Erlauben Sie, Verehrter Herr Oberconsistorialrath, daß ich Ihnen, wovon Gestern die Rede unter uns war, noch etwas bestimmter auseinanderseze, als ich damals konnte, da wir unterbrochen wurden, und auch wol als ich wollte, weil ich fürchtete zu sehr in Eifer zu gerathen
Es ist gewiß zu bedauern, daß die Regierung jezt noch über keinen Fonds für die zu errichtende Universität disponiren kann, allein unstreitig wäre noch weit mehr zu bedauern wenn man deshalb den Entwurf selbst aufgeben wollte. Es heißt aber ihn aufgeben, wenn man jezt nicht unverzüglich einen entscheidenden Schritt thut. Wie wenig es auch der neuen Westfälischen Regierung gründlicher Ernst sein mag, sie giebt doch sehr glänzende Versprechungen über die Wiederherstellung von Halle, Versprechungen welche Manche, die ihre Parthie nicht so völlig und aus innerem Gefühl genommen haben wie ich, zurüklokken können; Andre haben wieder andre Anträge. Von wem kann man verlangen daß er, zumal da noch so widersprechende Gerüchte über die Sache sich kreuzen, auf so halb officielle Anträge und Aeußerungen hin als die bisherigen sind, bestehende Verhältnisse abbrechen oder dargebotene verlieren über der Zeilevon sich weisen soll? Höchst nöthig ist es, endlich bestimmte Vokationen auszufertigen, für die nicht nur welche aus Halle berufen über der Zeile ⎡ sind , sondern auch für die welche man anderwärts her zu berufen denkt, damit endlich Glauben an die Sache entstehe. Mag auch die Gehaltszahlung erst von | einem bestimmten weiteren Termin an versprochen oder vorläufig in Verschreibungen geleistet werden statt baaren Geldes; das wird keinen rechtlichen Mann dem es mit der Sache Ernst ist, und der die Lage der Dinge kennt befremden oder abhalten. Längere Unsicherheit aber wird Alle in andre Verhältnisse hineinzwingen, und woher will man denn wenn der günstige Zeitpunkt kommt die Lehrer nehmen? Mit aller Achtung korr. v. Hg. aus: vonvor den hiesigen Gelehrten sei es gesagt, aus ihnen über den ursprünglichen Text geschriebendenen allein wird sich keine Universität machen lassen.
Da es mit diesen Berufungen, meiner Ueberzeugung nach, Eile hat, und
ich nicht weiß, wie bald ich wieder die Ehre habe Sie zu
sprechen so erlauben Sie mir noch ein Paar Vorschläge in
dieser Hinsicht zu thun
welche mir meine Liebe zu der künftigen Anstalt eingiebt.
Es ist höchst unwahrscheinlich daß Herr
D. Knapp unter den gegenwärtigen
Umständen herkommen wird;
vielleicht sieht sich auch Herr
Niemeier, durch seine Verpflichtungen gegen das Waisenhaus und Pädagogium
genöthiget
es vor der Hand noch abzulehnen, wiewol er bei meiner
Abreise eine überwiegende Neigung hieher bezeugte.
Durch Herrn D. Vater und mich
würde die theologische Facultät niemanden gehörig besezt
scheinen.
Ich
fürcht
über der Zeilewüßte
im Falle dieses Mangels keinen treflicheren Mann herzuwünschen
als den Kirchenrath und Professor J.C.E. Schmidt in
Giessen
, Johann Ernst Christian Schmidt: „Handbuch der
christlichen Kirchengeschichte“, Bd. 1–4 (1804–1806),
„Historisch-kritische Einleitung ins Neue Testament“ (1804), „Lehrbuch
der christlichen Dogmatik“ (1800)
[Schließen]Verfasser
einer allgemein geschäzten mit großer
historischer Kritik gearbeiteten
Kirchengeschichte
einer eben so treflichen Einleitung ins Neue Testament
und einer sehr liberalen und gründlichen Dogmatik
, kurz einen der
gelehrtesten und gründlichsten
Theologen.
– Ferner mögte ich so dringend als möglich an
Herrn Professor
Steffens erinnern und es Ihnen zur
Gewissenssache machen seine Berufung in Anregung
zu bringen. Ich weiß, daß er viele Gegner hat, aber wer den Gang der Studien in Halle kennt, wird gestehen
müssen, daß auf die vortheilhafte Veränderung in den
lezten Jahren Niemand von größerem Einfluß
gewesen ist, daß Niemand mehr wahrhaft wissenschaftlichen
Eifer und gründliches Studium aufgeregt hat als
er.
Eine Umfrage bei Reil bei Wolf bei mir, vielleicht selbst bei
den Juristen, würde ergeben, daß die besten Schüler in
allen Fächern diejenigen gewesen sind, die zugleich die
seinigen waren.
Und wenn man
glaubt ihn in allen einzelnen Fächern durch hiesige
Gelehrte ersezen zu können | was
ich bezweifle: so wird doch dieses bewährte Lehrertalent,
dieses Zusammenfassen des ganzen Gebietes der
Naturwissenschaft über der Zeile
⎡
und der
Philosophie
Niemand nachweisen können. Prinzregent Friedrich, ab März 1808 König
Friedrich VI. von Dänemark; Steffens war im März 1807 nach Kiel gereist und hatte sich mit dem dänischen
Prinzregenten getroffen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung über die Konditionen einer
möglichen Anstellung in dänischen Diensten lehnte Steffens die
Anstellung schließlich ab, vgl. Henrich Steffens: „Was ich erlebte“ (1840-1843), Bd. 5,
S. 235–249.
[Schließen]Hiezu kommt noch daß Herr
Professor
Steffens
als er vor dem Anfang des abgelaufenen Jahres
sehr vortheilhafte Anträge aus Dänemark erhielt, sie aus Anhänglichkeit an
seinen Wirkungskreis in Halle, und weil er es sich zur Schmach
rechnete gleichsam das Signal zu geben
und das erste Beispiel zur Zerstreuung der
Professoren, ganz von der Hand gewiesen hat; auch späterhin und in
einer sehr bedrängten äußern Lage hat er mündlich dem Kronprinzen
dasselbe gesagt. Sie wissen, daß ich mich noch nie mit
Vorschlägen dieser Art aufgedrängt habe, aber diese
beiden konnte ich mich nicht enthalten an die Hand
zu geben.
Nächst diesen Vocationen aber an die künftigen Mitglieder scheint es
mir auch höchst wünschenswerth, ja fast nothwendig, daß die
Anstalt mit
Anfang des Sommers wirklich eröfnet werde, theils weil das
erste Semester doch
immer unvollständig wird, und es Schade wäre ein
WinterSemester halb zu verderben, theils weil
die Zahl der Abgehenden von den Gymnasien um Ostern immer
die bedeutendste ist, theils damit uns nicht wenn die Westfälischen Einrichtungen schnell zu
Stande kommen ein dortiger Studienzwang gleich
Anfangs einen schlimmen Streich spiele; über der Zeile
⎡
anderer
Gründe zu geschweigen.
Hiezu aber
wird erfordert, daß die Eröfnung spätestens im Februar auf
eine ganz authentische und öffentliche Weise bekannt
gemacht werde, weil sonst Jeder schon seine Parthie möchte
genommen haben.
Es gehört dazu meines Erachtens gar kein directer Schritt
der Regierung
selbst;
sondern nur etwa, daß die berufenen Lehrer, die ja Alle
ihre Wirksamkeit je eher je lieber werden antreten wollen, privatim
oder halb officiell unterweiset werden, öffentlich zu
erklären „sie wären entschlossen und befugt hier in Berlin
provisorisch eine Universität
zu eröffnen, welcher alle Privilegien und Rechte
preußischer Universitäten schon provisorisch zugesichert
wären, und auf welcher von Anfang May oder Juni an folgende
Vorlesungen werden gehalten werden.[“] Folgt dann nur ein tüchtiges Verzeichniß,
und eine Anzahl berühmter Unterschriften: so
wäre es übel wenn wir nicht zu rechter Zeit Studirende
bekommen sollten. Einige andere Kleinigkeiten
die dieser Ankündigung
noch | müßten hinzugefügt werden
übergehe ich hier. Ich meine dies kann die Regierung, wenn nur ihr Entschluß feststeht eine
solche Anstalt zu gründen, nicht im mindesten
compromittiren; ja selbst wenn die Frage „ob in Berlin“
noch nicht entschieden sein sollte, wie ich doch glaube, so
würden dadurch die Hände zu einer zwekmäßigen Verlegung für
die Folge nicht gebunden. Nur Eile, Eile mit diesen
nothwendigsten Schritten zur ersten Begründung der Sache
muß Jeder der einigen Theil daran nimmt, unter den
gegenwärtigen Umständen gar sehnlich wünschen, weil sonst auch die standhaftesten möchten wankend
gemacht werden durch die Lokkungen der Westfälinger
oder durch die Werbungen der
Russen
. Sie
sind der Agent in dieser interessanten Angelegenheit, und
es sollte mir leid thun, wenn hinten nach vielleicht sehr
unverschuldet Ihnen von lies: Manchen
[Schließen]Mangen der Vorwurf gemacht würde, daß Sie zwar eine Menge vortreflicher
Rathschläge für Details gegeben hätten die auch späterhin
noch Zeit gewesen wäre zu besprechen, dagegen
aber versäumt die so sehr entfernten Stifter und Oberen
zur rechten Zeit auf dasjenige aufmerksam zu machen was im
Augenblikk geschehen mußte.
Verzeihen Sie meine Ausführlichkeit und meine zudringliche Sprache; schreiben Sie sie aber nur, wie es die Wahrheit ist, meinem Eifer für die Sache zu, die uns Beiden gleich sehr am Herzen liegt.
Mit der vollkommensten Hochachtung
Ihr ergebenster Dr.
SchleiermacherB. d 3t. Jan 8.
Zitierhinweis
Download