Liebster Freund!
Vgl. Brief
*2645.
[Schließen]dein Brief, anstatt mich abzuschrecken, spornt mich
vielmehr hinzugehen. Meine Ehre selbst, dünkt mir,
fordert, dass ich mich meinen Gläubigern stelle.
Oder sollte ich mich stille seitwærs
schieben? sollte ich den Gläubigern mein
ganzes Eigenthum überlassen? Du fürchtest, dass es
meinen Ruf schaden würde, wenn ich hingehe – aber ist
das nicht vielmehr der Fall, wenn ich nicht
hingehe? Denke Dir den Lermen, den es machen muss,
wenn man erfährt, ich wære irgendwo angestellt,
ohne in Halle gewesen zu
seyn? Oder wenn meine
Gläubiger, die doch ohne allen Zweifel über meine
Entfernung am meisten beunruhigt sind, einen öffentlichen
Schritt thäten, sich an meine Sachen vergriffen. Wahrlich
allenthalben habe ich Gegner, und dieses würde hinreichend
sein mir die Aussichten allenthalben zu sperren. Deine
Ankündigung ist ja unterzeichnet – was geht das mich an –
zurückrufen sollst du nichts – das
fordere ich von dir – Will man mir nicht in Halle
– gut! so gehe ich
weiter – und herzlich gern – nur geht mein Weg nothwendig
über Halle –
Das fordert meine Ehre.
Ich steige in Giebichenstein
ab,
gehe dann nach
Reil ,
Niemeyer
,
Kæferstein, rufe alle meine Gläubiger
zusammen, stelle Ihnen alles vor, habe etwas Geld, kann,
mit Sicherheit mehr lies: versprechen
[Schließen]Versprechen und habe nichts schändliches begangen, verkrieche
mich daher für keinen Menschen – und mir schauderts nur das
thatenlose, bettelhafte Leben længer fortzusezen
– Es macht mich schlecht; wenn ich es længer ertrage | 21v
Will man mich in Preussen Gut! man kann mich rufen, auch aus Halle !
Lieber Schleiermacher! Fürchte Dich nur nicht. Hat doch Reil
selbst mich wissen lassen, dass ich für den
Lection
s-Catalog die Vorlesungen besorgen
sollte –
Kriecht doch
Niemeyer für meine Schwiegermutter
– ist nicht Reichardt
der Vorspieler im Lande,
also der Vornehmste næchst dem Jerôme Bonaparte, König von Westphalen
[Schließen]
König
? Gott behüte mich da zu bleiben – Aber mein Weg geht
darüber.
Meine Frau fürchtet, dass du noch etwas ærgeres weiss,
was du verbirgst. Schreib es nur. Ein Brief trifft mich noch hier.
Ich muss schliessen, wenn dieser Brief noch fort soll – verzeih mir die verworrenen Zeilen. Wenn wir uns nur sehen, nur sprechen könnten! Manches müsste ein kurzes Gespræch klar machen. Adieu – Ehestens mehr
Dein H. SteffensZitierhinweis
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