den 10ten Januar
Seit Ihrer Abreise, mein bester Freund, ist unser Leben so ganz eingezogen
und so ganz den alltäglichen Beschäftigungen,
die Sie kennen, gewidmet gewesen daß ich mich noch nicht bis
zu einem Briefe an Sie habe erheben können, so oft auch
meine Gedanken bey Ihnen waren. Besonders
herzlich dachte ich Ihrer am Weinachtstage den
wir in unserm stillen Kreise so rührend gefeyert und Ihre und der guten Mine Entfernung war die einzige
wehmüthige Empfindung in meiner Freude. Ohngeachtet allem was Sie
mir schrieben kann ich die Hoffnung noch nicht aufgeben daß
ein gütiges Geschick uns vieleicht noch alle wieder hier
vereint.
August Hermann Niemeyer war am 3. Januar 1808
durch
Jerôme von Westphalen
zum Kanzler und ständigen Rektor der Hallenser Universität
ernannt worden.
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Niemeiers Erhebung hat mich
zwar wieder etwas niedergeschlagen da ich nicht weiß in wie
fern sie auf Ihre Existenz | 13v hier Einflus haben könnte.
Wenn ich nur das eine sicher wüste daß wenn
Steffens sich entschlösse zurückzukehren
dies Sie veranlassen könnte auch hier, wie Sie es jetzt in Berlin zuthun
hoffen, sich wieder mit ihm zu vereinigen, denn mir ist
sehr bange aus vielen Ursachen, daß mann ihn doch nicht
nach Berlin rufen wird und
Sie wären dann dort gefesselt und er hier, das
wäre das traurigste was ich mir denken
könnte.
Daß Vater in
Cassel ist hat Mine Ihnen gesagt wir sind
sehr begierig zuhören was er dort für sich ausrichten wird mir ist alles gleich,
wenn wir nur hierbleiben können und gegen
Wirklichen Mangel geschützt sind, in allem
Uebrigen ist die Zeit in der wir leben eine gute
Lehrerinn.
Henriette Herz hatte eine Stelle als Erzieherin
bei
Charlotte von Kathen
angenommen, die sie im April 1808 antrat.
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Daß die Herz ihre Abreise noch
etwas aufgeschoben freut mich herzlich
| 14 so wohl Ihretwegen als ihrer Selbst
willen.
– Gott gebe Ihnen bald wieder ein ruhiges Leben
und einen Wirkungskreis wie Sie ihn einst hier
hatten. Die Zeit war doch sehr schön lieber Schleiermacher wie Sie zuerst
nach Halle kamen, wie wir alle Sie gleich so lieb
hatten als hätten wir uns lange gekannt, wie ich da mit
einemmahl wieder componieren konte und
meine ersten Versuche gleich von Ihnen so sehr beherzigt
wurden, daran denke ich immer noch mit gerührtem Herzen
und mein ganzes Leben ist seitdem zu einem
Dankgebeth geworden. –
Seyn Sie tausendmahl gegrüst von uns allen, ich werde es Ihnen sehr
danken wenn Sie mir bisweilen etwas über Mine sagen denn das gute
Mädchen ist etwas flüchtig im Schreiben.
Anne (Nanny) Schleiermacher
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Nanny
grüße ich herzlich und
bitte um ihr freundliches Andenken.
Auch Reimer herzliche
Grüße.
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