Freitag d. 24t. Merz 9

19  über den ursprünglichen Text geschrieben20

Gestern bin ich also wirklich zum erstenmal im Kanonierhause gewesen. Aber was ist die erste Entdekkung gewesen die ich gemacht habe? Daß unser ganzes Arrangement in einem wesentlichen Punkt muß geändert werden; denn unsere bestimmte Schlafkammer ist so schmal daß unsere Betten nur so stehn könnten daß gar kein Gang bleibt sondern Du zu der einen Thür eingehn müßtest und ich zur andern ohne allen Durchgang, und Du Deine Besuche immer über den Flur machen müßtest. Wenn dann noch Ein Kinderbett stände und deine Toilette so wäre auch gar kein Plaz mehr. So etwas will ich nun wenigstens nicht einrichten ohne daß du es gesehen hast. Auch das andere für  Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny bestimte Schlafkabinett würde für uns nur sehr enge sein und den Durchgang aus dem Saal in das andere Zimmer für Andere als uns auch unthunlich machen. Außerdem ist nun aber gar kein anderer Rath als daß wir die Eßstube zur Schlafstube machen; da haben wir es dann ganz geräumig und bequem.  Sachanmerkung:

Da ... bleiben werden] 
Witwe und Tochter von Schleiermachers verstorbenen Amtsvorgänger Karl Friedrich Thiele

benauhe]  lies: beinahe
 [Schließen]
Da nun aber , wegen Metgers großer Reise noch benauhe zwei Monat im Hause bleiben werden
so müssen wir unterdeß den Saal zur Schlafstube und Nannys Stube zur Wohnstube machen. Daß es so in jeder Hinsicht besser ist als umgekehrt glaube mir nur. Eine solche interimistische Einrichtung ist freilich fatal; allein ich kann es mit meiner Freundschaft für Metger und mit der allgemeinen Menschenliebe nicht vereinigen  | 46v die Frauenzimmer aus dem Hause herauszuwerfen und es hat nun nebenbei den Vortheil daß du hernach noch freie Hand behältst denn wenn Du den Durchgang missen willst läßt sich das kleine Kabinet immer noch einrichten. Bleibt es bei der Schlafstube unten so nimmt dann Nanny wol das kleine Kabinet die kleine Kammer zum Schlafen und dagegen das kleine Kabinet zwischen dem Saal und ihrer Stube, wo ein häßlicher  über den ursprünglichen Text geschriebenwelches einen häßlichen Ofen hat der heraus muß, an dessen Stelle man aber doch gegen Winter einen eisernen sezen kann wird recht niedlich eingerichtet als Dein Boudoir und dein Sekretär kommt hinein zu stehen so daß als dann Saal und Nannys Stube sehr hübsch zusammenhängen. So will ich nun, da es nicht möglich ist wenn noch etwas fertig werden soll auf deine Antwort zu warten die vorläufigen Arrangements machen. Anfangs war mir bange die Schlafstube unten möchte dir sehr fatal sein wegen der  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinder die doch eher zu Bette gehen allein die Spalding der ich die Noth diesen Mittag klagte hat mich sehr darüber beruhigt daß dir das gar nicht ängstlich sein könne. In Götemiz ist es ja wol auch immer so gewesen. Mir ist es übrigens ganz entsezlich schwer geworden mich von der einmal gefaßten Idee zu trennen, und viel besser wird es dir wahrscheinlich auch nicht gehn. Willst Du indeß lieber als die Schlafstube unten zu haben den Durchgang missen: so schreibe es mir nur gleich und ich will meine Anstalten schon in einer solchen Ordnung treffen daß es sich noch einrichten läßt. Die Sache ist nemlich die daß die Breite der Kammer nur wenige Zoll größer ist als die Länge einer ordentlichen Bettstelle. Ich würde dann die Thüre aus meiner Kammer in die Schlafkammer ausheben und die Oefnung mit einer Gardine verhängen lassen. Die Betten würden dann  | 47 dicht an diese Thüre herangerükt, dann stände an der langen Wand zu deinem Kopf oder zu deinen Füßen ein Kinderbett und unter dem Fenster deine Toilette, und irgend ein kleiner Schrank hätte noch immer nothdürftig Plaz. So wäre es zwar eng, aber Luftzug könnte man immer genug machen wegen der Communication mit meiner Kammer und Stube und sehr heiß könnte es auch im Sommer nicht werden weil nur sehr wenig Morgensonne hineinkommt. Die Kammer sähe dann so aus. ^$^$128/55^#1^$^${ a der Eingang aus meiner Kammer b der Eingang aus dem Saal c Fenster nach Mitternacht und d Fenster nach Morgen e e die Betten f und g eins ein Kinderbett und eins ein Schrank um das nöthigste aus der Hand legen zu können h deine Toilette. Etwas enger zusammengeschoben mußt du dir alles noch denken denn ich habe die Betten nach Verhältniß der Länge zu schmal gezeichnet, und das Kinderbett wenn es in f steht würde wahrscheinlich etwas unter das Fenster reichen da dies aber Fensterladen hat und eigentlich ganz unnöthig ist so daß es in eine Nische verwandelt werden könnte so kann daraus gar kein Schaden geschehn. Uebrigens habe ich Gestern noch nichts gethan als mit dem Tischler Verabredung getroffen wegen Stellung meiner Bücher in Stube und Kammer; von nun an geschieht aber alle Tage etwas

Nun habe ich Dir noch nicht gesagt daß ich heute früh  Vgl. Brief 3152. [Schließen]dein Briefchen vom 16ten bekommen habe das Du einen Wisch nennst. Höre das verbitte ich mir. Nichts ist ein Wisch was in die grüne Mappe kommt wo Jettchen drauf steht – und wieviel liebe süße Worte hast Du nicht auf dem Einen Blatt zusammengedrängt! wie lebendig fühle ich es daraus, so frisch als ob Dein Athem mich anwehte und Dein Herz an meiner Brust schlüge, wie du mich liebst. Ach glüklich bin ich ganz durchaus, und wenn mir manchmal sein will als würde Dir doch vielleicht hintennach manches fehlen an mir und bei mir so verweht das auch gleich wieder wenn ich es recht besehn will. Vgl. Brief 3152. [Schließen] Aber das andere Blättchen hättest  | 47v du mir immer auch schikken sollen. Warum magst du es nur zurükbehalten haben? Das kann ich gar nicht rathen. Ich hätte beinahe gesagt, wenn ich bei dir bin brauche ich ja gar keine geschriebenen Worte mehr; aber ich nehme die Thorheit gleich zurük, denn wie herrlich wird es auch sein wenn ich Dir die Antwort gleich unmittelbar geben kann ohne Worte. – Ich habe mir eben vorher nachdem ich aufgehört hatte vom Hause zu schreiben einen herrlichen Genuß ernascht denn von Näschereien bin ich ein großer Freund[.] Ich wollte mich noch einmal an deinen Briefen laben, da fiel mir unter den heutigen Briefen einer von  Henriette Herz [Schließen] Jette an Luise Reichardt in die Hände. Ich öfnete ihn weil ich ahnden mußte daß viel von uns drin stände, und wie herrlich spricht die liebe Freundin von unserm Glük, wie schön und wahr beschreibt sie dich wie rührend einfach erzählt sie Deine unsere Geschichte. Ja ja an die muß alle Welt gewiesen werden; denn ich kann bei meiner armen Seele keinem Menschen ein ordentliches Wort von Dir sagen. Theils ist das wol die Natur der Liebe theils meine besondere, theils auch in den weiteren Kreisen ekelt mich der Gedanke an daß die Leute immer den dummen Spruch im Sinne haben „die Liebe ist blind“ und daß sie dann nicht wissen wo sie anfangen sollen abzuziehn und zuzusezen, so daß es eben so gut ist als sagte man ihnen nichts. Darum kann ich ihnen auch nichts geben als Schaum und Scherz. Luise Reichardt gehört nun nicht etwa zu diesen sondern ist eine gar liebe Freundin die ihre große Freude haben wird an Jettens Erzählung und sie recht innig genießen. Und nun gute Nacht meine HerzensJette, Du glüklich machende glükliche! – ach wäre ich doch auch eben so glüklich machend als glüklich. Süße Du schläfst schon lange denn es ist zwei Uhr, und ich möchte dich ganz mit Küssen bedekken die ich Dir rein stähle weil Du gar nichts davon merken solltest. Morgen mehr | 48

Sonntag Nachmittag Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen und jezt eben kommt ganz unerwartet  Vgl. Brief 3158. [Schließen]Dein lieber Brief vom 17ten – 20ten. Beantworten kann ich ihn nun freilich gar nicht mehr; aber sagen muß ich Dir doch daß ich ihn habe, und daß ich ihn noch recht genießen will mit aller Liebe die darin ist. Du wirst wahrscheinlich hernach wieder zwei Briefe auf einmal bekommen haben denn ich habe keinen Posttag vorbei gehn lassen  Vgl. Brief 3158. [Schließen]und Du hättest eigentlich mit der leeren Adresse zugleich auch einen Brief haben müssen. Wenn ich sage dein Brief sei mir unerwartet gekommen süßes Liebchen so meine ich auch nicht du solltest etwa einen Posttag überschlagen sondern nur weil ich gewohnt bin daß der Brief erst Dienstag komt statt Sonntag. Nun müssen sich aber die Posten schon wieder besser eingerichtet haben. Meine Gesundheit süße Jette ist wirklich(?) seit mehreren Wochen ganz gut gewesen bis auf das Bischen Zahnschmerzen – nur heute grade bin ich wie angeweht sehr unwohl so daß ich Nanny habe allein den Mittag zu Reimers gehn lassen und zu Hause gefastet und den ganzen Vormittag habe ich nur so zwischen Wachen und Schlafen hingebracht. Sei aber nur nicht bange ich fühle schon daß Morgen keine Spur mehr davon sein wird.

 Vgl. Brief 3146. [Schließen]Die Israel hat mir kürzlich einen recht lieben Brief geschrieben. Ich möchte nur wissen was Du eigentlich über sie gehört hast. Sie gehört nun auch zu den Frauen, denen ich viel zu gut halten kann weil doch ihre Ehe eigentlich sie nicht befriedigen kann. Die Cumerow hatte die Adresse auf den Brief gemacht aber auch kein Wort dazu geschrieben | 48v

 Vgl. Brief 3158. [Schließen]Endlich ist doch auch die Gewißheit wegen der Namen gekommen; ich war schon im Begriff ein wenig zu schelten. In 14 Tagen um diese Zeit sind sie nun schon öffentlich verlesen. Wieviel schöne Ahndungen der Zukunft wieviel schöne Erinnerungen sind in Deinem Briefe berührt. Vgl. Brief 3158. [Schließen] Und mit den 22 Jahren ist es nichts! Ja, ich muß es mir freilich gefallen lassen! jünger kann ich dich doch nun einmal nicht machen. Das ist auch immer die Vorrede mit der ich anfange wenn die Leute nach Deinem Alter fragen. Es bleibt also nichts übrig als daß ich recht dafür sorge jung zu bleiben. An meinen guten Willen soll es nicht fehlen, und einen gewissen Theil der Jugend den leichten fröhlichen Sinn, die freie Lust an der Welt, die gründliche Sorglosigkeit behalte ich auch gewiß immer.

Ich muß schließen denn es ist wirklich die höchste Zeit der Post wegen. Lebe recht wohl mit den süßen Kindern und seid mir aufs zärtlichste umarmt.

Ernst.

Deine Bestellungen sollen alle besorgt werden.

Zitierhinweis

3165: An Henriette von Willich. Berlin, Freitag, 24.3. bis Sonntag, 26.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006994 (Stand: 26.7.2022)

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