Sr Hochwürden / dem Herrn Doctor und / Professor Schleiermacher / zu / Berlin / abzugeben daselbst / in der / Realschulbuchhandlung [Bl. 2v]

Halle den 19 Jan 8.

Sie wissen, lieber Herr Doctor, vielleicht unsere Lage genauer, als ich selbst, der ich, nach meiner Weise in meiner Zurükgezogenheit lebe, unter meine Bücher vergraben,  Vgl. Brief 2601, 38 – 46.  [Schließen]und selbst unsre zurükgekommnen Deputirten, so verbunden ich auch mit Ihnen bin, weniger, als viele andre gesprochen habe, die mehr Zeit haben als ich. Ich setze bei jener Vermuthung voraus, daß Herr GeheimRath Wolf dem ich mich aufs verbindlichste zu empfehlen bitte, in naher Verbindung mit Johannes von Müller , dem Curator des Westphälischen Universitäts- und Schulwesens geblieben ist. Indessen es ist mir unmöglich, in dem Augenblik, wo ich meine Lectionen für SommerVorlesungen einsenden soll, nicht meinem werthen Collegen das zu sagen, was ich von unsrer Lage weiß. Es ist uns von unsern Deputirten officiell bekannt gemacht worden, daß sie drum zu Cassel ganz bestimmt und angelegentlich angehalten haben, die abwesenden Collegen zurük rufen zu können. Eine bestimmte Antwort haben sie darauf nicht erhalten, aber privatim drükten sie sich drüber so aus, daß die Minister zu Cassel ( Johannes von Müller hatte damals sein itztiges Amt noch nicht ) dafür kein Ohr gehabt. | 1v OberbergRath Reil soll, wie ich blos nach des Dr. Bernsteins Erzählung weiß, ohne es unmittelbar von ihm gehört zu haben, ganz besonders um die Einladung des GeheimRathes Loder und Professors Froriep angehalten haben , aber in diese Tage einen schriftlichen Bescheid von Cassel erhalten haben; daß wer den 1sten October nicht hier anwesend gewesen, nicht als Mitglied der Universität zu betrachten sey; daß indessen, wer von den Abwesenden Professoren wieder hier zu leben gedenke, sich nur zuförderst hier einzufinden und dann in Cassel wegen seiner Wiedereinsetzung selbst einzukommen habe : Ohne Zweifel hat Professor Froriep hierüber Brief vom Dr. Bernstein , sonst würde ich ihm auch geschrieben haben.

Ach recht oft habe ich gewünscht, daß Sie nur noch einige Tage länger hier geblieben wären, um, nach der Gewißheit der Auszahlung unsrer Besoldungen, den Entschluß fassen zu können, ob Sie in derselben Lage, wo ich freilich mit meiner zahlreichen Familie allein subsistiren kann, die noch immer ungewisse Zukunft abwarten wollten, oder nicht. Das Schiksal hat es wunderbar gefügt. | 2

Die katholischen Geistlichen sollen um den Dom für sich und um die Ueberlassung der Universitätskirche an das Presbyterium angehalten haben, doch habe ich nichts sicheres davon gehört, am wenigsten von Seiten der Universität , von der ich so gut als nichts höre.

Daß ich der überall noch ungewissen und dunkeln Zukunft mit Ergebung und Festigkeit entgegengehe: wissen Sie – aber wir wünschen es gewiß einander Beide, daß sie uns und allen Guten um uns heitere Tage gewähre – Sie sollen den Wissenschaften heilig seyn!  Sachanmerkung:

Von ... zu können] 
Die Ergebnisse seiner Studien veröffentlichte Vater zuerst in seinem Buch „Untersuchungen über Amerika’s Bevölkerung aus dem alten Kontinente dem Herrn Kammerherrn Alexander von Humboldt gewidmet“ (1810) . Informationen zu diesem Buch stellte ihm Alexander von Humboldt zur Verfügung.

diesern]  lies: in dieser
 [Schließen]
Von den Amerikanischen Sprachen bin ich itzt mit der Mexicanischen, Totonakischen, Huastekischen, Othomitischen so ziemlich im Reinen, und eben mit der Mixtekischen beschäftigt. Es ist ein wahrer Trost für mich, in diesern trüben Zeit etwas Bedeutendes für die Erweiterung meiner Kenntnisse und für die Wissenschaft durch Herrn von Humboldts Güte thun zu können

Ich bitte nochmals recht sehr, mich Herrn GeheimRath Wolf , und den Herren Spalding, Buttmann , Heindorf zu empfehlen , besonders aber auch dem guten Steffens , an den ich recht oft denke, wenn Sie an ihn schreiben. An Friedrich Schlegel habe ich geschrieben,  lies: Sie [Schließen]sie empfehlen ihm aber, wenn Sie ihm schreiben, wohl auch gefälligst meinen Wunsch

Mögen Ihnen diese Zeilen wenigstens ein Zeugniß der treuen Anhänglichkeit seyn, mit der ich unveränderlich bin

der Ihrige Joh Sev Vater

Ein paar Thaler FacultätsGebühren liegen für Sie hier – die Interessen sind noch nicht eingegangen

Zitierhinweis

2612: Von Johann Severin Vater. Halle, Dienstag, 19. 1. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006441 (Stand: 26.7.2022)

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