Halle den 2 Januar 8.
Endlich muß ich heut, früher als ich wollte und später als ich sollte
schreiben. Die Feste wo mich ziemlich alles
und unter andern eine deutsche
Predigt für Dohlhoff
getroffen haben mir seither
wenig Zeit gelassen, in verlohrnen Augenblicken mochte ich
Ihnen mein theuerster Schleiermacher
nicht schreiben und schob es daher bis auf nächste Woche, jetzt nöthigt mich Harschers Abreise die ich nur so eben erfahre es doch in der
Eil zu thun.
Vgl. Brief
*2600.
[Schließen]So wie einen dessen Ansichten der Dinge noch nicht in ihm
ganz fest gegründet sind manches überrascht und
vieles im ersten Augenblick wenigstens
dunkel bleibt, so
geht es mir mit dem was Sie mir von
Berlin schreiben und was sich seit Ihrer
Abreise hier mit der
Universität
zugetragen hat.
Es ist ein halb angenehmes halb trauriges Gefühl was sich
noch nicht in eins von beiden entschieden lösen will. So
lieb es mir wäre mich wieder in Ihrer Nähe zu befinden,
so ist doch der Gedanke daß in
Berlin
eine Universität
eingerichtet würde zu schön um ihn so leicht
aufgeben zu können. Und wer weis denn ob das
Mislingen des Berliner
Projects auch nothwendig Ihr Zurükkommen nach
Halle zur Folge haben würde?
So kann ich mich | 17v auch über die wie Sie
wissen werden nun entschiedene Wiederherstellung der
hiesigen Universität
gar nicht von Herzen freuen. Sie wissen wohl warum, und
soweit habe ich es leider noch nicht in der Liebe des
Nächsten gebracht daß ich mich mit der Freude der Stadt
über dies Ereignis begnügen könnte, da für mich doch höchst
wahrscheinlich nur spärliche Brokken davon abfallen werden.
Eine Stelle in Ihrem Briefe veranlasste mich mit Louis-Antoine Clarac, Militärinspektor in der
französischen Armee, 1806–1808 Intendant von Halle
[Schließen]dem Intendanten über die
Universität besonders über
die abgegangenen Professoren zu sprechen.
Ueber letztere besonders Wolf
schien er sehr erbittert wobei der Umstand daß
sie ihn weder um Rath gefragt noch ihm ihre Abreise gemeldet
haben, das Meiste beigetragen zu haben
schien. Er erklärte mir
mehr als einmal er sähe voraus es werde manchen gereuen er
aber werde auch nicht den geringsten Schritt thun um ihre
Wiederanstellung zu bewürken.
Es ist also kein Zweifel weiter daß er Sie und die
übrigen Berliner als Fremdlinge ansieht auch ist ihrer bei
Auszahlung der letzten zwei Monate Gehalt welche wenige
Tage nach Ihrer Abreise erfolgten, durchaus keine Erwähnung
geschehn. Soviel weis ich hiervon bestimmt. Am Tage selbst Ihrer Abreise
sind noch zwei für Sie sehr wichtige Ereignisse erfolgt. Erstlich habe ich 3 Reichstaler und 8 Groschen; Accise oder Akzise
ist eine Verbrauchssteuer.
[Schließen]3 r. 8 Accise für Sie eingenommen
und zweitens hat mir
Rienäcker
| 18 einen schönen Rehbock geschickt wovon ich Ihnen
einen Braten geben sollte.
Ebenfals kurz nach Ihrer Abreise kam hier der Befehl an
die Stadt sollte 16 Deputirte nach Cassel schikken worunter sich auch
Niemeier und Voigtel befanden beide aber
quâ Geistliche
und Reil als Eigenthümer.
Der Intendant hat alle ernannt
Dohlhoff ist auch dabei,
sonst Niemand von Bedeutung, sie
sind den 15ten abgereist. Die
Nachrichten von daher lauten sehr schön:
Halle gehörte zum Saale-Departement, eines von
acht Verwaltungsdepartements des neuen von
Napoleon
als Modellreich errichteten Königreichs
Westphalen
, das von seinem jüngeren Bruder König Jerôme in Kassel
regiert wurde.
[Schließen]
Die Hallischen
Deputirten sind bei
der Presentation obenan gestellt worden, man ist
sehr gnädig gegen sie gewesen und hat
viele schöne Versprechungen von Erhaltung ja
Erweiterung der Universität
gethan. Ob die Huldigung schon
geschehen weis man nicht, hier wird den
10ten illuminirt und ein feierliches te deum
nicht in allen Kirchen wie es anfänglich zu meinem
großen Schreck hieß sondern nur in einer Kirche
gehalten werden. Alle Gehalte sind vom
October an gezahlt worden und
sollen von nun an regelmäßig alle Monate gezahlt
werden. Von den Rückständen sowie von den Pensionen ist keine
Rede. Auch ich bin also jetzt ein Gehalt ziehender
Mann. Jetzt ist man beschäftigt Wahl Collegia zu
ernennen welche die Departements Collegia
und ich weis nicht was sonst noch
wählen sollen. Auch mich unwürdigen hat man auf die
Liste gesetzt. Bei dieser Gelegenheit habe ich denn auch
erfahren was ein schärfer sehender vielleicht
längst | 18v gesehen hätte daß
der Intendant aus Gottweis
welchen Gründen, bei aller Artigkeit die er mir
bezeigt mir heimlich sehr abgeneigt ist. Er hat sich unterstanden
meine Ernennung zu tadeln und nur Goldhagens
Festigkeit hat mich zur Zeit noch auf der Liste
erhalten. So
gleichgültig mir dies an sich ist, so wünschte ich
doch sehr es offiziel zu wissen um dem Herrn zu Leibe
gehen zu können ohne Jemand zu
kompromittiren.
Näheres ist über Halle und die
Universität
noch nicht entschieden, die zurückkehrenden
Deputirten werden wohl manches Neue
mitbringen.
Leider ist auch Hirsch
darunter so daß Ihre Bücher Angelegenheit noch
unberührt ist.
Harschers
Abreise geht mir sehr nahe und doch freut es mich ihn in Berlin
zu wissen,
hier wäre er zu Grunde gegangen, und mit seinen Leuten in Basel ist
nichts anzufangen. Wenn Sie ihn nicht aufrecht erhalten so ist ihm
nicht zu helfen. – Ich sehe jetzt Wucherers fleißig, das ist nun auch alles was ich
hier habe.
– Dem armen Dohlhoff steht vielleicht ein
harter Schlag bevor,
seine Frau trägt alle Spuren einer schleimige Lungenschwindsucht (Tuberkulose)
[Schließen]phthisis pituitosa, und ist schon sehr herunter. –
Harscher und ich haben hier noch recht viel mit Ihnen
gelebt.
Ich danke der guten Anne (Nanny) Schleiermacher
[Schließen]
Nanny
daß lies: sie meiner
[Schließen]sei meiner in einem Briefe an Caroline Wucherer
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Caroline
gedacht hat und grüße sie von Herzen; so auch
Reimer
die
Hofräthin Herz
und den braven
Chamisso
. Lassen Sie mich doch ja bald
wieder etwas von sich hören.
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