Grundsätze der kritischen Textedition auf schleiermacher digital

Die im Folgenden dargelegten Grundsätze der Edition auf schleiermacher digital orientieren sich an den editorischen Richtlinien der Kritischen Gesamtausgabe Schleiermachers (KGA), die in den Druckbänden der einzelnen Abteilungen in der "Einleitung der Herausgeber" ausgeführt sind. Die insgesamt wenigen Änderungen gegenüber diesen Richtlinien sind hauptsächlich durch die Differenz zwischen dem analogen und dem digitalen Darstellungsmedium bedingt.

Allgemeines

1. Schreibweise und Zeichensetzung des zu edierenden Textzeugen werden grundsätzlich beibehalten. Dies gilt auch für Schwankungen in der Schreibweise, bei denen es häufig eine Ermessensfrage darstellt, ob eine irrtümliche Schreibweise vorliegt. Hingegen werden Verschiedenheiten in der Verwendung von Zeichen (z.B. für Abkürzungen und Auslassungen), soweit sie willkürlich und sachlich ohne Bedeutung sind, stillschweigend vereinheitlicht. Die von Schleiermacher für Randnotizen gebrauchten Verweiszeichen (Ziffern, Sterne, Kreuze etc.) werden einheitlich durch Ziffern wiedergegeben, sofern diese Randnotizen hier als Autorfußnoten wiedergegeben werden.

2. Offenkundige Schreibfehler oder Versehen werden im Text korrigiert. In der textkritischen Anmerkung wird – ohne weitere Angabe – die Schreibweise des Originals angeführt.

3. Wo der Zustand des Textes eine Konjektur notwendig macht, wird diese im Text durchgeführt und in der Textanmerkung nachgewiesen; in Zweifelsfällen wird eine Konjektur mit der Angabe „Kj“ nur in der Textanmerkung vorgeschlagen. Wo bereits Konjekturen eines früheren Herausgebers vorliegen, kann diese unter Nennung des jeweiligen Urhebers und der Seitenzahl seiner Ausgabe oder Schrift in der Textanmerkung mitgeteilt werden. Wird eine solche Konjektur in den Text übernommen, so wird dies ebenfalls in der textkritischen Anmerkung nachgewiesen.

Richtlinien für die Edition der Manuskripte Schleiermachers

4. Es wird die letztgültige Textgestalt des Manuskripts wiedergegeben. Alle Belege für den Entstehungsprozess (wie Streichungen, Korrekturen, Umstellungen) werden in textkritischen Anmerkungen — nach Möglichkeit gebündelt – mitgeteilt.

5. Zusätze zum ursprünglichen Text, die Schleiermacher eindeutig einverwiesen hat, werden in den laufenden Text eingefügt. Sie werden mit der Formel „mit Einfügungszeichen“ und mit Angabe des ursprünglichen Ortes im Manuskript in den textkritischen Anmerkungen nachgewiesen.
Ist ein Zusatz von Schleiermacher nicht eingewiesen, aber seine eindeutige Einordnung in den Grundtext durch Sinn oder Position möglich, so wird in der textkritischen Anmerkungen nur der Ort angegeben.
Zusätze, die sich nicht eindeutig in den Grundtext einfügen lassen, werden auf den jeweiligen Seiten – vom übrigen Text deutlich abgesetzt – unter Angabe des Ortes im Manuskript wiedergegeben.

6. Bei Abbreviaturen (Abkürzungen, Kontraktionen, Kürzeln), deren Sinn eindeutig ist, werden unter Weglassung eines evtl. vorhandenen Abkürzungszeichens (Punkt, Abkürzungsschleife usw.) die fehlenden Buchstaben im Text kursiv ergänzt.
Chiffren für Wörter (z.Β. Θ für Gott) werden ebenfalls im Text kursiv aufgelöst und im Chiffrenverzeichnis zusammengestellt.
Abbreviaturen und Chiffren, deren Auflösung unsicher ist, werden im Text belassen; für sie wird ggf. in der textkritischen Anmerkung ein Vorschlag mit der Formel „Abk. wohl für ...“ gemacht.
Zur Zeit Schleiermachers geläufige Abkürzungen werden nicht aufgelöst. Soweit sie heute nicht mehr geläufig sind, werden sie im Abkürzungsverzeichnis mit ihren Auflösungen zusammengestellt. Die durch Überstreichung bezeichnete Verdoppelung von m und n wird stillschweigend ausgeschrieben.
In allen Fällen, in denen aufgrund der Flüchtigkeit der Schrift nicht eindeutig ein Schreibversehen oder eine gewollte Abkürzung zu erkennen ist (z.B. bei nicht ausgeformten Buchstaben, auch bei der verkürzten Endsilben), wird das betreffende Wort ohne weitere Kennzeichnung in der üblichen Schreibweise vollständig wiedergegeben.

7. Fehlende Wörter und Zeichen, die für das Textverständnis unentbehrlich sind, werden in eindeutigen Fällen kursiv in eckigen Klammern ergänzt. In Zweifelsfällen wird in der textkritischen Anmerkung mit der Formel „wohl zu ergänzen“ ein Vorschlag gemacht. Im Text gelassene Lücken werden in der textkritischen Anmerkung durch den Hinweis (lacuna) gekennzeichnet.
Sofern das Zeilenende eindeutig den Punkt am Satzende vertritt, wird dieser stillschweigend ergänzt. Ferner werden fehlende Umlautzeichen in eindeutigen Fällen stillschweigend ergänzt; fehlende diakritische Zeichen (wie Akzente, Spiritus-Zeichen) in fremdsprachigen Texten werden hingegen nicht ergänzt.

8. Sind im Manuskript Umstellungen von benachbarten Wörtern oder Satzteilen vorgenommen worden, so wird in der textkritischen Anmerkung mit der Formel „umgestellt aus“ die Vorstufe angegeben. Bei Umstellungen von Sätzen oder Satzteilen über einen größeren Zwischenraum wird der ursprüngliche Ort unter Verwendung der Formel „mit Umstellungszeichen“ angegeben.

9. Streichungen. Sind im Manuskript Wörter, Buchstaben oder Zeichen gestrichen worden, so wird das Gestrichene mit roter Schriftfarbe und Durchstrich direkt mitgeteilt. Wurden Streichungen vorgenommen, aber nicht vollständig durchgeführt, so werden die versehentlich nicht gestrichenen Partien eingeschlossen.

10. Korrekturen Schleiermachers an Wörtern, Wortteilen oder Zeichen werden durch die Formel „korr. aus" angezeigt (Beispiel: klein] korr. aus mein).

11. Unsichere Lesarten werden durch ein an die fragliche Textstelle direkt anschließendes, eingeklammertes und kursiv gesetztes Fragezeichen gekennzeichnet (z.B. die Idee(?) der Welt). Gegebenenfalls wird in der Textanmerkung eine mögliche andere Lesart mit der Formel „oder" vorgeschlagen. Bei unsicheren Lesarten, zu denen frühere Texteditionen eine abweichende, ebenfalls erwägenswerte Lesart bieten, wird diese unter Nennung des jeweiligen Herausgebers und der Seitenzahl seiner Ausgabe oder Schrift mitgeteilt. Nicht entzifferte Wörter werden durch in eckige Klammern eingefügte Auslassungspunkte gekennzeichnet (z.B. das [...] ist); zusätzlich wird eine Beschreibung in der textkritischen Anmerkung gegeben.

12. Liegen an einer Stelle der Handschrift mehrere deutlich unterscheidbare Entstehungsstufen vor, so können diese, wo es die Klarheit erfordert, in der textkritischen Anmerkung nacheinander jeweils für sich nachgewiesen werden. Keine eigene Mitteilung erfolgt, wenn beim Übergang aus einer früheren in eine spätere Stufe ein Wort gestrichen oder korrigiert worden ist; dies ergibt sich aus dem Vergleich der Stufen.

13. Überlieferungslücken. Ist ein Manuskript nur bruchstückhaft überliefert, so wird der Überlieferungsverlust innerhalb eines Absatzes durch ein in kursive eckige Klammern eingeschlossenes Spatium gekennzeichnet. Ein umfangreicherer Überlieferungsverlust wird durch ein in kursive eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet, das auf einer gesonderten Zeile wie ein Absatz eingerückt wird. Eine Beschreibung erfolgt in der textkritischen Anmerkung.

Richtlinien für die Edition von Vorlesungsnachschriften

Die Edition der Vorlesungsnachschriften erfolgt nach einem vereinfachten Verfahren. Diese Vereinfachungen betreffen die im vorstehenden Absatz unter den Ziffern 4, 5, 8, 9, 10, und 12 genannten Editionsregeln. Die unter 6, 7, 11 und 13 genannten Grundsätze gelten unverändert.

14. Bei der Edition von Vorlesungsnachschriften wird in der Regel lediglich die letztgültige Textgestalt wiedergegeben, jedoch ohne Nachweis des Manuskriptbefundes – d. i. von Streichungen, Zusätzen, Verbesserungen, Umstellungen und Entstehungsstufen – in der textkritischen Anmerkung. Abweichend hiervon werden längere Randbemerkungen zu Vorlesungsnachschriften, die den Charakter von eigenständigen Textpartien haben, als Fußnoten mitgeteilt, da es sich bei ihnen um spätere Ergänzungen des Nachschreibers handeln kann.

15. Existieren zu einer Vorlesung mehrere Nachschriften, so wird, wie in der Druckausgabe der KGA üblich, die hinsichtlich ihrer Vollständigkeit und Ihres Sachverständnisses als beste ausgewählte Nachschrift zum Leittext erklärt und ediert. Die als Leittext gewählte Nachschrift wird in der Regel vollständig geboten. Wo Vorlesungsnachschriften über Schleiermachers Manuskripte hinaus keine wesentlichen Aufschlüsse enthalten, ist es auch möglich, sie nur ausschnittweise zu edieren. Bietet die als Leittext gewählte Nachschrift an einer Stelle einen offenkundig fehlerhaften Text, so wird nach Möglichkeit der richtige Text aus einer anderen Nachschrift übernommen, die Abweichung aber in der textkritischen Anmerkung dokumentiert. Ist die als Leittext gewählte Nachschrift unvollständig, wird sie aus einer vollständigeren ergänzt, mit entsprechendem Nachweis in der Textanmerkung. Weist auch diese offenkundige Fehler auf, wird, sofern weitere Vorlesungsnachschriften vorhanden sind, verfahren wie im vorigen Satz beschrieben.
Abweichend vom Leithandschriftprinzip der gedruckten KGA-Bände werden auf schleiermacher digital bei einigen Vorlesungen (so z.B. bei den Vorlesungen über die Christliche Sittenlehre und den Vorlesungen über die Ästhetik) auch mehrere oder alle überlieferten Nachschriften eines Jahrganges vollständig geboten.

Sekundäre Überlieferung

16. Sofern Überlieferungsverluste gegenüber früheren Editionen eingetreten sind, oder einzelne Editionen in der Forschung in den letzten Jahrzehnten als Referenz dienten, können die entsprechenden Texte als sekundäre Überlieferung in ihrer ursprünglichen Gestalt unverändert dargeboten werden.

Zur Darstellung der textkritischen Zeichen

Zu den besonderen Darstellungsweisen der textkritischen Zeichen und Hervorhebungen auf der Webseite vgl. die Hinweise unter "Editorischen Zeichen und Hervorhebungen".

Zitierhinweis

Einleitung der Herausgebenden. In: schleiermacher digital / Begleittexte, hg. v. den Schleiermacher-Forschungsprojekten. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S1121217 (Stand: 26.7.2022)

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