Gedanke darann als daß ich so frei von allem Zweifel sein könnte, wie werde ich da in einem Augenblick alle Noth vergessen, wie dem Himmel danken für solche Freude! – Carl sehe ich dann auch da, und Fritz, ach! mir ist als wär’s zu viel des Guten, als müßte irgend etwas, etwa eine Krankheit; wenn ich anderes Hinderniß nicht weiß, mir im Wege sein. –   Vgl. Brief *2647. [Schließen]Sie beschreiben sich so geistig krank, lieber Schleier macher | 3v aber ich bin recht ungläubig, und das Wenige was ich mir als wahr denken kann, erregt mir auch gar keine Besorgniß. Recht froh war ich als Sie versicherten es sei nicht körperlich, da wär ich leicht bange und sorglich geworden; denn zu keinem Arzt habe ich solch Vertrauen als zu dem kräftigen Geist, der sich wohl selbst helfen wird. – Sie glauben nicht so frei so wenig gedrückt zu erscheinen als Fritz, aber dies kann ich nicht zugeben. Ich weiß wohl wie oft ich hier freudig Ähnlichkeit fand zwischen Sie und ihm; wie ich mich selbst gestärkt und erhoben fühlte wenn ich sah wie es doch möglich war sich frisch und munter zu erhalten bei allem was dagegen auch strebte.

Aber, lieber Schleiermacher ich glaube immer Ihr großer Wirkungskreis, der sonst so klar Ihnen vor Augen war, hat Sie etwas verwöhnt, daß  Vgl. Brief *2647. [Schließen] Ihre jetzige Art zu leben Ihnen zu gering erscheint, zu wenig Ihren Kräften angemessen. Hier sollten Sie aber auch einmal glauben wie nur verborgener, aber doch darum gewiß nicht weniger Frucht bringen Ihre Bemühungen. Freuen Sie sich doch jeden Augenblick Ihres hohen herrlichen Berufs! Keinen schöneren kann ich | 4 mir denken! – Sie können ja nicht berechnen was ein kräftiges Wort so öffentlich gesprochen zu wirken vermag auf jeden der dafür empfänglich ist. Gewiß, es kommt Muth, und Ruhe und Friede durch Sie in manche bange Seele, und so kann’s ja nicht fehlen daß was in jedem Einzelnen vorgeht, auch eingreift in das Ganze. Doch, mir ziemt’s wohl nicht Ihnen hierüber viel zu sagen; nehmen Sie nur nicht für anmaßlich, ich bitte, was nur aus dem lebhaften Wunsch hervorgeht, Sie immer recht heiter und lebensfroh zu wissen. Drängt’s mich doch nie meine Meinung über irgend etwas so hinzusagen, damit doch auch ein anderer höre was ich denk; nein, nein! aber wo ich mit ganzer Seele bin, da muß ich reden, wenn ich auch fürchte daß anders man die Worte nehmen könnte. –

Leben Sie wohl. Meine herzlichen Grüße an   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny .

Louise Raumer.

Ihren Brief an  Gemeint ist wohl Brief *2646 an den Dessauer Drucker Fritsche , der laut Tageskalender am 27. 2. 1808 zusammen mit dem Brief an Luise Raumer abging; vgl. Brief *2647.  [Schließen]F. habe ich besorgt. Wie sollte ich dies übel nehmen? es war mir spaßhaft, denn er fiel eher in meine Hände als der Ihrige.

Zitierhinweis

2667: Von Luise von Raumer. Wohl Dessau, Montag, 21. 3. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006496 (Stand: 26.7.2022)

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