K. den 17. März 1808.
Herzlichen Dank, mein Lieber, Vgl. Brief 2650. [Schließen]für deinen Brief vom 1ten dieses. Seitdem hat sich die Staatenwelt wieder einmal so rasch um ihre feurige Achse gedreht, daß ich plözlich noch einmal auf dem Kopfe stehe; und wolte Gott, daß ich diese gewagte Stellung nicht bald mit meinem Vaterlande und seinem großherzigen Beherscher theilen möge! Am Ende wird mir das Ding denn doch zu bunt. Daß wir allein, so zum blossen Nachspiel, uns noch mit Russen, Dänen und Franzosen herum balgen sollen, ist etwas hart. Aber der Würfel liegt, und mein unwillkührliches Herzklopfen soll mich wenigstens nicht unentschlossen, oder im schimpflichen Sinn klug machen. Wohl ziehen sich in diesem entscheidenden Augenblick Manche zurück, die sich in ruhigern Tagen stolz und eitel genug der Fürstengunst freuten. Freilich ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Unerschütterliche , wenn auch nur persönlich, zu Grunde gehen wird in diesem dreifachen Kampf – aber hat denn der Mann von Herz und Grundsäzen in solchen Augenblicken noch eine freie Wahl? Ein für allemal habe ich meinem König feierlich | 85v gelobt, ihm bis zum lezten Athemzug anzuhangen, und sein Schicksal willig zu theilen. Wann könnte ich dies Gelübde passender wiederhohlen als hier am Rubikon! dies ist geschehen, und ich sehne mich ordentlich weg – von allem, was mir hier lieb und theuer ist, um den klassischen Boden des heimischen Unglücks zu betreten.
Leicht wird mir, Leider, auch dies nicht. Du weißt vielleicht schon, daß auch Eure Häfen der Schwedischen Flagge gesperrt sind, und ohne ein von
dorther, mich abzuhohlen, ankommendes Schiff, kann ich nicht
einmal einen Boten hinüberbekommen. So stehen
meine öffentlichen Angelegenheiten. Der schöne Traum von Wiedersehen in Berlin
ist also für diesmal wenigstens vereitelt. –
Nun zu etwas Anderm. Friedrich Schleiermacher: „Gelegentliche Gedanken
über Universitäten in deutschem Sinn“ (1808), vgl. Brief
2650,
6 – 8. [Schließen]
Deine Schrift über
die Zulässigkeit einer Hochschule in
Berlin habe ich noch nicht
empfangen.
Sie wird noch bei Fränkel
liegen.
Dafür hat er mir neulich den Föbus
geschickt, den ich wahrlich nicht verlangte.
Joh 2,10 [Schließen]
Mit dem guten Wein mögen diese
Hochzeitbitter wohl nicht angefangen
haben, daß aber die Gäste von dem Vorgesezten
trunken werden möchten
, ist nicht unwahrscheinlich. Ich, der sehr
mässig ist, habe es beim Kosten und
| 86 Nippen bewenden lassen.
– Was Deine Flugschrift betrift, so ist wenigstens Stein
im Voraus der Meinung, daß sich alles
gute gegen, nichts erhebliches
für die Sache sagen liesse.
– Sachanmerkung:
Daß ... so mehr.] Vgl. Brief
2650,
39 – 46.
Alterthumswissenschaft] das von Wolf und Buttman herausgegebene
„Museum der Alterthums-Wissenschaft“
[Schließen]
Daß Du die
Sittenlehre herausgeben
würdest, hatte mir Marwitz bestimmt gesagt.
Indessen finde ich nichts gegen Dein Säumen
einzuwenden.
Deine Theilnahme
an der
Alterthumswissenschaft
freut mich um so
mehr. Aber ich Landesverwiesener, der
nun vielleicht in ein paar Jahren von meinen
besten Freunden, weder etwas Gedrucktes noch Geschriebenes
zu sehen bekommen werde! So streng ist alle Mittheilung
verboten,
so plözlich ist die
Ostsee zum
Styx
geworden!
Friedrich Leopold Stolberg: „Geschichte der
Religion Jesu Christi“, Bd. 1–15 (1806–1818); Friedrich Schleiermachers
Rezension von Fichtes Schrift „Die Grundzüge des gegenwärtigen
Zeitalters“ erschien in der JALZ, Bd. 1, Nr. 20 (23.1.1807), Sp. 153-160
(KGA I/5, S. 119–152); Friedrich Heinrich Jacobi: „Ueber gelehrte
Gesellschaften, ihren Geist und Zweck : eine Abhandlung, vorgelesen bey
der feyerlichen Erneuung der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu
München“ (1807); vgl. Brief
2627,
26 – 32 und Brief
2650,
60 – 89. [Schließen]
Über Stolberg
mißverstehen wir einander durchaus nicht;
vermutlich würden wir uns auch
bald über deine Beurtheilung des Fichte
verständigen; meine Rüge trift vielleicht nur ein
gewisse ungesellige
Härte des Tons –
aber gegen Jacobi scheinst Du
mir beinah a priori ungerecht. In der bewußten
Abhandlung ist mit das Stärkste, das ich
kenne, gegen die gemeine Verstandes-Frechheit der Zeit und ihre
Stellvertreter gesagt, aber wie schön
und mit welcher Würde! – | 86v
Denke dir, welchen Besuch ich gestern Bekam! Von dem hiesigen Prediger Cunow. Er war mein erster Stubenbruder, wie ich als ein Kind von 11 Jahren nach Nisky kam, und ich freue mich noch seiner freundlichen Behandlung des damals so verwaisten Fremdlings. Durch ihn erfuhr ich denn vieles von unsern Ehemaligen. Wir blieben 2 Stunden beisamen; ich war im vollen Ernste bewegt und ergriffen von den Schattengestalten, die sich aus der Vergangenheit empordrängten – mich zu umarmen. Das Periodikum „Gemein-Diarium“, später „Nachrichten aus der Brüdergemeine“ und „Gemein-Nachrichten“ enthielt seit 1747 Informationen über das Leben der Brüdergemeinde, darunter auch Lebensläufe der Verstorbenen, zunächst in handschriftlichen Kopien zum Vorlesen verbreitet, ab 1819 auch gedruckt. [Schließen] Er versprach mir Gemeinnachrichten , unter anderm Zembsch Lebenslauf. Was meinst Du? wird man nicht glauben an die Lk 15,20-24 [Schließen] Rückkehr des verlorenen Sohnes ? Auch von Dir wurde sehr rühmlich gesprochen, jedoch hielt ich mich wohlweise an den tiefen Alterthumsforscher, an den gründlichen Griechen – aber umsonst! warum hatte der Mann dein Sendschreiben über den heiligen Timotheus gelesen? Das nur schmerzte ihn, und ich suchte leicht hinwegzutrippeln über diese glühenden Kohlen. Uebrigens, was ich vorhersah, ist Stolbergs Werk klassisch geworden in der Gemeine. Von meinen gedruckten Kleinigkeiten schien er nichts zu wissen, und ich hütete mich wohl ihrer zu erwähnen. Hier und dort der Deinige
Br.Zitierhinweis
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