Einleitung

Der Thesaurus für die digitale Edition der Ästhetikvorlesungen Friedrich Schleiermachers wurde im Rahmen des DFG-Projekts "Schleiermachers Ästhetikvorlesungen im Kontext. Zur Reflexion und Anwendung digitaler Methoden in der Konstellationsforschung" erarbeitet und wird auf schleiermacher digital in einer ersten Vollversion veröffentlicht. Der Thesaurus stellt eine Erweiterung der inhaltlichen Erschließungs- und Lektüremöglichkeiten des Textkorpus der Ästhetikvorlesungen dar, indem er begrifflich strukturierte Themenfelder organisiert und damit über die Inhaltsverzeichnisse hinausgehende Einstiegsmöglichkeiten in die einzelnen Vorlesungsmanuskripte bietet. Aufgrund des verwendeten "Simple Knowledge Organisation Systems" (SKOS) ist der Thesaurus als eine semantische Organisation von Themen und Begriffen angelegt, die aus einer Verbindung von close und distant reading-Verfahren der Textauslegung entstanden ist.

Im Folgenden werden die Bestandteile des Thesaurus kurz beschrieben, bevor das Textkorpus erörtert und die methodischen Grundlinien der Themen- und Begriffsaufstellung dargestellt werden. Anschließend führt Lou Klappenbach in das Datenmodell des Thesaurus ein. Eine ausführliche technische Dokumentation folgt mit der Veröffentlichung des Frameworks "ediarum.SKOS".[1]

Bestandteile des Thesaurus

Der Thesaurus umfasst drei Komponenten:

1. Listenansicht: Die Organisation der Themen und Begriffe der Ästhetikvorlesungen kann in der Listenansicht in alphabetischer Reihenfolge überblickt und erschlossen werden.[2] Durch die Einträge der Listenansicht kann direkt auf einzelne thematische Textpassagen zugegriffen oder nach einzelnen Begriffen gesucht werden. Zudem können die mit den verschiedenen Themen assoziierten Personen, Orte und Werke angezeigt und im jeweiligen Register aufgerufen werden. Es bieten sich damit eine Reihe von Ausgangspunkten für gezielte Lektüren der einzelnen Vorlesungsdokumente.

2. Netzwerkgraph: Parallel zur Listenansicht wird die Organisation der Themen und Begriffe in Form eines Netzwerks visualisiert. Die Übersicht der Themen und Begriffe als Knoten eines Netzes ermöglicht eine spielerische und explorative Erschließung der im Thesaurus erfassten Schwerpunkte der Ästhetikvorlesungen Schleiermachers, durch die etwa themenübergreifende Begriffe sichtbar gemacht werden können.

3. Themenansicht: Auf der Ebene der Textansicht der einzelnen Vorlesungsdokumente ist der Reiter "Themenansicht" implementiert, durch den ein Auswählmenü der Themen und Begriffe erscheint, mit dem das Dokument erschlossen und durchsucht werden kann. Von der Themenansicht kann zurück zur Listenansicht oder direkt in die Suche gewechselt werden.

Struktur des Textkorpus

1. Für die Erstellung des Thesaurus wurden zunächst Schleiermachers Manuskripte zugrunde gelegt, insofern sie eindeutig seinen Ästhetikvorlesungen, die er an der Berliner Universität 1819, 1825 und 1832/33 gehalten hat, und ihrer Vorbereitung zugeordnet werden können. Darunter befindet sich das grundlegende Kollegheft Ästhetik 1819, das Schleiermacher auch für die Kollegien 1825 und 1832/33 verwendete, sowie die Notizen zur Ästhetik I und II, in denen Schleiermacher Exzerpte, systematische Skizzen und Aphorismen gesammelt hat, die zur Vorbereitung insbesondere seines ersten Ästhetikkollegs von 1819 dienten. Seine Marginalien für das Kolleg 1832/33 enthalten, anders als die wenigen wohl für das Kolleg 1825 verfassten, eine eigene Stundenzählung und lassen terminologische und strukturelle Veränderungen erkennen, weshalb sie tendenziell unabhängig von der Niederschrift von 1819 als eigener Text behandelt werden.[3]

2. Zusätzlich werden die überlieferten Vorlesungsnachschriften der drei Kollegien berücksichtigt, insofern sie ein Kolleg möglichst vollständig und detailliert dokumentieren und dabei Schleiermachers mündlichen Vortrag wiedergeben (freilich aufgrund der jeweiligen Perspektive des Mitschreibenden), der in der Regel über die thesenhaften und pointierten Notizen seiner Manuskripte hinausgeht. Zu den einbezogenen Nachschriften zählen die sechs folgenden: 1. die sekundär überlieferte Nachschrift des Kollegs 1819 von Friedrich Bluhme (Fragment), 2. die Nachschriften des Kollegs 1825 von Ernst Moritz Heinrich Bindemann, Friedrich Adolf Trendelenburg und Anonymus (Fragment) und 3. die Nachschriften des Kollegs 1832/33 von Alexander Schweizer und Ernst Ludwig Theodor Henke (Fragment).[4]

3. Das Textkorpus, das durch den Thesaurus erschlossen wird, wird nachfolgend als Gesamtkorpus (im Unterschied zum Basiskorpus) bezeichnet und enthält die folgenden Vorlesungsdokumente.

Kolleg 1819 Kolleg 1825 Kolleg 1832/33
Notizen zur Ästhetik I*
Notizen zur Ästhetik II*
Kollegheft Ästhetik 1819*
Ns. Bluhme (Fragment)
Ns. Bindemann
Ns. Trendelenburg
Ns. Anonymus (Fragment)
Marginalien zum Kolleg von 1832/33*
Ns. Schweizer
Ns. Henke (Fragment)

Tab. 1: Zeitliche Einteilung der mit dem Thesaurus verknüpften Vorlesungsdokumente. Bei den mit Sternchen (*) gekennzeichneten Dokumenten handelt es sich um Manuskripte Schleiermachers, bei den anderen um Vorlesungsnachschriften. Nur die verlinkten Dokumente mit kursiv gesetztem Titel sind bereits auf schleiermacher digital verfügbar.

4. Eine Einschränkung betrifft die Reihenfolge der Publikation der aufgelisteten Dokumente: Weil die digitale Edition der Ästhetikvorlesungen erst drei Jahre nach der Veröffentlichung der Druckausgabe (KGA II/14) erscheinen kann, werden zunächst nur diejenigen Dokumente zugänglich und mit dem Thesaurus erschließbar sein, die nicht in der Druckausgabe enthalten sind. Dabei handelt es sich um die Nachschrift Schweizer 1832/33 (die aufgrund eines vorherigen Projekts bereits als Lesetextversion veröffentlicht werden kann), die Nachschrift Trendelenburg 1825, die Nachschrift Anonymus 1825 und die Nachschrift Henke 1832/33. Erst nach dem Auslaufen der moving wall (vrs. 2024) wird das Textkorpus vollständig als digitale Edition verfügbar und durch den Thesaurus erschließbar sein.

5. Eine quantitative Analyse zeigt, dass die genannten Vorlesungsnachschriften einen deutlich größeren Wortumfang aufweisen als Schleiermachers Manuskripte, die dafür jedoch eine höhere Dichte an einzelnen Wortformen enthalten.

Name des Dokuments Gesamtwortanzahl (W) Anzahl einzelner Wortformen (Wf) Verhältnis Wf/W
Nachschrift Schweizer 1832/33 147.901 9.615 7%
Nachschrift Bindemann 1825 102.503 7.344 7%
Nachschrift Trendelenburg 1825 97.025 7.969 8%
Nachschrift Bluhme 1819 (Fragment) 38.419 4.334 11%
Kollegheft Ästhetik 1819* 32.173 4.802 15%
Nachschrift Anonymos 1825 (Fragment) 19.468 3.248 17%
Nachschrift Henke 1832/33 (Fragment) 11.003 2.157 20%
Marginalien zum Kolleg 1832/33* 8.341 2.168 26%
Notizen zur Ästhetik I* 3.111 1.105 36%
Notizen zur Ästhetik II* 2.215 842 38%

Tab. 2: Auflistung der mit dem Thesaurus verknüpften Dokumente nach Wortanzahl. Zusätzlich wird die Anzahl distinkter Wörter (von mehrfachen Vorkommen eines Wortes wird abstrahiert) und das Verhältnis von distinkten Wörtern zur Gesamtwortanzahl (gerundet, in Prozent) angegeben. Bei den mit Sternchen (*) gekennzeichneten Dokumenten handelt es sich um Manuskripte Schleiermachers, bei den anderen um Vorlesungsnachschriften. [5]

6. Inhaltlich ist der Thesaurus bis auf eine Ausnahme auf die Einleitung und den Allgemeinen Teil dieser Vorlesungsdokumente beschränkt. Diese beiden Teile bilden zusammen fast die Hälfte des Stunden- und Textumfangs einer Vorlesung. Diese Einschränkung erfolgt zunächst aufgrund des Sachverhalts, dass Schleiermacher den Allgemeinen Teil nicht inhaltlich untergliedert hat – im Gegensatz zum Besonderen Teil, der nach den Namen der einzelnen Künste und ihrer drei Abteilungen (begleitende, bildende, redende Künste) strukturiert ist. Allerdings behandelt Schleiermacher in der Einleitung und im Allgemeinen Teil inhaltliche Zusammenhänge, die durch den Thesaurus in einer thematischen und begrifflichen Perspektive differenziert und erschlossen werden.

7. Für die Verlaufs- und Kontextuntersuchung, die ein weiterer Bestandteil dieses Forschungsprojekts darstellt, werden die genannten Vorlesungsdokumente auf die Einleitung und den Allgemeinen Teil reduziert (sofern sie diese enthalten), d.h. der Besondere Teil wird jeweils ausgeklammert. Das dadurch entstehende Textkorpus stellt somit eine Teilmenge (oder ein Subkorpus) des Gesamtkorpus dar und wird als Basiskorpus bezeichnet.

8. Die Konzentration auf die Textpassagen der Einleitung und des Allgemeinen Teils erfolgt aufgrund der Annahme, dass Schleiermacher darin die systematischen und thematischen Grundlinien seiner Ästhetik vollständig entwickelt und diese im Besonderen Teil nur noch in Bezug auf die einzelnen Künste ausführt. Daher sind die Nachschriften nur marginal mit dem Thesaurus verknüpft, die aufgrund ihres fragmentarischen Überlieferungszustands diese Teile nicht enthalten; dazu gehören Anonymus 1825 und Henke 1832/33, die jeweils nur bezüglich des Themas "Poesie vs. Philosophie" (das als einziges Thema auch den Besonderen Teil umfasst) berücksichtigt worden sind.

Aufstellung und Modellierung der Themen

1. Im Rahmen des Thesaurus wird ein "Thema" als ein inhaltlicher Zusammenhang betrachtet, der durch eine Gruppe von relevanten und signifikanten Begriffen bzw. durch ein thematisches Begriffsfeld repräsentiert wird. Dementsprechend wurde jedem Thema ein solches Begriffsfeld zugewiesen, das sowohl themenspezifische als auch themenübergreifende Begriffe enthält. Der Aufstellung und Eingrenzung der Themen liegt keine automatische Themenmodellierung (topic modeling)[6] zugrunde, sondern ein manuelles, auf Lektüre und Interpretation der einzelnen Vorlesungsdokumente basierendes Annotationsverfahren. Unterstützend wurden jedoch digitale Textanalysen mit Voyant Tools[7] zur Bestimmung des Vorkommens und der Zuordnung themenspezifischer Begriffe durchgeführt.

2. Die Annotation der Themen erfolgte nach inhaltlichen und statistischen Gesichtspunkten direkt in den TEI-XML-Dokumenten der einzelnen Vorlesungsdokumente, sie wurde nacheinander pro Dokument und Jahrgang vorgenommen (explorativ jedoch zunächst in der Nachschrift Trendelenburg 1825).

3. Die Modellierung folgt dem Grundsatz, nur das mindestnötige Maß an Vorannahmen in die Annotation einfließen zu lassen, weil der darauf aufbauende Thesaurus als Instrument der Erschließung des Textkorpus möglichst breitgefächerte Lesarten und Perspektiven ermöglichen soll. Zu den impliziten Vorannahmen gehört die Ansicht, dass eine Themeneinteilung grundsätzlich möglich und sinnvoll ist, welche auf einer grundlegenden Kenntnis der einzelnen Vorlesungsdokumente, ihrer thematischen Schwerpunkte und ihrer tragenden Begriffe basiert, die durch Lektüre und aus der Sachkommentierung für die historisch-kritische Ausgabe (KGA II/14) hervorgegangen ist.

4. Der Anspruch der Themenauswahl besteht darin, dass sie den einleitenden und allgemeinen Teil der Vorlesungen inhaltlich erschöpft und damit Schleiermachers Ästhetikkonzeption in ihren zentralen theoretischen und begrifflichen Bestandteilen erschließt. Darüber hinaus soll die Aufstellung der Themen auch eine Situierung der Ästhetik Schleiermachers in ihrem Kontext ermöglichen, weshalb sie auch in Rücksicht auf den ästhetischen Diskurs reflektiert wurden, zu dem die nachkantische Ästhetik und insbesondere die Ästhetikvorlesungen von K.W.F. Solger und G.W.F. Hegel gerechnet werden, die wie Schleiermachers im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts an der Berliner Universität gehalten wurden.

5. Die Aufstellung der Themen steht in engem Zusammenhang mit der Aufstellung der thematischen Begriffsfelder, die mitunter eine Korrektur der Einteilung der Themen bewirkt hat. Eine zunächst explorativ erhobene Gruppe von acht Themen wurde im Verlauf der Modellierung auf eine Gruppe von 14 Themen erweitert, die die Grundlage des Thesaurus bildet. Die nachfolgend angegebene Reihenfolge orientiert sich am inhaltlichen Verlauf der erschlossenen Textteile und spiegelt damit auch den Entstehungsprozess der Themenaufstellung wider:

T1: Wissenschaftsgeschichte der Ästhetik
T2: Schöne Kunst als Nachahmung der Natur
T3: Zur Theorie der Kunst als freie Produktivität
T4: Die ethische Relevanz der Kunst
T5: Geschichtlichkeit der Kunst
T6: Kunst und Religion
T7: Poesie vs. Philosophie
T8: Stilistik der Künste
T9: Traum und Kunst
T10: Identität und Differenz der Künste
T11: Das Schöne und das Erhabene
T12: Die Momente der künstlerischen Praxis
T13: Das Ideale und das Antiideale
T14: Phantasie und Vernunft

6. Diese unterschiedlich umfangreichen Themen, die für den nachfolgenden Projektteil als Subkorpora extrahiert wurden, umfassen jedoch nicht die alle Textpassagen aus Einleitung und Allgemeinem Teil der Vorlesungsdokumente (Basiskorpus). Einige wenige Textpassagen bleiben unberücksichtigt, weil sie aus redundanten oder thematisch indifferenten Textpassagen bestehen. Das folgende Tableau gibt eine quantitative Übersicht der einzelnen Themen (Subkorpora) nach Wortanzahl:

Thema (T) Gesamtwortanzahl (W) Anzahl einzelner Wortformen (Wf) Wf/W
T3 47.709 4.617 10%
T10 34.471 3.939 11%
T4 28.265 3.594 13%
T12 25.901 3.299 13%
T13 17.932 2.786 16%
T5 15.048 2.681 18%
T2 10.743 1.828 17%
T7 10.608 1.807 17%
T11 8.660 1.743 20%
T6 7.876 1.743 22%
T1 6.336 1.500 24%
T9 4.769 1.109 23%
T8 4.030 1.064 26%
T14 3.695 934 25%

Tab. 3: Auflistung der 14 Themen (Subkorpora) nach Wortanzahl. Für diese Analyse wurden die fragmentarischen Nachschriften Anonymus 1825 und Henke 1832/33 nicht berücksichtigt, weil sie nur das Thema 7 enthalten, während Einleitung und Allgemeiner Teil fehlen.[8]

7. Diese Themen stehen teils im Verhältnis der Koordination (inhaltlich koordiniert, ohne sich überschneidende Textpassagen), der Assoziation (inhaltlich verbunden, thematische Textpassagen überschneiden sich an einigen Stellen) oder der Subordination (inhaltlich untergeordnet, thematische Textpassagen sind Bestandteil eines umfassenderen Themenfeldes) zueinander. Dabei gibt es graduelle Unterschiede: Manche Themen überschneiden sich nur in kleinen Textbereichen, andere in größeren; je größer dieser Bereich ist, desto eher handelt es sich um assoziierte oder subordinierte Themen, je kleiner dieser Bereich, umso eher um koordinierte Themen. Diese Verbindungsarten der Themen werden im Thesaurus formal durch eine interne "Relation" dargestellt. Dabei weisen die umfangreicheren Themen tendenziell mehr Relationen zu anderen Themen auf als die weniger umfangreichen. Aufgrund der thematischen Überschneidungen kommt es vor, dass einige Textpassagen mehr als einem Thema zugeordnet sind.

8. Dem für die Textsorte Vorlesung inhärenten Unterschied von einem Text aus ‚erster Hand‘ (Manuskript Schleiermachers) und einem Text aus ‚zweiter Hand‘ (Vorlesungsnachschrift) (vgl. Tab. 1) wird dadurch begegnet, dass die Themen und Begriffe in der "Listenansicht" in der Rubrik "Vorkommen in den Vorlesungsdokumenten" dokumentenspezifisch angezeigt werden können. Eine analoge Anzeige für die Begriffe wird erst in der Vollversion des Thesaurus umgesetzt.

Aufstellung der thematischen Begriffsfelder

1. In den Thesaurus sind nur Begriffe und Wörter aufgenommen und miteinander verknüpft worden, die in den ausgewählten Textteillen der enthaltenen Vorlesungsdokumente (Tab. 1) tatsächlich vorkommen. Es wurden neben den überwiegend aufgenommenen substantivischen auch einige adjektivische Wortformen einbezogen sowie einige Verbindungen von beiden, insofern sie für die jeweiligen thematischen Zusammenhänge relevant sind.

2. Als Grundlage der die Themenmodellierung unterstützenden digitalen Textanalyse wurde der originale Wortlaut der Manuskripte berücksichtigt. Dafür wurden die Textdateien von textkritischen Anmerkungen, Sachkommentaren und anderweitigen Ergänzungen des Herausgebers bereinigt. Einbezogen wurden lediglich die ausgeschriebenen Abkürzungen bei Abbreviaturen und Kontraktionen, ohne welche die Worte in ihrem Satzzusammenhang nur schwer analysierbar und in der Auswertung nur schlecht darstellbar wären. Schließlich wurden die in die digitale Textanalyse einbezogenen XML-Dateien mit dem Programm DTA::CAB lemmatisiert.

3. Für die Auswahl und Zuordnung eines Begriffs zu einem Thema wurden qualitative und quantitative Kriterien berücksichtigt, die sich entsprechend der Bedeutungs- und der Zeichenebene des Textes in zwei Hauptaspekte unterteilen lassen: a) Relevanz: das Erfüllen einer semantischen Funktion eines Begriffs in einem thematischen Zusammenhang (ohne dabei besonders häufig vorkommen zu müssen), b) Signifikanz: das (überdurchschnittlich) häufige Vorkommen eines Begriffs innerhalb eines thematischen Zusammenhangs.

4. Um die konzeptionellen Vorannahmen im Prozess der Auswahl und thematischen Zuordnung der Begriffe überprüfen zu können, wurden statistische Textanalysen mit Voyant Tools ergänzend durchgeführt. Diese Analysen betreffen somit vor allem das Kriterium der Signifikanz: Dabei wurde ein Begriff dann als signifikant für ein Thema erwogen, wenn er a) besonders häufig in einem thematischen Textabschnitt vorkommt, b) nur oder überwiegend darin vorkommt, c) (häufig) in Zusammenhang mit anderen Begriffen darin vorkommt, d.h. es wurden auch Kollokationen[9] von themenspezifischen Begriffen berücksichtigt. Funktionswörter wie Artikel, Präpositionen, Konjunktionen etc. wurden bei der Analyse durch eine Stoppwortliste[10] ausgeklammert, thematisch indifferente Begriffe von thematisch relevanten aus inhaltlichen Gesichtspunkten gesondert (vgl. 3.a).

5. Wenn z.B. der Terminus „Theorie“ überdurchschnittlich häufig in einem bestimmten Textsegment eines Vorlesungsdokuments vorkommt, in dem das Thema „Wissenschaftsgeschichte der Ästhetik“ behandelt wird, dann wurde das als ein Hinweis auf seine Signifikanz für dieses Thema gewertet. Wenn dieser Terminus zudem inhaltlich relevant für dieses Thema ist, dann wurde er in den Thesaurus aufgenommen und diesem Thema zugeordnet. Wenn dieser Terminus auch in einem anderen Textsegment überdurchschnittlich häufig vorkommt, in dem ein anderes Thema behandelt wird, dann wird er auch für dieses Thema als signifikant erachtet und seine Relevanz überprüft. Wenn ein Terminus wie z.B. "Vorbildung" in einem Textsegment hingegen nur sehr selten vorkommt (also nicht durch seine statistische Häufigkeit auffällt), für das darin behandelte Thema aber inhaltlich relevant ist, dann wurde er auch in den Thesaurus aufgenommen und diesem Thema zugeordnet.

6. Aufgrund dieses Verfahrens sind einige Begriffe nur für ein Thema, einige Begriffe für wenige, andere aber zugleich für mehrere Themen signifikant und relevant. Daher sind sehr häufig bis häufig vorkommende Begriffe wie etwa „Kunstwerk“, „Natur“ oder „Produktion“ in der Regel mehr als einem Thema zugeordnet. Diese sind themenübergreifend und erfüllen eine interthematische Verbindungsfunktion, während sehr selten bis selten vorkommende Begriffe, wie etwa „τέχνη“ oder „Vorbildung“, meistens nur für ein Thema relevant sind. Zudem sind umfangreicheren Themen tendenziell mehr Begriffe zugeordnet als weniger umfangreichen.

7. Für die Begriffe gibt es aufgrund ihrer verschiedenen Schreibweisen in den unterschiedlichen Vorlesungsdokumenten ggf. auch die Rubrik "alternative Bezeichung", wo Synonyme und differierende Schreibweisen eines Terminus (z.B. "Production" bei "Produktion", aber auch "Nachbildung" bei "Nachahmung") aufgeführt werden. Zudem erfolgt durchgehend eine Übersetzung der Begriffe ins Englische.

8. Bei einigen Begriffen, bei denen der zeithistorische Kontext es erlaubt, sind auch externe Relationen zu Wikidata-Einträgen (z.B. "Ästhetik" oder "Virtuosität") angelegt.

9. Wie bereits bezüglich der Themenfindung bemerkt, setzt die Einordnung und Selektion der Begriffe auf Grundlage ihrer Verwendung und ihres Vorkommens in den thematisch annotierten Textpassagen des Gesamtkorpus eine grundlegende Bekanntschaft mit diesen Dokumenten und mit den Bedeutungsdimensionen ihrer Schlüsselbegriffe voraus und es kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer erneuten Untersuchung (durch eine andere Forschende) eine alterierende (Themen- und) Begriffsaufstellung getroffen werden würde. Insofern können die Themenannotationen und Begriffsfelder als Interpretationen angesehen werden, die für eine weitergehende Differenzierung und Perspektivierung geöffnet sind.[11]

Technische Dokumentation

Weil semantische Modellierungsformen wie Thesauri noch nicht in ediarum integriert waren, wurde für dieses Projekt ein eigenes Framework entwickelt: das von der Digital Humanities Arbeitsgruppe TELOTA entwickelte Tool "ediarum.SKOS".[12] Die Modellierung der Themen und Begriffe basiert auf dem „Simple Knowledge Organisation System“ (SKOS), das auf dem Resource Description Framework (RDF) und RDF-Schema aufbaut und welches in XML serialisiert werden kann.

ediarum.SKOS bietet eine nutzer:innen freundliche Oberfläche, um SKOS-basierte Thesauri zu erstellen und zu bearbeiten. Das Framework kann als oXygen Add-on installiert werden, es umfasst verschiedene Grundfunktionen, wie die Erstellung von Konzepten (skos:Concept), von Gruppen (skos:Collection), die Vergabe von Labels (skos:prefLabel, skos:altLabel) und die Einfügung von Definitionen (skos:definition). Als Beziehungstypen zwischen den Konzepten sind derzeit Hierarchien (skos:narrower und skos:broader) und Assoziationen (skos:related) implementiert.

Ein SKOS-Reasoner in XSLT kann darüber hinaus „per Knopfdruck“ Inferenzen aus den Beziehungen ziehen. Zur Verknüpfung von Konzepten mit historischen Dokumenten innerhalb einer Edition, kann ediarum.SKOS mit ediarum-Modulen (wie ediarum.BASE) und mit projektspezifischen ediarum-Frameworks kombiniert werden.

ediarum.SKOS befindet sich derzeit in der Testphase und soll künftig unter freier Lizenz publiziert werden.

Links zum Thesaurus

Für eine optimale Darstellung wird die Verwendung des Firefox-Browsers empfohlen.

Zur "Listenansicht" des Thesaurus führt ein Link unter der Rubrik "Register" von schleiermacher digital.

Hier geht es direkt zur "Listenansicht".

Hier geht es direkt zum "Netzwerkgraph".

Die "Themenansicht" findet sich nach Aufschlagen des jeweiligen Vorlesungsdokuments unter "Vorlesungen / Ästhetik".

Credits

An dieser Stelle sei allen gedankt, die an der Entwicklung und Entstehung des Thesaurus beteiligt waren: Lou Klappenbach für die technische Entwicklung und Implementierung des Thesaurus auf schleiermacher digital, Frederike Neuber für die Projektkoordination und Gordon Fischer für den Entwurf des Netzwerkgraphen (alle DH/TELOTA-Gruppe der BBAW). Ganz herzlicher Dank gilt auch den Mitarbeitenden der Schleiermacher-Forschungsstelle der BBAW, die durch wertvolle Hinweise und Nachfragen die Entwicklung des Thesaurus konstruktiv begleitet haben. Schließlich sei auch der DFG für die Förderung dieses Projekts und der BBAW für seine Aufnahme als Drittmittelprojekt des Akademienvorhabens "Schleiermacher in Berlin 1808-1834. Briefwechsel, Tageskalender, Vorlesungen" vielmals gedankt.

Zitierhinweis

Erläuterungen zum Thesaurus für die Ästhetikvorlesungen. In: schleiermacher digital / Thesaurus der Ästhetikvorlesungen, hg. v. Holden Kelm. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://xmledit.bbaw.de/schleiermacher/apps/schleiermacher/S8323529 (Stand: 26.7.2022)

Literatur

Dumont, Stefan / Fechner, Martin: "Bridging the Gap: Greater Usability for TEI encoding", in: Journal of the Text Encoding Initiative [Online] 8, 2014/2015, URL: http://journals.openedition.org/jtei/1242 (letzter Zugriff 15. Juli 2021)

Gadamer, Hans-Georg: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 1, Hermeneutik I, Tübingen 1990

Harpring, Patricia / Baca, Murtha: Introduction to Controlled Vocabularies: Terminology for Art, Architecture, and Other Cultural Works. Los Angeles, California, Getty Research Institute, 2013, URL: https://www.getty.edu/research/publications/electronic_publications/intro_controlled_vocab/index.html (letzter Zugriff 15. Juli 2021)

Horstmann, Jan: „Topic Modeling“, In: forTEXT. Literatur digital erforschen. (2018), URL: https://fortext.net/routinen/methoden/topic-modeling (letzter Zugriff: 10. Mai 2021)

Isaac, Antoine / Summers, Ed: W3C Working Group, Note 18 August 2009. SKOS Simple Knowledge Organization System Primer, URL: https://www.w3.org/TR/skos-primer/ (letzter Zugriff 15. Juli 2021)

Jaeschke, Walter / Arndt, Andreas: Die Klassische Deutsche Philosophie nach Kant. Systeme der reinen Vernunft und ihre Kritik 1785-1845. München 2012

Jurish, Bryan: Finite-state Canonicalization Techniques for Historical German. PhD thesis, Universität Potsdam, 2012 (defended 2011). URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-55789

Kelm, Holden und Lou Klappenbach, "Ein Thesaurus für die digitale Edition der Ästhetikvorlesungen von Friedrich Schleiermacher", Poster für die DHd 2022 "Kulturen des digitalen Gedächtnisses", 8. Tagung des Verbands Digital Humanities im deutschsprachigen Raum, Potsdam. Zenodo: https://doi.org/10.5281/zenodo.6322510

Rehbein, Malte: "Ontologien", in: Digital Humanities. Eine Einführung, hg. v. Jannidis, Fotis / Kohle, Hubertus / Rehbein, Malte Stuttgart 2017

Rockwell, Geoffrey / Sinclair, Stéfan: Hermeneutica. Computer-Assisted Interpretation in the Humanities, MIT 2016

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Vorlesungen über die Ästhetik, in: ders., Kritische Gesamtausgabe, Abt. II, Bd. 14, unter Verwendung vorbereitender Materialien von Wolfgang Virmond hg. v. Holden Kelm, Berlin 2021

Zaytseva, Ksenia / Ďurčo, Matej (2020): "Controlled Vocabularies and SKOS", Version 1.1.0. Edited by Matej Ďurčo and Tanja Wissik. DARIAH-Campus [Training module], URL: https://campus.dariah.eu/resource/controlled-vocabularies-and-skos (letzter Zugriff 15. Juli 2021)

Anmerkungen

  • [1]Vgl. Holden Kelm und Lou Klappenbach, "Ein Thesaurus für die digitale Edition der Ästhetikvorlesungen von Friedrich Schleiermacher." DHd 2022 Kulturen des digitalen Gedächtnisses. 8. Tagung des Verbands "Digital Humanities im deutschsprachigen Raum" (DHd 2022), Potsdam. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.6322510
  • [2]Die seltenen altgriechischen Begriffe folgen am Listenende des Menüs "Wörter und Begriffe".
  • [3]Vgl. "Historische Einführung", in: F.D.E. Schleiermacher: Vorlesungen über die Ästhetik, unter Verwendung vorbereitender Materialien von Wolfgang Virmond herausgegeben von Holden Kelm, in: ders., Kritische Gesamtausgabe, Abt. II, Bd. 14, Berlin 2021 (= KGA II/14), L–LXIV.
  • [4]Vgl. "Historische Einführung", in: KGA II/14, LXIV–LXV. Die ebenfalls erhaltene Nachschrift Stern des Kollegs 1832/33 ist aufgrund ihres rudimentären Zustandes nicht in den Thesaurus einbezogen worden.
  • [5]Diese quantitativen Angaben basieren auf einer Analyse mit Voyant Tools. Vgl. Stéfan Sinclair und Geoffrey Rockwell, "Documents", in: Voyant Tools, URL: https://voyant-tools.org/docs/#!/guide/documents (erstellt am 11.05.2022). Der Link zu der zugrunde liegenden Ansicht in Voyant Tools führt auch zu den Texten der angezeigten Dokumente und kann deshalb erst freigegeben werden, wenn sämtliche Dokumente der Ästhetikvorlesungen digital veröffentlicht werden können.
  • [6]Vgl. Jan Horstmann (2018): „Topic Modeling“, In: forTEXT. Literatur digital erforschen. URL: https://fortext.net/routinen/methoden/topic-modeling (letzter Zugriff: 10. Mai 2021).
  • [7]Stéfan Sinclair und Geoffrey Rockwell, Voyant Tools (corpus terms, trends, contexts), V. 2.5.4 [2022/02/11]: URL: https://voyant-tools.org/ (letzter Zugriff 11.05.2022).
  • [8]Stéfan Sinclair und Geoffrey Rockwell, "Documents", in: Voyant Tools, URL: https://voyant-tools.org/docs/#!/guide/documents (erstellt am 14.04.2022). Der Link zu der zugrunde liegenden Ansicht in Voyant Tools führt auch zu den Texten der angezeigten Dokumente und kann daher erst freigegeben werden, wenn sämtliche Dokumente der Ästhetikvorlesungen digital veröffentlicht werden können.
  • [9]Vgl. URL: https://voyant-tools.org/docs/#!/guide/corpuscollocates
  • [10]Stoppwortliste Thesaurus Schleiermacher Aesthetikvorlesungen. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.6556405
  • [11]Zur Problematik des hermeneutischen Zirkels vgl. Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 1, Hermeneutik I, Tübingen 1990, S. 270–290. Bekanntlich werden auch beim (teil-)automatisierten "Topic Modeling" keine endgültigen Wortlisten bzw. Begriffsgruppen erstellt. Auch hierbei ist letztlich ein interpretierender Blick für die Feststellung einer Begriffsgruppe als thematisch relevant nötig. Vgl. dazu die Beschreibung des DARIAH-DE "TopicsExplorer" unter der folgenden URL: https://de.dariah.eu/topicsexplorer (letzter Zugriff: 21.05.22).
  • [12]Entsprechend den Grundsätzen von Open Science werden Code und Dokumentation zur Nachnutzung und Weiterentwicklung unter GNU-Lizenz auf Github publiziert und über Zenodo versioniert. – Alle Icons wurden von Fontawesome (v5.15) nachgenutzt und für ediarum.SKOS modifiziert; sie sind lizensiert unter CC BY 4.0.

Zitierhinweis

Erläuterungen zum Thesaurus für die Ästhetikvorlesungen. In: schleiermacher digital / Thesaurus der Ästhetikvorlesungen, hg. v. Holden Kelm. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S8323529 (Stand: 26.7.2022)

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